„Werbung“ für Medizinalcannabis

Cannabis-Kampagne: Apothekerin und Apotheker klären auf

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Berlin -

Besonders in Großstädten kann man sie zum Teil in Massen sehen: auffällig grell-grüne Plakate, die zum Teil mit prominenten Gesichtern auf die Vorteile von Medizinalcannabis hinweisen. Auch im Fernsehen laufen die Spots des Vereins „Initiative Endlich“. Nach der gerade erst vollzogenen Liberalisierung von Cannabis zum privaten Gebrauch und der Eröffnung der Anbauvereine zum Juli schmeckt dieses Thema nicht jedem. Dabei machen sich auch eine bekannte Pharmazeutin und ein Jung-Apotheker für die Kampagne und die damit verbundene Aufklärungsarbeit stark.

In der Kritik steht die Kampagne der „Initiative Endlich“ unter anderem in einem Beitrag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) – „Im Rausch der Cannabis-Rezepte“ ist hier der Titel. Die Werbeaktion mit Schauspielern wie Wotan Wilke Möhring und Tim Oliver Schultz, Musikerin Vanessa Mai oder Ex-Fußballprofi René Adler verherrliche Cannabis geradezu, stelle es als Wundermittel dar, so der Artikel. Es geht auch um den Hintergrund: Seit der Teil-Legalisierung sei nicht nur der Konsum legal geworden, sondern auch die Verschreibung von medizinischem Cannabis vereinfacht worden. Seitdem boome der Markt. Besonders die Verschreibungen via Online-Plattformen, die ihren Service selbst mit einem Pizza-Lieferdienst vergleichen, seien kritisch zu sehen.

Kritisch sieht die FAZ auch die offensive Werbekampagne für das rezeptpflichtige Arzneimittel Medizinalcannabis und die Vereinbarkeit mit dem Werbeverbot laut Heilmittelwerbegesetz (HWG): „Wie ist dies mit marktschreierischen Websites und der Kampagne ‚Initiative Endlich‘ kompatibel, die offiziell von einem Verein betrieben wird, hinter der aber zwei mit Cannabis handelnde Pharmafirmen stecken?“, fragt daher die Zeitung.

Das zuständige Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) sehe keine Verstöße gegen das HWG, so die FAZ, da der Produktbezug und eine Absatzförderungsabsicht fehle, und es eher um eine Informations- denn um eine Werbekampagne ginge. Auch der im Pharmabereich bekannte Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas von der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen kommt zu Wort. „Wenn man sich ansieht, was das Lageso sonst beanstandet, müsste es sofort aktiv werden“, wird der Jurist zitiert. Die vermeintliche Aufklärung öffne dem illegalen Bezug das Tor, so sein Urteil. Andere Firmen dürften sich so etwas nicht erlauben. Ein weiterer Rechtsanwalt vermutet sogar eine „illegal getarnte Werbung“, ein Suchtmediziner warnt vor den Konsumfolgen.

Apotheker Johannes Hoffmann unterstützt die Aufklärungskampagne.Foto: Hoffmann

Einseitige Warnung vor Kampagne und Online-Angeboten

Was der Artikel zeigt, ist genau das, wogegen die Kampagne mobil machen will: Einseitige Berichterstattung und Verteufelung des Cannabiseinsatzes in der Medizin für die breitere Masse. Dabei sei die Aufklärung hier das Wichtigste, betont auch Jung-Apotheker Johannes Hoffmann. Er arbeitet im niedersächsischen Melle in der Schreiberschen Apotheke seines Vaters und versorgt hier viele Patient:innen mit Medizinalcannabis. Er ist Teil der Kampagne der „Initiative Endlich“ und stand hierfür auch vor der Kamera.

Hoffmann wurde angesprochen, ob er nicht mitmachen wolle, „um Aufklärungsarbeit zu machen“. Er hält auch Vorträge für Ärzt:innen und weiß daher, wie wichtig diese Arbeit für alle ist – Patient:innen, Ärzt:innen, die breite Öffentlichkeit. „Es ist ganz wichtig, dass die Leute aufgeklärt werden, was mit Cannabis therapiert werden kann.“ Auch Ärzt:innen wüssten hier bei als „austherapiert“ geltenden Patient:innen oft nicht weiter. Dabei kenne Hoffmann Patient:innen, denen Medizinalcannabis endlich geholfen hat, die ihr Arzneimittel aber verstecken, um zum Beispiel nicht unseriös zu wirken. Zusammen mit seinem Vater versorgt er schmerzleidende Palliativpatient:innen, Kund:innen fahren auch 200 oder 300 Kilometer nach Melle, um versorgt zu werden.

Auch diese Seite zeigt der Artikel nicht, der sich auf vermeintlich unseriöse Online-Verschreibungen eingeschossen hat: die Seite der Cannabis versorgenden Apotheken. Die in manchen Fällen letzte Therapieform gibt es schließlich auch von patientennahen Vollversorgern. Passenderweise ist daher auch die Apothekerin und Geschäftsführerin beim Verband der Cannabis versorgenden Apotheken (VCA), Dr. Christiane Neubaur, in der „Endlich“-Kampagne vertreten.

