Der langjährige Jugendrichter Andreas Müller sieht das geplante Gesetz zur Cannabis-Freigabe als ersten Schritt in die richtige Richtung, um Konsumenten zu entkriminalisieren. Gleichzeitig fordert er aber Nachbesserungen. „Mir fehlt ein Gesamtkonzept, nämlich, wie ursprünglich vorgesehen, die kontrollierte Abgabe von Cannabis in entsprechenden Geschäften.“ Das neue Gesetz sei Stückwerk und nicht völlig durchdacht, sagte Müller der Deutschen Presse-Agentur. Der Jurist gilt als einer der stärksten Stimmen für die Legalisierung von Cannabis im Land und setzt sich seit Jahrzehnten dafür ein.
Eigenanbau und Besitz bestimmter Mengen der Droge sollen für Volljährige ab 1. April 2024 erlaubt sein. Zum 1. Juli sollen Clubs zum gemeinsamen Anbau möglich werden. Das Gesetz soll in der Woche ab dem 19. Februar im Bundestag verabschiedet werden. Jeglicher Umgang mit Cannabis war Anfang der 70er Jahre gesetzlich untersagt worden - durch das Betäubungsmittelgesetz.
Müller, der aktuell Strafrichter am Amtsgericht Bernau ist, hat nach eigenen Angaben auch am Cannabis-Kontrollgesetz der Grünen mitgearbeitet. Wenn das neue Gesetz der Ampel-Koalition nun kommt, wird seiner Ansicht nach auch der Schwarzmarkt eingeschränkt. Denn wenn Menschen künftig selber anbauen könnten, bräuchten sie nicht auf Dritte zurückgreifen, zeigt er sich überzeugt. Auch die geplante Erlaubnis für Clubs werde sich positiv auswirken.
Für den 62-jährigen Juristen geht es bei der Legalisierung vor allem um Freiheits- und Gleichheitsrechte für Erwachsene. „Wir entkriminalisieren, weil wir die Bürgerrechte wieder zurückholen wollen.“ Für Jugendliche ändere sich mit dem neuen Gesetz nicht viel. Es werde mehr Prävention und ein besseres Verständnis für jugendliche Probleme in Bezug auf Cannabis-Konsum geben, glaubt er. „Mit der neuen Regelung kann man ehrlicher umgehen mit den jungen Leuten.“ Jugendliche wüssten heutzutage mehr über Cannabis als so mancher Politiker, der „mit einem Bierkrug in der Hand stehe“, so seine langjährige Erfahrung.
Mit dem neuen Gesetz sieht der Richter auch Entlastung für die Gerichte – wenn auch nicht gleich. Etwa sechs Prozent aller Fälle sind ihm zufolge Drogendelikte. Viele Verfahren könnten aufgrund des neuen Strafrechts eingestellt werden, die Polizei müsse nicht mehr laufend zu kleineren Delikten ermitteln, danach Akten anlegen und an die Staatsanwaltschaft schicken – Bürokratie würde wegfallen. „Das ist für das Strafverfolgungsgewerbe ein enormer Vorteil“, so der Richter. Ein Beispiel ist für ihn auch das Fahrerlaubnis-System, das angepasst werden müsse. Bürger, die Cannabis konsumiert hätten, ohne tatsächlich noch davon beeinflusst zu sein, verlören immer noch ihren Führerschein, wenn ihnen der Konsum nachgewiesen werde.
Von Politikern verschiedener Parteien kamen wiederholt Appelle, das Vorhaben zu stoppen. Auch Bundesärztekammer, Deutscher Richterbund, Gewerkschaft der Polizei und Mediziner warnten.
Mit Blick auf die kritischen Stimmen vor allem aus der Politik fordert Müller einen ehrlichen Umgang mit dem Thema. „Was ich momentan sehe, ist permanente Angstmacherei mit veralteten Argumenten, ohne ein wissenschaftliches Verständnis für das Betäubungsmittel Cannabis.“ Die Politik sollte sich darum kümmern, dass die Jugendlichen nicht kriminalisiert, sondern geschützt werden. „Es geht nicht um Verbot, sondern um Prävention. Und da müssen Eltern aufpassen und nicht der Jugendrichter“, machte er klar. Sein Fazit: „Ja, es wird problematischen Konsum geben, aber bei einer guten Prävention werden weniger junge Leute kiffen und weniger Probleme haben. Jugendliche, die tatsächlich in eine Abhängigkeit geraten, werden medizinisch und psychosozial besser bereut werden können.“
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