Arzneimittelmissbrauch

Pregabalin: Todesfälle meist bei Kombimissbrauch Katharina Brand, 15.03.2024 15:00 Uhr

Bei seiner Einführung im Jahr 2004 unterstellte man Pregabalin kein Abhängigkeitspotential. Foto: Andrey Popov/stock.adobe.com
Berlin - 

Pregablin wurde bei seiner Zulassung noch kein Abhängigkeitspotential zugeschrieben. „Wir sind im Laufe der Zeit eines Besseren belehrt worden“, weiß Dr. Philipp Müller-Schwefe. Inwieweit Pregabalin allein an Todesfällen beteiligt ist, thematisierte er auf dem diesjährigen Deutschen Schmerz- und Palliativtag.

„Heute wissen wir, dass das Risiko eines Pregabalin-Missbrauchs vor allem bei psychischen Komorbiditäten oder bereits bestehendem Substanzabusus mit beispielsweise Opioiden relativ hoch ist“, erläuterte Müller-Schwefe. Bei einer Dosierung deutlich über der Zulassung wirkt das Gabapentinoid stark euphorisierend. „Darüber hinaus reduziert es die Entzugssymptome bei einer Opiatabhängigkeit“, weiß der Mediziner. Auch dafür werde es außerhalb der ärztlichen Verschreibung benutzt. Kommt der Patient dann nicht mehr an sein Pregabalin, sei die Suizidrate deutlich erhöht.

Todesfälle unter Pregabalin

Mehrere Studien haben sich mit der Thematik bereits beschäftigt. In Finnland konnte eine Erhebung über den Zeitraum von zwei Jahren 594 Todesfälle unter Pregabalin feststellen. „Bei über der Hälfte der Patienten ist der Tod nicht wegen des Pregabalins eingetreten, sondern aufgrund anderer Substanzen“, weiß Müller-Schwefe. Bei 309 Personen konnte folglich Alkohol oder eine andere Droge neben Pregabalin nachgewiesen werden. Bei weiteren 210 Personen konnte eine tödliche Vergiftung post mortem festgestellt werden, an denen Pregabalin zumindest beteiligt war.

Bei lediglich 51 Menschen trat der Tod unter Beteiligung einer tödlichen Vergiftung ohne Opiate, also nur durch Pregabalin, ein. Nur neun Fälle waren auf einen Dosisfehler oder Suizid zurückführbar. Als alleiniges Medikament schlussfolgerten die Autoren der Studie deshalb, dass Pregabalin als alleiniges Medikament sicher ist. In Kombinationstherapie allerdings erhöht sich das Risiko durch eine potentiell missbräuchliche Anwendung des Präparats.

Eine ältere Erhebung lief über den Zeitraum 2014 bis 2019 mit insgesamt 413 Patientinnen und Patienten. „Hier ist festzustellen, dass eine große Anzahl der Patienten einen Mischabusus hatten, vor allem mit Opiaten und Benzodiazepinen“, erklärt Müller-Schwefe. Innerhalb der fünf Jahre stieg die Kombination beider Substanzen zu Missbrauchszwecken von 4 auf 39 Prozent an. In solchen Fällen würden die Medikamente ohne Verschreibung eingenommen, so der Mediziner weiter.

Alter Hut

Laut Professor Dr. Oliver Pogarell, Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie und stellvertretender Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am LMU Klinikum in München, ist die Pregabalin-Problematik nicht neu: „Wir beschäftigen uns in der Suchtmedizin schon seit über zehn Jahren mit dem Thema Pregabalin.“ Auch er stellt das Problem des Bei- und Freizeitkonsums heraus: „Pregabalin ist an sich eine sichere Substanz. Aber es wird gefährlich insbesondere in Kombination mit Opioiden.“ Diese kann eine Atemlähmung oder Atemdepression und somit auch lebensbedrohliche Folgen nach sich ziehen.