Verbände: G-BA treibt Patienten in Illegalität Patrick Hollstein, 30.11.2022 14:56 Uhr
Auf Medizinalcannabis spezialisierte Apotheken, Ärzte und Lieferanten sowie Patientenvertreter laufen Sturm gegen die Pläne des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), den Einsatz zu beschränken. „Es besteht die Gefahr, dass schon bald wieder viele schwerstkranke Patient:innen in den Schwarzmarkt zurück gezwungen werden“, so die einhellige Meinung der Fachverbände.
Laut G-BA sollen getrocknete Cannabisblüten nur noch nach besonderer Begründung verordnet und erstattet werden dürfen. Gleichzeitig ist in einer geplanten Änderung der Arzneimittel-Richlinie (AM-RL) vorgesehen, dass es zukünftig nur noch bestimmten Fachärzt:innen erlaubt sein soll, Rezepte für Cannabis-basierte Medikamente auszustellen. Und schließlich soll es zusätzliche bürokratische Hürden geben, die das Verordnen von Cannabis in den unterschiedlichen Applikationsformen weiter erschweren könnten.
Damit werde die Versorgung der Bevölkerung mit Cannabis-basierten Medikamenten nicht – wie gesetzlich gewollt – erleichtert, sondern weiter erschwert, so die Verbände in ihrer gemeinsamen Stellungnahme. Patient:innen würden dadurch im schlimmsten Falle (zurück) in die Illegalität gedrängt oder müssten ihre Therapie abbrechen, wenn ihnen der Zugang zu Therapien erschwert werde und sie nicht in der Lage seien, die Kosten dafür selbst zu tragen.
Zugang für Patienten erschwert
Gerade mit Blick auf die geplante Legalisierung von Cannabis als Genussmittel seien die neuen Vorgaben ein „Schlag ins Gesicht“ der Patient:innen, die seit Jahren erfolgreich mit Cannabis-basierten Medikamenten behandelt würden. „Während darüber debattiert wird, Cannabis zu legalisieren, da die Gefahren für die Gesundheit durch den Schwarzmarkt mit den dazugehörigen Risiken zu groß sind, werden Patient:innen im schlimmsten Fall genau in diesen beziehungsweise zum Eigenanbau gezwungen.“
Auch seien die Pläne ein direkter Angriff auf die Therapiefreiheit der Ärzt:innen. „Während der aktuelle Rechtsrahmen bereits jetzt große Hürden für die Verschreibung von Cannabis als Medizin setzt, würden in Zukunft noch weniger Ärzt:innen in der Lage sein, über die richtige Behandlungsmethode für ihre Patient:innen zu entscheiden.“
Die Begleiterhebung, auf die G-BA seine Entscheidung stütze, dürfe nicht als wissenschaftliche Studie verstanden werden, da sie nur einen Bruchteil der Patient:innen abbilde und damit nicht repräsentativ sei. „Trotz dieser methodischen Einschränkung schlussfolgern die Verfasser der Begleiterhebung unter anderem, dass in nahezu 75 Prozent der Fälle durch die Anwendung von Cannabisarzneimitteln eine Besserung der Symptomatik erreicht wurde. Berichtete Nebenwirkungen waren häufig, aber in der Regel nicht schwerwiegend. Somit überrascht es sehr, dass die nun vorliegenden Entwürfe der neuen G-BA Richtlinie den Zugang für eine Cannabis-basierte Medikation insbesondere für Kassenpatient:innen deutlich einschränken würde.“
Laut den Verbänden warten viele bis heute un- und unterversorgte Patient:innen auf Verbesserungen im Cannabis-als-Medizin-Gesetz wie eine Abschaffung des Genehmigungsvorbehalts. Patient:innen bräuchten ärztliche Begleitung und eine Möglichkeit der Erstattung durch die Krankenkassen. „Wenn wir jetzt die Rolle rückwärts vollziehen, lassen wir die Schwächsten unserer Gesellschaft – die schwerkranken Patient:innen – im Regen stehen.“
Unterzeichnet haben die Stellungnahme mehrere Verbände:
- Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM)
- Bund Deutscher Cannabis-Patienten (BDCan)
- Branchenverband Cannabiswirtschaft (BvCW)
- Bundesverband pharmazeutischer Cannabinoidunternehmen (BPC)
- Deutsche Medizinal-Cannabis Gesellschaft (DMCG)
- Interdisziplinärer Arbeitskreis Brandenburger Schmerztherapeuten und Palliativmediziner (IABSP)
- Patientenverband Selbsthilfenetzwerk Cannabis-Medizin (SCM)
- Verband der Cannabis versorgenden Apotheken (VCA)