Die Firma Nelsons soll 45.000 Euro Ordnungsgeld zahlen, weil sie ihre Bachblütenprodukte „Rescue“ nach einem Gerichtsbeschluss nicht zurückgerufen hatte. Die Strafe wird aber vermutlich nicht fällig, da zwischenzeitlich der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine Übergangsfrist für die Produkte erklärt hat. Trotzdem könnte der Ausgang des Rescue-Verfahrens für die Apotheken weitreichende Folgen haben. Es geht um Haftung und damit um potenzielle Abmahnfallen.
Seit Jahren streitet Nelsons mit den Firmen Ayonnax Nutripharm und Bachblütentreff über den Vertrieb der Bachblütenmischung „Rescue“ als Lebensmittel. Die gesundheitsbezogenen Aussagen sind aus Sicht der Konkurrenten nicht von der Health-Claims-Verordnung gedeckt, da die Produkte einen Alkoholgehalt von 27 Volumenprozent hatten. Der EuGH entschied im November, dass „Rescue“ Bestandsschutz genießt – und mindestens bis zum 19. Januar 2022 weiter vertrieben werden darf.
Allerdings gab es parallel ein Verfahren, weil Ayonnax der Ansicht ist, Nelsons habe gegen eine Unterlassungsverpflichtung verstoßen. Das Oberlandesgericht München (OLG) hatte den Hersteller im Januar 2013 verboten, die als Spirituosen gekennzeichneten Produkte „Rescue Tropfen“ und „Rescue Night Spray“ zu bewerben oder zu vertreiben.
Nelsons stellte die Produkte auf eine alkoholfreie Variante um, doch in den Apotheken wurde die alte Ware abverkauft und nicht zurückgerufen. Zudem wurden die – im Urteil des OLG nicht genannten – Schwesterprodukte „Rescue Spray“ und „Rescue Night Tropfen“ weiterhin verkauft. Aynonax forderte vor Gericht, dass gegen Nelsons ein Ordnungsgeld von 105.000 Euro verhängt wird.
Vor dem Landgericht München I (LG) scheiterte Ayonax, das OLG verhängte ein Ordnungsgeld von 45.000 Euro, das im September vom Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt wurde. In der jetzt vorliegenden Begründung führt der BGH aus, dass Nelsons die Apotheken zur Rückgabe der Ware hätte auffordern müssen.
Zwar wurde der Hersteller nicht zu einem Rückruf verpflichtet, doch dem BGH zufolge kommt es gar nicht darauf an, ob Ayonax ein Rückrufanspruch sachlich-rechtlich zusteht. Die Vorinstanz habe dagegen mit Recht angenommen, dass Nelsons zu möglichen und zumutbaren Handlungen verpflichtet war, um die weiteren Verkauf der abgemahnten Produkte zu verhindern.
Der Hersteller muss laut Beschluss für die selbstständig handelnden Apotheker nicht einstehen, aber so auf sie einwirken, dass ein Verstoß abgestellt wird, von dem er letztlich auch profitiert. Danach müsse ein Hersteller „grundsätzlich durch einen Rückruf des eigenen Produkts dafür sorgen, dass bereits ausgelieferte Produkte von seinen Abnehmern nicht weiter vertrieben werden“, so der BGH. Zwar habe Nelsons gegenüber den Apotheken keinen Anspruch auf Rückgabe, der Hersteller hätte es aber zumindest versuchen müssen.
Der BGH-Beschluss habe eine über das Ordnungsgeld hinausgehende „immense Bedeutung für die Rechtspraxis“, so Rechtsanwalt Thomas Salomon von der Kanzlei Hogan Lovells, die Nelsons vertritt. Denn die Entscheidung aus Karlsruhe sei nicht sonderlich praktikabel: „Wir haben nach dem Urteil wie gefordert mit dem Verkauf der monierten Ware aufgehört, aber keinen Rückruf gestartet“, erklärt Salomon.
Das war Sicht des Anwalts auch nicht nötig, da ein Rückruf einen Beseitigungsanspruch der Gegenseite erfordere, und das sei eine vollkommen andere Anspruchsgrundlage. „Wenn Unterlassung zukünftig auch Beseitigungshandlungen umfasst, verursacht das weitreichende finanzielle Folgen: Regalplätze werden geräumt, und ob jeder Lieferant rasch wieder eine Listung erhält, ist fraglich. Die Kosten der Zusammenstellung und Rücksendung von Waren sind ebenfalls erheblich und können auch Apotheker belasten“, so Salomon.
Die Apotheker selbst könnten in ein rechtliches Dilemma geraten. Sie sind zwar nicht zur Rücksendung der Ware verpflichtet. Allerdings ist fraglich, ob sie die Produkte noch in Verkehr bringen dürfen. Denn wenn der Hersteller darüber informiert, dass ein Produkt nicht mehr verkehrsfähig ist, dürfen Apotheken es eigentlich nicht mehr verkaufen. Die Juristen haben dafür einen schönen Ausdruck: Der Apotheker wird bösgläubig. Im Rescue-Fall droht den Apothekern keine Gefahr, da die Produkte längst umgestellt wurden. Aber der BGH-Beschluss könnte für künftige Auseinandersetzungen zwischen Herstellern folgenreich sein.
Der BGH hatte das Ordnungsgeld gegen Nelsons zudem wegen des Vertriebs der Schwesterprodukte bestätigt. Zwar wurden konkret nur „Rescue Tropfen“ und „Rescue Night Spray“ verboten und nicht „Rescue Spray“ und „Rescue Night Tropfen“ – das Charakteristische des Verbots liege aber in der Bezeichnung „Rescue“ so der BGH.
Das Ordnungsgeld wird allerdings aller Voraussicht nach nicht zahlen müssen, weil das EuGH-Urteil jetzt zurück zum BGH geht. Karlsruhe hatte die Frage der Kennzeichnung der Rescue-Produkte in Luxemburg vorgelegt. Aus Sicht der EU-Richter gilt eine Übergangsfrist. „Deshalb gehen wir davon aus, dass das Urteil des OLG München, auf dem das Ordnungsgeldverfahren fußt, keinen Bestand haben wird“, erklärt Rechtsanwalt Salomon. Der Hersteller kann beim LG beantragen, dass die Vollstreckung bis zur endgültigen Klärung ausgesetzt wird, alternativ könnte sich Nelsons das Geld später von der Staatskasse zurückholen.
Fünf Jahre hat Nelsons nun noch Zeit, sich über seine Produkte Gedanken zu machen. Bachblüten haben unter den Stimmungsaufhellern eine führende Position in Deutschland. Der Markt hatte nach Zahlen des Marktforschungsinstitut Insight Health im vergangenen Jahr einen Umsatz von rund 30 Millionen Euro. Nelsons ist mit einem Umsatz von knapp 22 Millionen Euro nach eigenen Angaben klarer Marktführer.
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