Steigert Helicobacter das Demenz-Risiko? Sandra Piontek, 28.05.2024 09:33 Uhr
Die Infektion mit Helicobacter pylori ist mittlerweile eine regelrechte Volkskrankheit: Etwa die Hälfte der Weltbevölkerung ist infiziert, in Deutschland sind etwa 35 Prozent betroffen. Die Infektion fördert die Entwicklung einer chronischen Gastritis und erhöht das Risiko für Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre. Mehr noch: Forschenden fanden heraus, dass der Magenkeim auch das Risiko an Alzheimer zu erkranken signifikant erhöht.
Die Übertragung des Bakteriums Helicobacter pylori (Hp) findet von Mensch zu Mensch statt: Meist findet die Infektion schon im Kindesalter statt. Da der Erreger bereits aus Speichel und Stuhl gewonnen werden konnte, geht man von einer fäkal-oralen oder oral-oralen Übertragung aus. Dabei kommt es nicht immer zu Symptomen wie: Völlegefühl, Übelkeit, Schmerzen im Oberbauch oder Sodbrennen. Einige Betroffene bleiben asymptomatisch. Fakt ist jedoch: Durch das Bakterium steigt das Risiko, ein Magen- oder Zwölffingerdarmgeschwür zu entwickeln. Wie Forscher:innen nun herausfanden, kann der Magenkeim für eine weitere Spätfolge verantwortlich sein: Demenz.
Die Befürchtung von Expert:innen: In den nächsten 40 Jahren wird sich die Häufigkeit von Demenz voraussichtlich verdreifachen. Bisher ist eine Heilung jedoch nicht möglich. Daher legen Forschende die Hoffnung in die Detektion von Risikofaktoren: Schaltet man diese frühzeitig ab, könnte eine Demenzerkrankung möglicherweise verhindert werden.
Vor diesem Hintergrund analysierte eine Studie der Charité, Universitätsmedizin Berlin und McGill University in Kanada Patientendaten aus drei Jahrzehnten. Die Ergebnisse lassen vermuten, dass eine Infektion mit dem Magenkeim Helicobacter pylori das Risiko, an Alzheimer-Demenz zu erkranken, erhöhen könnte. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse in dem Fachmagazin „Alzheimer`s & Dementia“.
Verfall der Nervenzellen
„Wir wissen, dass das Bakterium über verschiedene Wege das Gehirn erreichen kann und dort unter Umständen zu Entzündungen, Schädigungen und dem Verfall von Nervenzellen führt“, so Antonios Douros, Pharmakoepidemiologe an der Charité und Erstautor der Studie. „Außerdem kann ein durch den Keim geschädigter Magen Vitamin B12 und Eisen nicht mehr gut aufnehmen, was ebenfalls das Demenz-Risiko erhöht.“
In der Erhebung wurden Daten von über vier Millionen Menschen analysiert sowie der zeitliche Abstand zwischen einer Hp-Infektion und einer möglichen Erhöhung des Alzheimer-Risikos untersucht. „Unsere Studie zeigt, dass symptomatische Infektionen mit Helicobacter pylori nach dem 50. Lebensjahr mit einem um 11 Prozent erhöhten Risiko für Alzheimer-Demenz einhergehen können. Die Risikoerhöhung erreicht ihren Maximalwert von 24 Prozent etwa ein Jahrzehnt nach der Hp-Infektion“, so Douros.
Nicht jeder Infizierte betroffen
Das bedeute aber nicht, dass „jeder Mensch nach einer symptomatischen Hp-Infektion zwangsläufig an Alzheimer erkranken werde“. Denn: „Bei den Berechnungen handelt es sich um eine Erhöhung des relativen Risikos im Vergleich zu Personen, die keine symptomatische Hp-Infektion nach dem 50. Lebensjahr hatten“, so der Forscher.
„Für uns bekräftigt dieses Ergebnis die Annahme, dass eine Hp-Infektion ein beeinflussbarer Risikofaktor für Alzheimer-Demenz sein könnte“, so Douros. „Ob und in welchem Maß die konsequente, flächendeckende Bekämpfung dieses Magenkeims durch sogenannte Eradikationsprogramme die Entwicklung von Alzheimer tatsächlich beeinflusst, muss allerdings erst in groß angelegten randomisierten Studien getestet werden.“