VCA-Chefin Christiane Neubaur hofft auf einen positiven Effekt der Diskussion über die Kampagne.Foto: VCA

Cannabis-Apothekerin hofft auf Aufklärung

„Ich wurde gefragt, ob ich bereit wäre, an dieser Kampagne teilzunehmen mit der Begründung, dass die Kampagne ausgelegt sein sollte, Medizinalcannabis in die Mitte der Gesellschaft zu rücken“, so Neubaur. „Medial ging es seit April nur noch um das Genussmittel Cannabis.“ Dem wollte sie die medizinischen Aspekte entgegensetzen. „Es geht mir schon seit vielen Jahren darum, die Versorgung von Patient:innen zu verbessern. Hierzu gehört natürlich auch, dass die Therapiehoheit der Ärzte geachtet wird und Krankenkassen bereit sind, notwendige Therapien zu erstatten. Ich hoffe sehr, dass der G-BA-Beschluss hierzu seinen Beitrag leisten wird.“

Auch ihr sind Fälle bekannt, wie auch Hoffmann sie beschreibt: „Cannabis-Patient:innen werden stigmatisiert und verheimlichen oft ihre Therapie mit Cannabis. Dies gibt es so bei keiner anderen Therapieform“, berichtet Neubaur. „Cannabis als Medizin sollte in der Mitte der Gesellschaft ankommen und nicht nur als reine Rauschdroge wahrgenommen werden. Schwerkranke Patient:innen sind keine Kiffer auf Rezept. Sie sind meist austherapiert und durch Medizinalcannabis erfahren sie wieder einen Lebenswert.“ Dass aktuell an weiteren Therapiemöglichkeiten unterschiedlichsten Applikationsformen gearbeitet werde, helfe hier hoffentlich zusätzlich. Auch Ärzt:innen dürften nicht mehr eine solche Regressangst haben müssen.

Ob die aktuelle groß angelegte Kampagne der richtige Schritt ist? Das hoffen sowohl Hoffmann als auch Neubaur. Natürlich fördern so große Plakate immer eine Debatte, meint Hoffmann. Aber er weiß auch: „Wenn man ein Thema ansprechen will, dann braucht es auch eine bestimmte Größe.“ Auch Neubaur sieht die Kritik auch als positiv für den Diskurs: „Die Kampagne löst eine Diskussion aus und ich denke, dass sollte auch damit bezweckt werden. Eine kontroverse Diskussion führt dazu, dass man sich mit dem Thema Medizinalcannabis auseinandersetzt.“

Dass aktuell vor allem die Online-Angebote mit ihren niedrigschwelligen, aber dubiosen Services gesehen werden, sei natürlich nicht das Ziel, so Neubaur: „Die Telemedizin schließt im Moment hier eine Lücke, die leider besteht und dazu führt, dass Patienten lange nach einem verschreibenden Arzt suchen müssen. Ziel sollte es sein, dass Vertragsärzte ein Kassenrezept den Patienten, die eine Aussicht auf Besserung haben, verschreiben und die Kosten von der Krankenkasse übernommen werden.“

Wer steckt dahinter?

Wer hinter der Kampagne steckt, ist auf den ersten Blick jedoch schwer ersichtlich. Im Impressum taucht ein Philipp Preuss als Vorstand des Vereins Initiative Endlich auf, mehr Informationen gibt es nicht. Berichten zufolge komme die Initiative von Matthias von Bechtolsheim von der Agentur Heimat. Auch das Cannabis-Unternehmen Sanity Group engagiere sich hier, genauso wie Four20 Pharma aus Paderborn. Letztere werben zumindest auf ihrer eigenen Webseite mit ihrer Beteiligung an der Aktion. Neubaur sei die Webseite der Kampagne vorab nicht bekannt gewesen.

Das BMG hatte ebenfalls eine Kampagne zur Legalisierung gemacht, deren Schwerpunkt jedoch woanders lag.Grafik: BMG

Offizielle Kampagne des BMG

Eine Cannabis-Kampagne gab es zur Legalisierung auch vom Bundesgesundheitsministerium (BMG). Diese widmete sich jedoch den Folgen des unkontrollierten Konsums. Rund 3,3 Millionen Euro hat die Informationskampagne „Cannabis: Legal, aber...“ bisher gekostet. Das bestätigte der parlamentarische Staatssekretär Dr. Edgar Franke kürzlich auf Nachfrage der CDU/CSU-Fraktion. Rund 1,3 Millionen Euro davon entfielen vom Start der Kampagne im August 2023 bis Ende 2023 auf Kosten für Agenturen, Veranstaltungen und Medienmaßnahmen. Für das laufende Jahr gebe es noch keine Aufschlüsselung.

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