Cannabis-Ansturm

„Hausärzte treiben Patienten zu Online-Verordnern“

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Berlin -

In einer Apotheke in Baden-Württemberg hat sich der Absatz von medizinischem Cannabis innerhalb von einem Monat sprunghaft vervielfacht: „Wir sind ohnehin schon eine Schwerpunktapotheke und hatten bis April etwa 10 bis 15 Cannabisrezepte täglich, mittlerweile bekommen wir etwa 50“, so der Inhaber. Was ihn aber massiv stört: „Die Hausärzte mauern trotz der Teillegalisierung und treiben so die Patienten zu den Online-Verordnern.“

Seit der Teillegalisierung von Cannabis ist die Nachfrage in den Apotheken sprunghaft gestiegen. „Wir haben in einem Monat eine Verdreifachung unserer üblichen Cannabisabgaben verzeichnet“, berichtet ein Inhaber. „Damit wir dies stemmen können, habe ich extra Personal dafür eingestellt.“ Schwierig sei die Suche nach neuen Angestellten dabei nicht gewesen. „Das Thema zieht interessiertes Fachpersonal regelrecht an“, berichtet er. Mittlerweile bekommt das Team täglich statt der üblichen 15 etwa 50 Cannabisverordnungen vorgelegt.

Durch die weggefallene BtM-Pflicht sei der gesamte Umgang mit medizinischem Cannabis deutlich entspannter geworden. „Wir mussten jedoch aufgrund der hohen Nachfrage unsere internen Abläufe perfektionieren. Dafür fallen aber wiederum Dokumentation und die Lagerung im Tresor weg.“

Laut dem Inhaber sieht es in den Hausarztpraxen noch ganz anders aus: „Die Ärzte mauern bei gewünschten Cannabisverordnungen. Dabei kennen sie die Patienten mitunter schon jahrelang und wissen, welchen Leidensweg die Menschen teilweise bereits gegangen sind“, beklagt der Apotheker. Dabei sei medizinisches Cannabis gerade für Schmerz- oder ADHS-Patient:innen interessant. „Wer bisher auf Schmerzmittel wie Fenatanyl oder ähnliches angewiesen war, der profitiert mitunter sehr von einer Cannabistherapie.“

Genau solche Betroffenen bitten ihren Hausarzt dann um eine Verordnung, die im Endeffekt nicht ausgestellt werde. „Das treibt die Menschen zu den Online-Ärzten. Diese Verordnungen haben enorm zugenommen, das müsste nicht sein.“ Denn für ihn ist klar: „Die Patienten, die eine Indikation für medizinisches Cannabis hätten, finden einen Weg, um online eine Verschreibung zu erhalten.“

Dabei sei es gerade jetzt wichtig, dass sich Ärzt:innen im Interesse der Patientinnen und Patienten breiter aufstellen: „Wir brauchen keine dubiosen Online-Ärzte, das können wir auch anders lösen“, ist sich der Inhaber sicher. Aber wenn jetzt nicht reagiert werde, habe man ein Problem: „Der Patient hat keine Wahl, wenn sein Haus- oder Facharzt keine Verordnung ausstellt, er wechselt unweigerlich zu digitalen Verordnern.“

Die Patientenbindung werde damit stark geschädigt: „Ich bin der Überzeugung, dass die Verordnung in die Hände der Haus- beziehungsweise Fachärzte gehört und wünsche mir deutlich mehr Bereitschaft, medizinisches Cannabis bei den entsprechenden Indikationen auch zu verordnen“, appelliert der Inhaber.

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