Apotheken, die einem Open-house-Vertrag nicht beigetreten sind, haben keinen Anspruch auf Vergütung. Das hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden. In dem Streit ging es um Retaxationen von rund 85.000 Euro.
Verhandelt wurden zwei Fälle aus Sachsen, in denen Apotheken Versicherte mit Zytorezepturen versorgt hatten, obwohl dazu nur bestimmte Vertragspartner zugelassen waren. In einem Fall galt eine Open-house-Vereinbarung der IKK classic, der der Apotheker nicht beigetreten war. Trotzdem versorgte er im letzten Quartal 2016 Versicherte mit Parenteralia. Daher beanstandete die Kasse die zunächst vergüteten Abrechnungen und verrechnete ihre Forderung mit späteren Abrechnungen. Die Apotheke sei mangels Vertragsbeitritts nicht abgabeberechtigt gewesen. Es ging um 44.000 Euro.
Das BSG sah es genauso. Für den streitigen Zeitraum halte man an der bisherigen Rechtsprechung zur Exklusivitätswirkung von Verträgen nach § 129 Absatz 5 Satz 3 SGB V fest. Dies gelte auch für Verträge, die nicht im Wege der Ausschreibung, sondern im Open-House-Verfahren geschlossen wurden.
„Zwar ist durch den Beitritt mehrerer Apotheken zu einem Open-House-Vertrag in einem bestimmten Gebiet dessen Exklusivitätswirkung im Vergleich zu einem Einzelvertrag für eine Apotheke in einem Gebiet nach Ausschreibung im Vergabeverfahren eingeschränkt. Aber auch der Open-House-Vertrag schließt alle nicht beigetretenen Apotheken von der Versorgung mit Zytostatika zulasten der vertragsschließenden Krankenkasse in diesem Gebiet aus. Eine zumindest prinzipielle Exklusivität der Lieferbeziehungen als Anreiz für Abschläge gegenüber den sonst geltenden Preisen gehört nach § 129 Absatz 5 Satz 3 SGB V in der bis 12. Mai 2017 geltenden Fassung zu den Essentiala eines Einzelvertrags ebenso wie eines Open-House-Vertrags.“
Daran ändere es auch nichts, dass Exklusivlieferverträge kurz darauf verboten wurden. „Aus den Gesetzesmaterialien zur Aufhebung ergibt sich vielmehr, dass der Gesetzgeber die Exklusivität für das Kernelement der Verträge hielt, er diese gesetzliche Konzeption jedoch nicht fortsetzte und für die Zukunft durch eine andere ersetzte. Der genannten Rechtsprechung des Senats ist damit nicht rückwirkend die Grundlage entzogen worden.“
Im zweiten Fall ging es um eine ähnliche Konstellation, nur dass hier die Barmer sogar exklusive Zuschläge erteilt hatte. Zwar hatte sich der Apotheker aus Dresden ebenfalls am Vergabeverfahren beteiligt, den Zuschlag aber nur für ein anderes Gebietslos erhalten. Laut Vertrag verpflichtete er sich sogar, in den übrigen Gebietslosen, für die er keinen Zuschlag erhalten hatte, keine Zytostatika abzugeben; auf diese Pflicht wurde er seitens der Kasse mit Schreiben im April und Juni 2017 explizit hingewiesen.
Dennoch rechnete er zwischen Juni und August 2017 Sterilrezepturen ab, die nicht in sein Losgebiet fielen. Die Barmer retaxierte, da er nach den Vertragskonditionen mangels Zuschlags im versorgten Gebiet nicht abgabeberechtigt gewesen sei.
Auch hier wies das BSG die Klage auf Zahlung einbehaltener Vergütung von 49.000 Euro nebst Zinsen ab. Die Begründung ist dieselbe wie im ersten Fall.
Exklusivverträge im Bereich der Sterilrezepturen waren im Frühjahr 2017 verboten worden; mit Inkrafttreten des Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetzes (AM-VSG) durften wieder alle Apotheken die Versicherten mit Parenteralia versorgen. Einige Kassen schlossen noch schnell neue Verträge und pokerten auf Bestandsschutz. Am Ende musste sich sogar das Bundesgesundheitsministerium (BMG) einschalten. Bei Nichteinhaltung während der Übergangszeit drohte etwa die Barmer sinngemäß mit „Retax bei Wind und Wetter“.