Lungengesundheit: Von Radikalen und Telomeren Cynthia Möthrath, 09.12.2020 14:53 Uhr
Das Alter eines Menschen sieht man meist zuerst an der Haut. Doch die Organe im Inneren des Körpers altern ebenfalls – so auch die Lunge. Wie dieser „stille“ Alterungsprozess abläuft und was man tun kann, um die Lunge gesund und fit zu erhalten, weiß Pneumologe Dr. Kai-Michael Beeh. Er erklärt in seinem Buch „Die atemberaubende Welt der Lunge“, was hinter den Prozessen in der Lunge steckt und wie man sie positiv beeinflussen kann.
Altern ist völlig normal: Der Körper passt sich im Laufe der Zeit unseren Lebensjahren an, die biologische Leistungsfähigkeit der Organe wird im Laufe der Zeit in unterschiedlicher Weise beeinträchtigt. Insbesondere bei den innenliegenden Organen wird dieser Prozess allerdings häufig nicht wahrgenommen, da die Alterung nicht wie bei der Haut durch Falten oder schwindende Elastizität erkennbar ist.
Schrittweise Alterung durch kleine Schäden
Die Alterung der Lunge geht schrittweise und in aller Stille vonstatten. „Dienst nach Vorschrift, dann Teilzeit, am Ende Arbeitsverweigerung“, beschreibt Pneumologe Dr. Kai-Michael Beeh den Prozess in seinem Buch. Mittlerweile liegt die durchschnittliche Lebenserwartung bei rund 80 Jahren und man kann insbesondere für die Lunge einiges tun, um auch noch im hohen Alter gesund und fit zu sein.
Die Leistungsfähigkeit der Lunge verringert sich schleichend: „Das geschieht ähnlich wie bei einem Automotor. Mit steigender Laufleistung summieren sich kleine Schäden“, erklärt Beeh. Wann die Schäden bemerkbar werden, bestimmen verschiedene Umwelteinflüsse, Ernährung und die inneren Programme der Zellen. „Keiner dieser Faktoren steht isoliert, alle beeinflussen sich gegenseitig.“
Radikale und Telomere im Fokus
Auch wenn dieser Prozess nicht umprogrammiert oder gar aufgehalten werden kann, so können die Programme ausgebremst – aber leider auch beschleunigt – werden. „Wenn Sie mehr vom Leben haben möchten, müssen Sie sich mit zwei Dingen arrangieren: Den freien Radikalen und den Telomeren“, erläutert der Pneumologe. Erstere greifen die Zellen an, schädigen sowohl deren Struktur als auch die Erbsubstanz. Radikale finden sich beispielsweise in Luftschadstoffen und Strahlung. Sie können jedoch auch durch Entzündungen und Infektionen entstehen.
„Hier kommen die Telomere ins Spiel“, erklärt Beeh. Dabei handelt es sich um die Endstücke der Chromosomen, welche sich im Zellkern befinden. Bei jeder Zellteilung – beispielsweise bei Wachstums- oder Reparaturprozessen – werden die Telomere ein Stück kürzer. Ab einer bestimmten Kürze findet keine Teilung mehr statt. Rauchen beispielsweise lässt die Lunge dramatisch voraltern. „Die gute Botschaft: Das Voraltern ist nicht schicksalhaft, das können wir verhindern.“
Körperliche Veränderungen beeinflussen die Lunge
Der normale Alterungsprozess der Lunge bringt in der Regel keine ernsthaften Beschwerden mit sich. Auch in hohem Alter ist die Lunge durch ihre Funktionsreserven zu körperlicher Leistung fähig. Durch eine altersbedingte Verformung der Knochen im Brustbereich werden verschiedene Bereiche der Lunge allerdings nicht mehr gedehnt und nur unzureichend belüftet – die Reinigungsmechanismen der Lunge können ihre Funktion nicht mehr in vollem Umfang erfüllen. Es kann zu Verschleimungen, chronischer Bronchitis und Lungenentzündungen kommen.
Durch die Alterung des Zwerchfells wird auch der Hustenreflex, welcher wesentlich zur Reinigung der Lunge beiträgt, beeinflusst. „Wenn im Alter die Maximalkraft des Zwerchfells schwindet, reduziert sich der Kompressionsdruck vor dem Hustenstoß – der Stoß wird schwächer, im schlimmsten Fall sitzt der Dreck fest“, verdeutlicht Beeh. Dadurch kommt es mit zunehmendem Alter häufiger zu Lungeninfektionen.
Mukoziliäre Clearance nimmt ab
Schuld daran ist auch die nachlassende mukoziliäre Clearance (Selbstreinigungsmechanismus der Atemwege), welche vor allem durch eine nachlassende Schlagkraft der Flimmerhärchen und eine unzureichende Trinkmenge begründet ist: „Fremdpartikel oder Krankheitserreger werden auf dem Senioren-Highway mit ca. fünf Millimetern pro Minute Reisegeschwindigkeit bewegt, auf der Studentenautobahn dagegen mit mehr als zehn Millimetern pro Minute – Fiat gegen Ferrari.“, so Dr. Beeh.
L.I.E.B.E für die Lunge
Was kann also ein jeder von uns tun, um das Voraltern der Lunge zu vermeiden? Dr. Beeh rät: „Schenken Sie Ihrer Lunge L.I.E.B.E!“ Das „L“ steht für gesunde Luft ohne Zigarettenrauch. Ebenso wichtig ist das „I“: eine gute Immunabwehr, denn die Lunge ist einer konstanten Keimzufuhr ausgesetzt. Um eine ausreichende Anzahl an Mikronährstoffen zur Abwehr dieser Keime zu haben, braucht es „E“ wie gesunde Ernährung. Insbesondere im Homeoffice-Alltag kommt der vierte Baustein oft zu kurz: Das „B“ in Bewegung. Regelmäßiger moderater Sport oder einfach nur eine Runde um den Block sind essenziell für die Gesunderhaltung der Lunge. Und dann noch das „E“ für bewusste Entspannung der Lunge und regelmäßig ausgeführte Atemübungen.