Cannabis-Legalisierung: „Wer macht das große Geld?“ Patrick Hollstein, 27.12.2022 11:47 Uhr
Bisher beim Dealer an der Ecke – bald schon beim börsennotierten Großkonzern? Cannabis zu Genusszwecken soll nach den Plänen der Bundesregierung legal werden. Ein Milliardenmarkt tut sich auf. Und clevere Geschäftemacher bringen sich in Stellung. Wer verdient am „Green Rush“, dem Hype um Cannabis? Und was passiert, wenn „Gras“ zur Handelsware wird? Eine ARD-Reportage porträtiert eine Branche in freudiger Erwartung – ab 28. Dezember in der ARD Mediathek und am Dienstag, 17. Januar um 0.15 Uhr im SWR Fernsehen.
In Deutschland laufen die Vorbereitungen für die Cannabis-Legalisierung. 2024 könnte der erste legale Joint über die Ladentheke gehen. Liebhaber:innen aus aller Welt hoffen, dass Deutschland eine globale Legalisierungswelle in Gang setzt. Start-Ups, Pharmakonzerne, aber auch Rapper und Brauereien sind aktiv, sie alle wollen sich ein Stück vom Kuchen sichern.
Von den 18- bis 25-Jährigen in Deutschland hat jeder und jede Zweite schon mal Cannabis konsumiert. Nach Nikotin und Alkohol soll nun also eine dritte Volksdroge legal werden. Für manche klingt das nach einem sehr verlockenden Geschäft. Wird es ein Markt wie viele andere, dominiert von internationalen Konzernen und dem ständigen Streben nach Wachstum? Oder bleibt Cannabis eine Droge der Straße?
Firmen bereiten sich vor
In Sachsen produziert die Firma Demecan medizinisches Cannabis und bereitet sich auf die komplette Legalisierung vor. Aus einer Tonne Gras pro Jahr sollen bald mindestens zehn werden. Die Geschäftsführer nehmen das Filmteam mit durch die Hygiene-Schleuse, hinein in die hochgesicherten Produktionsanlagen voller THC-haltiger Hanf-Pflanzen.
Auch in Berlin und mit einer Produktionsanlage im Rhein-Main-Gebiet macht sich ein Konzern für die Legalisierung bereit: die Sanity Group, die gerade erst wieder 37 Millionen Euro an Investoren-Geldern eingesammelt hat. Angeführt vom CDU-Mann Finn Hänsel entsteht Europas größter Cannabis-Konzern, der mit Will.i.am, Mario Götze, Klaas Heufer-Umlauf und vielen weiteren Prominenten eine bunte Schar an Investoren aufgebaut hat. Werden die großen Player den Cannabis-Markt unter sich aufteilen?
Gras als Szene-Produkt?
Der Rapper Marvin Game und sein Geschäftspartner Jakob Malkmus haben etwas dagegen. Sie haben mit Street Credibility statt viel Kapital die Marke happy420 aufgebaut, betreiben einen Laden für CBD-Produkte in Mainz und wollen über ihren Online-Shop bald auch THC-haltiges Cannabis vertreiben. Aber ist es nicht problematisch, mit Rap-Musik und Influencern schon Jugendliche für Cannabis zu begeistern? Und steckt hinter der Vermarktung von Gras als Szene-Produkt nicht genauso viel Geschäftsinteresse wie bei börsennotierten Konzernen?
Das sieht zumindest Moritz so, der eigentlich anders heißt, und für den Film die Türen seiner illegalen Cannabis-Plantage öffnet. Er hofft, bald legal seine Blüten kultivieren zu können, doch er macht sich beim entstehenden Gras-Markt keine Illusionen: Es wird ein Markt wie jeder andere, getrieben von Qualität, Preis und der Aussicht auf Gewinne. Und auch er würde wohl Discounter-Gras kaufen, statt Zeit und Mühe in seine Pflanzen daheim zu investieren.
Weltweit wachsende Industrie
Die Stimmung im Canna-Business jedenfalls könnte kaum besser sein. Schon jetzt fließen Millionen ins Geschäft mit dem Gras. Und Deutschland ist nur ein kleiner Teil der weltweit wachsenden Industrie. Die ARD-Reporter dürfen dabei sein, als sich in einem Luxus-Ressort in Kroatien das internationale Canna-Business zu einer Konferenz trifft. Überraschend offen werden Joints gedreht und der neue Reichtum der Szene präsentiert. Wie viel hat diese Welt aus Wall-Street-Bankerinnen und Neureichen noch mit dem Kiffer von nebenan zu tun? Ist Cannabis eben doch nur ein Produkt wie jedes andere, Konsum der vielen für Gewinne von wenigen?
Konzerne gegen Schwarzmarkt?
Der Ökonom Professor Dr. Justus Haucap beobachtet, welche Blüten der neue Markt treibt. Mit ihm diskutieren die Reporter Nico Schmolke und Anton Stanislawski, ob die Cannabis-Legalisierung den Schwarzmarkt austrocknen wird oder ob es neben den legalen Konzernen weiterhin Platz für Dealer und die organisierte Kriminalität geben wird.