Mythos: Leaky-gut-Syndrom APOTHEKE ADHOC, 21.05.2019 14:58 Uhr
In der Alternativmedizin werden viele chronische Erkrankungen auf das „Leaky-gut-Syndrom“ zurückgeführt. Bei der Barrierestörung soll es zu einer durchlässigeren Darmwand kommen, durch die Bakterien und Toxine in den Blutkreislauf gelangen. Wissenschaftliche Beweise für die Symptomatik gibt es nicht.
Beim „durchlässigen Darm“ soll die Barrierefunktion der Schleimhaut im Dünndarm gestört sein. Hintergrund für die Theorie ist, dass bei bestimmten entzündlichen Darmerkrankungen oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten die Durchlässigkeit der Darmwand erhöht sein kann. Allerdings ist unklar, ob das eine Ursache oder die Folge der jeweiligen Erkrankung ist. Demnach sollen Viren und Bakterien, aber auch Medikamente wie Antibiotika oder der Konsum von Alkohol das „Leaky-gut-Syndrom“ auslösen oder zumindest begünstigen können.
Nahrungsmittelunverträglichkeiten sollen ebenfalls dazu führen. Ebenso sollen Stress und der Einfluss des „Bauchhirns“ eine wichtige Rolle spielen. Die Symptome sind vielfältig und oftmals diffus: Durchfälle, Bauchschmerzen, Blähungen und Krämpfe, aber auch chronische Hauterkrankungen, Migräne, chronische Muskel- und Gelenkschmerzen, Akne und vieles mehr sollen in Folge des „leaky gut“ auftreten. Ein sehr häufiger Grund für die erhöhte Durchlässigkeit sind bakterielle Fehlbesiedlungen des Dünndarms. Dabei ist die Anzahl von fäulnis- und gärungsbildenden Bakterien oft erhöht. Durch das Ungleichgewicht in der Darmflora kommt es schließlich dazu, dass die Durchlässigkeit der sogenannten „tight junctions“ im Darm erhöht wird.
Die „tight junctions“ sind Strukturen zwischen den Mukosazellen der Darmschleimhaut. Sie bilden damit einen Teil der Darmbarriere. Sie sorgen dafür, dass ein geschlossener Mukosafilm gebildet wird. Sind die „tight junctions“ durchlässig, sollen Nahrungsbestandteile und Elektrolyte, aber auch Toxine in den Blutkreislauf gelangen können. Dort sollen sie Entzündungen hervorrufen, die mit unterschiedlichsten Krankheitsbildern einhergehen.
Wissenschaftliche Beweise für den „leaky-gut“ fehlen bisher. Unklar ist immer noch, wie genau sich eine erhöhte Durchlässigkeit im Darm nachweisen lässt. Aufschluss soll beispielsweise ein Zonulin-Test geben: Zonulin ist ein Eiweißmolekül, das an der Regulation „tight junctions“ beteiligt ist. Ein Stuhl- oder Bluttest gibt die Zonulin-Konzentration im Darm beziehungsweise im Blut an. Bei verschiedenen chronischen Erkrankungen konnte festgestellt werden, dass die Werte erhöht sind.
Ein weiterer Test der Hinweise auf das Syndrom geben soll ist der Lactulose-Mannitol-Test: Der Patient trinkt eine Lösung; nach einer bestimmten Zeit wird der Urin des Patienten auf Lactulose und Mannitol untersucht. Die beiden Zucker werden im Dünndarm nicht verstoffwechselt. Mannitol wird von den Darmschleimhautzellen resorbiert und mit dem Urin ausgeschieden. Lactulose wird aufgrund seiner Größe nur wenig resorbiert und ist deshalb normalerweise nur in geringen Mengen im Urin nachweisbar. Wurden die Stoffe vermehrt mit dem Urin ausgeschieden, besteht der Verdacht auf eine Störung der Darmbarriere.
Der Aufbau der Darmflora mit verschiedenen Bakterienstämmen soll das Gleichgewicht wiederherstellen und helfen, die Symptome des durchlässigen Darms zu lindern. Auch verschiedene Mikronährstoffe, deren Konzentration zu niedrig ist, werden häufig eingesetzt. Als Hausmittel gelten Leinsamen oder Eibischwurzel. Die enthaltenen Schleimstoffe sollen die undichte Barriere beruhigen und Symptome abschwächen.