Folsäure & Jod: Nur die Hälfte ist versorgt Cynthia Möthrath, 19.10.2020 14:50 Uhr
Der Bedarf an Vitaminen und Mineralstoffen ist in der Schwangerschaft erhöht. Vor allem Jod und Folsäure sollten entsprechend supplementiert werden, um eine ausreichende Versorgung zu gewährleisten. Die Arbeitskreise Folsäure & Gesundheit sowie Jodmangel e.V melden jedoch nun, dass nur die Hälfte der Schwangeren diese Supplemente wie empfohlen einnimmt. Grundlage der Meldung ist eine aktuelle Studie.
Die „SuSe II-Studie“ der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) zeigt, dass viele Schwangere noch immer nicht ausreichend über die Notwendigkeit einer Versorgung mit Jod und Folsäure informiert sind. Die Studie wird alle vier Jahre im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft erstellt und ist Teil des Ernährungsberichts der DGE.
Supplemente zu spät oder gar nicht eingenommen
Insgesamt wurden knapp 1000 Frauen im Rahmen der Untersuchung befragt: Den aktuellen Ergebnisse zufolge verwendeten viele Frauen keine entsprechenden Supplemente, einige nahmen sie erst zu spät ein – knapp 82 Prozent nahmen zwar ein Folsäurepräparat ein, weniger als die Hälfte hatte jedoch wie empfohlen bereits vor der Schwangerschaft mit der Einnahme begonnen. Auch eine frühzeitige Supplementierung von Jod fand nur etwa bei der Hälfte der Frauen statt.
„Der Bedarf an den meisten Vitaminen und Mineralstoffen nimmt erst ab dem vierten Schwangerschaftsmonat zu und lässt sich durch eine ausgewogene Lebensmittelauswahl gewährleisten. Aber Folsäure und Jod bilden eine Ausnahme“, erklärt Gynäkologe Dr. Klaus Doubek, Beiratsmitglied der Arbeitskreise Folsäure und Gesundheit sowie Jodmangel e.V. „Ihr Bedarf ist quasi ab der Empfängnis erhöht und sollte neben der Ernährung über die zusätzliche Einnahme von entsprechenden Nahrungsergänzungsmitteln gedeckt werden.“ Frauen mit Kinderwunsch sollten daher bereits frühzeitig über die bedarfsgerechte Vitamin- und Mineralstoffversorgung und eine entsprechende Supplementierung aufgeklärt werden – idealerweise im Rahmen der regelmäßigen Vorsorge, appelliert der Gynäkologe.
Folsäure: Unerlässlich bei Kinderwunsch & Schwangerschaft
Folsäure ist die synthetisch hergestellte Form von Folat, das zur Gruppe der wasserlöslichen B-Vitamine gehört und beispielsweise in grünem Gemüse, Tomaten, Hülsenfrüchten, Vollkorn- oder Milchprodukten und Eiern enthalten ist. Allerdings ist beim Verzehr auf die unterschiedliche Bioverfügbarkeit und die entsprechenden „Folat- Äquivalente“ zu achten. Der Mikronährstoff ist ein entscheidender Cofaktor im Kohlenstoffmetabolismus und setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen – einem Pteridin-Derivat, para-Aminobenzoesäure und L- Glutaminsäure – zusammen. Weil der Körper Folat nicht selbst herstellen kann, muss der Mikronährstoff über die Nahrung aufgenommen werden.
Das Vitamin ist bei Zellteilungs- und Wachstumsprozessen von großer Bedeutung und spielt bei der Bildung der roten Blutkörperchen und der Produktion der Neurotransmitter Serotonin und Noradrenalin eine Rolle. Außerdem werden Folate bei der DNA-Synthese benötigt. In der Schwangerschaft ist der Mikronährstoff vor allem im ersten Trimenon von großer Bedeutung. „Eine Unterversorgung in den ersten Schwangerschaftswochen kann zu erheblichen Komplikationen wie einem Neuralrohrdefekt, also dem sogenannten offenen Rücken, oder auch Früh- und Fehlgeburten führen“, erklärt Doubek.
Der Verschluss des Neuralrohrs findet in der Regel gegen Ende der vierten Schwangerschaftswoche statt. Geschieht dies nicht spricht man von einem „offenem Rücken“. Studien zeigen, dass Folsäure das Risiko für einen Neuralrohrdefekt mindern kann, auch wenn die Ursachen für die Spina bifida vielfältig sind. „Eine gute Folsäureversorgung könnte viele Neuralrohrdefekte verhindern.“
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt vor und während der Schwangerschaft eine wirksame Folatkonzentration in den roten Blutkörperchen von 400 Mikrogramm pro Liter – ausgehend von dieser Empfehlung sind in Deutschland rund 95 Prozent der Frauen im gebärfähigen Alter unterversorgt. Daher wird Frauen mit Kinderwunsch geraten, täglich 400 Mikrogramm Folsäure einzunehmen. Wird mit der Supplementierung erst bei Schwangerschaftsbeginn gestartet, werden sogar höhere Dosierungen von 800 Mikrogramm pro Tag empfohlen. Die DGE rät zu einer Folatzufuhr von 550 Mikrogramm pro Tag über die gesamte Schwangerschaft hinweg. Geeignet sind zum Beispiel die verschiedenen Folio-Präparate.
Jod: Erhöhter Bedarf muss erfüllt werden
Ein weiteres wichtiges und empfohlenes Supplement ist Jod. „Bereits ein leichter Jodmangel kann zu einer verzögerten Entwicklung des Gehirns führen und den Intelligenzquotienten beeinträchtigen. Darüber hinaus sind Wachstumsverzögerungen, Hördefekte oder psycho- und feinmotorische Störungen mögliche Folgen“, erläutert Doubek. Jedoch gibt es bei der Zufuhr einiges zu beachten: In der Schwangerschaft steigt der Jodbedarf aufgrund mehrerer Faktoren: Zum einen kommt es zu einer vermehrten mütterlichen Produktion von Schilddrüsenhormonen, zum anderen ist die renale Jodausscheidung der Schwangeren erhöht. Hinzu kommt der Bedarf für die Entwicklung des Ungeborenen.
„Aber gerade Frauen im gebärfähigen Alter erreichen meist weder die Zufuhrempfehlung von 200 Mikrogramm Jod am Tag für Erwachsene noch die von 230 Mikrogramm Jod am Tag für Schwangere.“ Schwangere sollen daher zusätzlich zu einer ausgewogenen Ernährung Supplemente mit 100 bis 150 Mikrogramm Jod einnehmen. „Dies gilt umso mehr, je größer der Anteil an pflanzlichen Lebensmitteln in der Ernährung ist.“ Bei Schilddrüsenerkrankungen sollte jedoch vor der Einnahme eine Rücksprache mit dem behandelnden Arzt erfolgen. Auf dem Markt gibt es daher sowohl jodhaltige wie auch jodfreie Präparate.