Adhärenz und Compliance nicht gefährden

Lieferengpässe: Wie erkläre ich’s dem Kunden? Katharina Brand, 03.12.2024 14:15 Uhr

Apothekenteams werden nicht nur im HV, sondern auch am Telefon verstärkt zu Rückfragen bezüglich Lieferengpässen konsultiert. Foto: Krakenimages.com/stock.adobe.com
Berlin - 

Nach wie vor ist es für einige Kundinnen und Kunden eine Überraschung, wenn ihr gewünschtes Präparat nicht lieferfähig ist – und ihnen unter Umständen nicht einmal ein voraussichtlicher Liefertermin genannt werden kann. Das kann nicht nur zu Verzweiflung, sondern auch zu Zorn seitens der Kundschaft führen. Um die Adhärenz nicht zu gefährden, ist sprachliches Fingerspitzengefühl in der Apotheke gefragt.

Wenn ein Arzneimittel nicht lieferbar ist, erfahren Kundinnen und Kunden das im schlimmsten Fall direkt am HV, also dann, wenn sie das Präparat dringend benötigen. Manche fragen jedoch bereits vorab telefonisch in der nächstgelegenen Vor-Ort-Apotheke nach, ob das gewünschte Arzneimittel verfügbar ist. Somit liegt es am gesamten Apothekenteam, den Engpass verständlich zu erklären und gleichzeitig Adhärenz sowie Compliance zu fördern.

Aufklären und Verständnis schaffen

In beiden Fällen informiert und klärt die Apothekerin oder der Apotheker, PTA oder PKA die Kundschaft über die Situation auf. Soweit verständliche Hintergründe bekannt sind, teilt das Team diese mit, um Transparenz und Verständnis zu schaffen. Die meisten Apotheken kümmern sich aktiv um den Fall – sie benachrichtigen die betroffene Person, sobald das Präparat wieder verfügbar ist, schlagen eine andere Packungsgröße vor oder empfehlen ein Alternativpräparat mit identischem Wirkstoff.

Bei (Re-)Import-Präparaten können Umverpackung und Beschriftung des Arzneimittels abweichen, zum Beispiel durch fremdsprachige, nicht-lateinische Schriftzeichen. Die Abweichungen von der üblichen Umverpackung muss der Kundschaft erklärt werden, um Compliance und Adhärenz nicht zu gefährden. Das trägt besonders bei der langfristigen Einnahme von Dauermedikationen zu mehr Sicherheit bei.

Trotzdem gehen einige Betroffene weiterhin von Apotheke zu Apotheke, um das gewünschte Präparat doch noch irgendwie aufzutreiben. Selbst wenn diese Personen ihr nicht lieferbares Präparat doch noch auftreiben können, bleibt das Problem bei einem anhaltenden Engpass ungelöst. Apothekenteams sollten den Kundinnen und Kunden daher verdeutlichen, dass der Rückgriff auf ein Alternativpräparat oder eine Medikationsumstellung – insbesondere bei anhaltenden Engpässen mit unklarer Sachlage – nur aufgeschoben, nicht aber aufgehoben ist.

In unklaren Fällen fragen viele Teams den Hersteller direkt an. Sie berichten oft, dass Rohstoffmangel oder Umbauten von Produktionsstraßen die Hauptgründe für Lieferengpässe sind. Wenn Apotheken das benötigte Arzneimittel dennoch nicht beschaffen können, vermitteln sie dies der betroffenen Person möglichst einfühlsam. Danach müssen die Ärztinnen oder Ärzte eine Alternative für die Patientinnen und Patienten finden. Da viele Menschen, die ihr Präparat seit Jahrzehnten einnehmen, eine Umstellung nur schwer akzeptieren, klären Apothekenteams sie umfassend auf, um die Adhärenz für alternative Präparate zu sichern.

Sonderfall GLP-1-Rezeptoragonisten

Sowohl durch die andauernde Engpasssituation als auch durch den weiterhin bestehenden Hype der GLP-1-Rezeptoragonisten wie beispielsweise Ozempic (Semaglutid, Novo Nordisk) sind sowohl das pharmazeutische Personal im HV als auch PKA am Telefon gefragt. Durch die immer noch hohe Nachfrage ist neben anderen Gründen auch ein Produktionsmehraufwand Grund für den Engpass. Darüber hinaus sind die so genannten Abnehmspritzen nicht für jeden geeignet. Wenn Apothekenteams solche Erstberatungen übernehmen, geht im Arbeitsalltag wertvolle Zeit von Apothekerinnen und Apothekern, PTA und PKA verloren.