Interview mit Michael Becker

Cannabis-Prüftipps vom Pharmazierat

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Berlin -

Cannabis stellt für viele Apotheken noch immer ein Buch mit sieben Siegeln dar. Vor allem wenn es um die Identitätsprüfung geht, herrscht viel Unsicherheit – denn in jedem Bundesland gibt es andere Vorschriften, die teilweise sehr aufwendig sind. Apotheker Michael Becker ist Pharmazierat und Cannabis-Experte: Im Interview geht er auf die neuen Prüfmethoden für Cannabisextrakte ein und gibt den Kollegen Tipps und einen Leitfaden für die korrekte Durchführung an die Hand.

ADHOC: Für die Identitätsprüfung von Cannabis gilt seit dem 1. Juni offiziell das Deutsche Arzneibuch (DAB). Darin enthalten ist erstmals auch eine Monographie für eingestellten Cannabisextrakt – was hat sich hinsichtlich der bisherigen Prüfung verändert?
Becker: Für Cannabisblüten gibt es bereits seit 2017 eine Monographie im DAB. Die Monographie für Extrakte hingegen ist gänzlich neu. Bislang sollten sich Apotheken für eine entsprechende Identitätsprüfung von Extrakten an der DAC-Monographie „eingestelltes, raffiniertes Cannabisölharz“ orientieren. Diese beschreibt allerdings nur einen 5-prozentigen dronabinolhaltigen Extrakt. Man hat also im Grunde genommen nicht den vollen Umfang geprüft, da in den Extrakten ja auch Cannabidiol enthalten ist. Eine wirklich saubere Lösung war das bisher also nicht. Mit der DAB-Monographie wurde daher nun erstmalig eine korrekte und vollumfängliche Grundlage für die vielzähligen unterschiedlichen cannabinoidhaltigen Extrakte definiert. Damit gibt es nun eine rechtlich korrekte und saubere Prüfmöglichkeit. Nach einer Übergangsphase wird die DAC-Monographie mit der Ergänzungslieferung 2020/2 daher auch entfallen.

ADHOC: Wird es durch die neue Monographie für die Apotheken nun leichter bei der Identitätsprüfung von Cannabisextrakten?
Becker: Leider nein – wie schon beschrieben wurden in der neuen Monographie nur die Kriterien für die Extrakte festgelegt. Es wird – wie wir es von den anderen DAB-Monographien auch schon kennen – weiter auf konventionelle Identifizierungsverfahren zurückgegriffen. Wie schon bei den Cannabisblüten ist auch bei den Cannabisextrakten die Dünnschichtchromatographie (DC) als Prüfmethode vorgesehen.

ADHOC: Können Sie kurz erläutern, wie diese DC durchgeführt wird?
Becker: Die Dünnschichtchromatographie bei der Identitätsprüfung der Extrakte erfolgt analog der bei den Blüten: Sowohl Fließmittel wie auch Anforderungen an die DC-Platte sind gleich, lediglich die Referenzlösung aus Cannabidiol, Tetrahydrocannabinol und Methanol unterscheidet sich hinsichtlich der Konzentration.

ADHOC: Wie bewerten Sie die neuen Prüfmethoden nach dem DAB? Werden Sie zukünftig selbst danach prüfen?
Becker: Eher nicht. Die Referenzsubstanzen sind zum einen nicht gerade günstig, zum anderen müssen sie im Gefrierfach gelagert werden und sind auch dann nur vier Wochen haltbar. Abgesehen vom zeitnahen Verfall der Substanzen: Die wenigsten Apotheken haben diese Lagerungsmöglichkeit. Hinzu kommt, dass auch die Bindung des Personals bei der Prüfung sehr zeitintensiv ist. Somit ist die Prüfung schon rein aus wirtschaftlicher Sicht kaum vertretbar. Dessen ist man sich auch bewusst: Auf der Website des DAC/NRF findet man einen Aufruf an Hersteller von Extrakten, sich in einer Kooperation an der Entwicklung von apothekentauglicheren, kostengünstigen Verfahren zu beteiligen.

