Die Freigabe von Cannabis zu Genusszwecken bleibt weit hinter den Erwartungen der Industrie zurück; mit den geplanten Clubs wird eher ein Graumarkt geschaffen als ein skalierbarer Geschäftszweig, so die Kritik. Die Apotheken betrifft die sogenannte Legalisierung insofern, als mit ihr die Abgabe von Medizinalcannabis vereinfacht wird. Denn Blüten & Co. werden künftig nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft, wie aus dem Entwurf zum Cannabisgesetz (CanG) hervorgeht.
Cannabis zu medizinischen und medizinisch-wissenschaftlichen Zwecken wird in ein neues Medizinal-Cannabisgesetz (MedCanG) überführt. Da es bei Medizinalcannabis im Gegensatz zu Genusscannabis nicht um die Ermöglichung eines verantwortungsvollen Konsums gehe, sondern um die Versorgung der Patientinnen und Patienten und damit womöglich größere Mengen, sei ein strengerer Maßstab bezogen auf die Sicherheit und Kontrolle anzulegen, heißt es zur Begründung. Deswegen werde es weiterhin ein Erlaubnisverfahren sowie Pflichten zur Führung von Aufzeichnungen, Erstattung von Meldungen und Überwachungsmaßnahmen geben, die denen des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) entsprechen.
Dennoch werden mit dem „Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften“, wie der offizielle Titel des aktuellen Vorhabens lautet, Lockerungen umgesetzt: „Um der geänderten Risikobewertung von Cannabis gerecht zu werden, entfallen bestimmte Vorgaben, wie sie bisher im Betäubungsmittelrecht bestanden, wie zum Beispiel bürokratischer Aufwand durch das Abgabebelegverfahren und die Verschreibung auf Betäubungsmittelrezept.“
Insbesondere das Abgabebelegverfahren nach der Betäubungsmittel-Binnenhandelsverordnung (BtMBinHV) ist nicht mehr anzuwenden. Damit wird die halbjährliche durch eine jährliche Meldung ersetzt. Die Vorgabe der Verschreibung auf einem Betäubungsmittelrezept entfällt und auf besondere Sicherungsmaßnahmen wird künftig verzichtet. Zahnärztinnen und Zahnärzte sowie Tierärztinnen und Tierärzte sind nicht zur Verschreibung berechtigt.
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) rechnet sogar vor, dass die Arztpraxen bei rund 400.000 Cannabisrezepten pro Jahr und einem Zeitaufwand von zwei Minuten für die Dokumentation und durchschnittlichen Lohnkosten im Gesundheits- und Sozialwesen von 33,90 Euro um rund 452.000 Euro entlastet werden. In ähnlicher Größenordnung sinkt der Aufwand für die Hersteller sowie die Groß- und Zwischenhändler. Nicht so bei den Apotheken, denn hier mache der Verkehr mit Cannabis zu medizinischen Zwecken – bis auf wenige Ausnahmen – höchstens 5 Prozent des gesamten Betäubungsmittelverkehrs aus.
Analog zur bisherigen Regelung benötigen Apotheken – oder im bekannten Umfang auch Krankenhausapotheken – keine besondere Erlaubnis, um Cannabis zu medizinischen Zwecken herzustellen, zu erwerben, ab- oder auch zurückzugeben oder auch an die Nachfolgerin oder den Nachfolger zu übergeben. „Die Vorschrift trägt der Tatsache Rechnung, das Apotheken bereits auf Grund apothekenrechtlicher Vorschriften ausreichend überwacht und die entsprechende Sachkunde im Umgang mit Arzneimitteln und Suchtstoffen nachgewiesen haben. Eine zusätzliche Erlaubnispflicht kann daher entfallen.“
Genusscannabis wird aufgrund der veränderten Risikobewertung für Cannabis aus den Anlagen des BtMG entnommen und in das neue Cannabis-Anbaugesetz (CanAnbauG) überführt. Da auch Nutzhanf, Cannabisharz und Tetrahydrocannabinole, ihre Isomere und ihre stereochemischen Varianten zukünftig einheitlich im CanAnbauG geregelt werden soll, werden auch sie aus dem BtMG gestrichen. Die Herstellung und das Inverkehrbringen von synthethischen Cannabinoiden bleibt weiterhin verboten nach dem BtMG.
Damit ist Cannabis zukünftig kein Betäubungsmittel mehr und unterliegt nicht mehr den Vorschriften des BtMG. „Weder Herstellung, Anbau noch Binnenhandel sind zukünftig erlaubnispflichtig. Aufgrund der Tatsache, dass Cannabis nach den internationalen Suchstoffübereinkommen ein Suchtstoff bleibt, bleibt es aber bei einer Erlaubnis- und Genehmigungspflicht für die Einfuhr und Ausfuhr“, so das BMG im Entwurf.
Der gemeinschaftliche Eigenanbau und die Weitergabe von Cannabis für den Eigenkonsum an die Mitglieder ist Anbauvereinigungen vorbehalten, die eine entsprechende Erlaubnis erhalten haben. „Andere Rechtsformen als eingetragene Vereine mit vergleichbarem Satzungs- oder Geschäftszweck, insbesondere gewerbliche Anbieter, Apotheken, gemeinnützige Gesellschaften, Stiftungen, Genossenschaften oder sonstige Institutionen und Organisationen sind nicht antragsberechtigt.“
Das BMG rechtfertigt die Privilegierung von eingetragenen Vereinen mit der „Umsetzung eines gemeinschaftlichen, nicht-gewerblichen Eigenanbaus von Cannabis“. Denn: „Der nicht gewinnorientierte Ansatz mit einem Eigenanbau von Cannabis für den Eigenkonsum durch vornehmlich ehrenamtliche Strukturen unter aktiver Mitwirkung der Mitglieder orientiert sich an den engen Rahmenbedingungen der bestehenden völker- und europarechtlichen Vorschriften.“
Kritiker befürchten, dass in den Vereinen schnell die bisherigen Schwarzmarkthändler übernehmen könnten. Wohin die Reise gehen könnte, war aber zuletzt auf der Verbrauchermesse „Mary Jane“ in Berlin zu sehen: Ein Aussteller präsentierte einen Container, in dem bald ein mobiler Cannabisclub untergebracht sein könnte. Ganz nach dem Motto, Nachtschwärmer noch vor der Partylocation schnell als Mitglied zu werben.
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