Cannabis ist ab Montag kein Betäubungsmittel (BtM) mehr. Dass das Gesetz zur Legalisierung so schnell durchgedrückt wurde, bekommen Apotheken und Patient:innen zu spüren: Weil bis zum 1. April keine Anpassung im Preis- und Produktverzeichnis sowie der Praxissysteme möglich ist, ist Cannabis weiterhin als BtM gelistet. Und ein Ausweichen ist im Grunde nicht möglich.
Mit Inkrafttreten von Cannabisgesetz (CanG) und Medizinal-Cannabisgesetz (MedCanG) werden Cannabis, das Fertigarzneimittel Sativex sowie Dronabinol nicht mehr in Anlage III des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) geführt. Somit unterliegen die Arzneimittel nicht mehr den Vorgaben der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV). Daraus ergeben sich verschiedene Herausforderungen.
BtM-Verordnungen über Cannabis, die vor Inkrafttreten ausgestellt, aber erst ab dem 1. April von der Apotheke beliefert werden, bergen ein Retax-Risiko. Zum einen, weil sie auf dem falschen Formular ausgestellt wurden, und zum anderen, weil die BtM-Gebühr nicht mehr abgerechnet werden darf. Eine Korrektur der BtM-Gebühr ist auch durch die Rechenzentren vor dem 1. Mai nicht möglich.
Der Deutsche Apothekerverband (DAV) bezieht Stellung: „Wir gehen davon aus, dass die bis zu dem Inkrafttreten des Cannabisgesetzes auf einem BtM-Rezept ausgestellten Verordnungen für Cannabis und Dronabinol von den Apotheken auch nach Inkrafttreten des Cannabisgesetzes noch zu beliefern sind und nicht retaxiert werden.“ Allerdings gelte es zu beachten, die Verordnungen innerhalb der Vorlagefrist in der Apotheke sein müssen.
Weil das Gesetz so kurzfristig in Kraft getreten ist, war keine Anpassung im Artikelstamm mehr möglich. Die Frist für eine Meldung bei der Informationsstelle für Arzneispezialitäten (IfA) zum 15. April endete am Mittwoch. Somit kann eine Umstellung erst zum 1. Mai erfolgen, und es ist Herstellern nicht möglich, ihre Produkte rechtzeitig zum Inkrafttreten umzumelden. Dabei gilt die Regel: Was im Preis- und Produktverzeichnis steht, ist bindend, selbst dann, wenn es sich rechtlich um einen Fehler handelt. Und auch die Lieferverträge richten sich nach den maßgeblichen Daten, die im Verzeichnis stehen.
Auch eine Umstellung der Praxissoftware ist dem Vernehmen nach frühestens zum 1. Mai möglich. Haben Praxen bis dahin keine Möglichkeit, eine Korrektur vorzunehmen, können weder ein E-Rezept noch ein Muster-16-Rezept ausgestellt werden, sondern nur ein BtM-Rezept. Somit bleibt offen, wie Patient:innen bis zum 1. Mai überhaupt versorgt werden können. Denn auf einem BtM-Rezept muss mindestens ein Betäubungsmittel verordnet sein. Ist nur Cannabis verordnet, liegt ein Verstoß gegen die BtMVV vor und das Rezept darf nicht beliefert werden. Ob es eine Übergangsfrist geben wird, ist noch unklar.
„Sollten Fälle auftreten, bei denen ein bestimmtes PVS keine ‚normalen‘ (E-)Rezepte mit Cannabisrezepturen ausstellen kann, bittet der DAV um eine Mitteilung der Apotheke“, heißt es. „Der GKV-Spitzenverband hat in diesem Fall eine kurzfristige Lösungsfindung zugesagt.“
Ein weiteres Problem: Einige Cannabis-Sonder-PZN hatten nur für Papierrezepte Gültigkeit. Betroffen waren die Sonder-PZN 06460671, 06460754, 06461423 und 06461446. Der GKV-Spitzenverband ist dem Wunsch des DAV nachgekommen und hat den Anhang 1 zur Technischen Anlage (TA) 1 angepasst. Somit sind die Sonderkennzeichen ab Abrechnungsmonat April auch für E-Rezepte anwendbar.
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