ADHOC: Wie sollte man Cannabisextrakte ihrer Sicht nach nun am besten und praktikabelsten prüfen?
Becker: Aufgrund des föderalistischen Systems kann ich hierzu leider keine allgemeingültige Aussage treffen, denn in jedem Bundesland gibt es unterschiedliche Regelungen. Zunächst einmal muss geprüft werden, welchen Status der Extrakt im jeweiligen Bundesland hat – handelt es sich um ein Fertigarzneimittel oder eine Rezeptursubstanz? Ist letzteres der Fall, sucht man sich am besten die für die Apotheke praktikabelste Lösung heraus und bespricht diese zunächst mit dem zuständigen Pharmazierat. Einige Pharmazieräte fordern noch immer die Durchführung einer DC. Im DAC findet sich eine alternative Methode, die eigentlich zur Identifikation der Blüten dient: Dabei werden die teuren Referenzsubstanzen durch die kostengünstigeren Laufweitenmarker Bornylacetat und Menthol ersetzt. Diese ist meines Erachtens nach auch auf die Prüfung der Extrakte übertragbar.

ADHOC: Welche Prüfmethoden stehen denn neben der Durchführung einer DC noch zur Option?
Becker: Für die Prüfung auf THC stehen bereits validierte Teststreifen zur Verfügung. Dann bleibt nur noch das Problem des Nachweises von Cannabidiol. Hierzu gibt es eine nasschemische Prüfung – den sogenannten „Strahl-CBD Test“ oder auch „Beam Test“. Leider ist dieser meines Wissens nach in keinem Arzneibuch verzeichnet, obwohl er sehr zuverlässig und vor allem kostengünstig und einfach durchzuführen ist. Er basiert auf einer spezifischen Reaktion des Hanfes: Ein Tropfen Extrakt wird mit einem Tropfen 5-prozentiger ethanolischer Kaliumhydroxid-Lösung versetzt. Dabei kommt es zu einer Chinonbildung, die mit einer Violettfärbung einhergeht. Am besten wird diese Prüfung auf einer herkömmlichen Tüpfelplatte oder in einem kleinen Reaktionsgefäß durchgeführt. Nach etwa fünf Minuten zeigen Proben mit CBD eine violette oder rosa Färbung. Der Test ist spezifisch für CBD und reagiert nicht auf THC.

ADHOC: Wie beurteilen Sie die Verwendung von herkömmlichen Urinteststreifen zur Identitätsprüfung von Cannabisextrakten im Vergleich zu validierten Tests?
Becker: Natürlich ist es prinzipiell denkbar, nichtvalidierte Tests zum Nachweis von THC zu benutzen – allerdings müsste man dann aber selbst eine Validierung in der Apotheke vornehmen. Dies müsste chargenspezifisch erfolgen. Die Mühe lohnt meines Erachtens nach jedoch den dahintersteckenden Aufwand in keiner Weise.

ADHOC: Was würden Sie sich in Bezug auf die Prüfungsmethoden wünschen?
Becker: Zum einen sollte es für alle Bundesländer einheitliche Regelungen in Bezug auf die Prüfvorschriften geben. Denn die Komplexität der verschiedenen Variablen macht die Cannabis-Versorgung der Patienten für viele Apotheken uninteressant. Vor allem wünsche ich mir aber, dass wir zeitnah einen Teststreifen oder ein Kit bekommen, dass uns den prüfungstechnischen Aufwand auf ein Mindestmaß reduziert. Besonders für kleinere Apotheken würde dadurch das Thema Cannabis ein Stückweit interessanter werden. Dabei sind solche Teststreifen gar nicht mehr weit aus der Praxis entfernt: Ich habe bereits Einblicke in die Validierungsunterlagen der Testkits von Tilray erhalten und bin absolut überzeugt, dass diese sehr praktikabel sein werden.

 

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