Hinter wiederkehrenden Darmbeschwerden steckt oft eine geschädigte Darmbarriere. Häufige Bauchschmerzen, Blähungen und Stuhlabgänge können auf ein Reizdarmsyndrom hinweisen. Therapieren lässt sich das Leiden vor allem durch eine Verhaltensänderung: Betroffen sollten schauen, welche Lebensmittel sie vertragen und welche nicht. Sie sollten Stress vermeiden und Bewegung gezielt in den Alltag integrieren. Doch auch medikamentös kann unterstützend therapiert werden: Zur Auswahl stehen verschiedene Phytopharmaka oder Probiotika.
Bauchschmerzen, Krämpfe, Blähungen und Unwohlsein sind nur einige Symptome, die mit einem Reizdarmsyndrom (RDS) in Verbindung stehen und die Lebensqualität beeinträchtigen. In der westlichen Welt sind bis zu 25 Prozent der Menschen betroffen, wobei Frauen häufiger erkranken. In den vergangenen Jahren sind immer mehr Präparate für die Selbstmedikation auf den Markt gekommen. Nicht alle Mittel werden seitens der Gastroenterologen empfohlen. Laut Mediziner ebenfalls wichtig: Eine Umstellung der Lebensweise. Stressvermeidung, ausreichend Schlaf und eine angepasste Ernährung können die Beschwerden ebenfalls lindern.
Die bisher gültige S3-Leitlinie zum Reizdarmsyndrom wird aktuell überarbeitet. Das Leitlinien-Manuskript wurde im April eingereicht, eine Revision der Empfehlungen ist noch ausstehend. Auf einen regelmäßigen Einsatz von Analgetika und chemisch definierte Spasmolytika sollte zugunsten anderer Therapien verzichtet werden. Für den Einsatz von Probiotika liegen zwar mehrere positive Metaanalysen vor, allerdings sind diese mit einer Vielzahl verschiedener Bakterienarten und -dosierungen durchgeführt worden, sodass die Bewertung erschwert wird. In fast allen Studien fehlt überdies eine Responderdefinition, wie sie für moderne Arzneimittelprüfungen verlangt wird.
Bisher werden vor allem Phytopharmaka empfohlen. Mittel wie Iberogast (Bayer) oder Buscomint (Sanofi) können vom Patienten regelmäßig eingenommen werden und lindern die Beschwerden rein pflanzlich. Iberogast enthält eine Mischung aus mehreren Heilpflanzen. Die klassischen Tropfen enthalten bittere Schleifenblume, Angelikawurzel, Kamillenblüten, Kümmelfrüchte, Mariendistelfrüchte, Melissenblätter, Pfefferminzblätter, Schöllkraut und Süßholzwurzel. Buscomint enthält verkapseltes Minzöl. Für Blähungen gilt: Insbesondere beim Auftreten von Blähungen unter Ballaststofftherapie sollten Macrogol-Präparate verwendet werden, da sie nicht bakteriell spaltbar sind. Die Effektivität von Macrogol ist bei der chronischen Obstipation durch eine neuere Metaanalyse gesichert, die auch den Wirksamkeitsnachweis bei Kindern und Jugendlichen einschließt.
Jüngste Studien belegen molekulare Veränderungen im Expressionsprofil oder der zellulären Lokalisation von Tight Junction Proteinen – das heißt die Funktion der Darmschleimhaut bei RDS-Patienten ist gestört. Betroffene haben sowohl eine gestörte intestinale Barriere als auch eine unausgewogene Mucosasekretion Als Hinweis auf die verringerte Barrierefunktion zeigte sich in Dickdarmbiopsien eine erhöhte Permeabilität. Darüber hinaus konnte neben strukturellen Veränderungen des Darmepithels auch eine mucosale Immunaktivierung werden. In der überarbeiteten Version der S3-Leitlinie soll die fokussierte Therapie der Schleimhaut einen höheren Stellenwert bekommen.
Das Reizdarmsyndrom kann mit organischen, zellulären, molekularen oder genetischen Veränderungen auf allen Ebenen und in allen Komponenten der Darm-Hirnachse assoziiert sein. Die pathophysiologisch relevanten Faktoren umfassen unter anderem folgende Punkte:
Mediziner unterscheiden im Wesentlichen drei Subgruppen, die etwa je ein Drittel der Patienten ausmachen – Diarrhoe-dominat, Obstipation-dominat und alternierend. Zudem werden die Betroffenen in drei Schweregrad-Scores unterteilt. Das RDS wird zudem häufig mit psychischen oder somatoformen Störungen assoziiert. Den Beschwerden liegen Störungen der intestinalen Barriere, der Motilität, der Sekretion und der viszeralen Sensibilität zugrunde. Oft ist auch das enterale Immungleichgewicht gestört. Mikroinflammationen der Darmmukosa können in einer lokalen Zunahme von Immunzellen wie Mastzellen oder T-Lymphozyten begründet sein.
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