Eigentlich sollte das Wiederholungsrezept im März 2020 kommen. Doch die Pandemie verhinderte die Einführung. Viele Abrechnungsfragen blieben offen. Nun steht ein neues Datum fest: Ab Januar 2022, zeitgleich mit dem E-Rezept, soll es losgehen. Die zuständigen Stellen befinden sich zur genauen Umsetzung in Abstimmung. In einem Punkt sind sich alle Beteiligten bisher einig: Das Wiederholungsrezept kommt nur als E-Rezept und nicht für alle Arzneimittel.
„In Abstimmung mit allen Beteiligten einschließlich dem Bundesgesundheitsministerium wird die Mehrfachverordnung nur als E-Rezept und damit erst nach dessen Einführung möglich sein“, so eine Sprecherin der KBV. „Ab 1. Januar 2022 sollen Arzneimittelverordnungen nur noch in Ausnahmefällen auf Muster 16 und nicht als E-Rezept erfolgen. Eine Anpassung des Musters 16 ist nicht vorgesehen.“
Eigentlich sollte das Wiederholungsrezept schon längst exsistieren. Zum 1. März vergangenen Jahres wurden die Wiederholungsrezepte mit dem Masernschutzgesetz eingeführt. Diese wurden jedoch kurze Zeit später im Zuge der Corona-Eilverordnung wieder abgeschafft gleich wieder abgeschafft. „Abweichend von § 31 Absatz 1b sind Verordnungen zur wiederholten Abgabe von Arzneimitteln nicht zulässig“, heißt es in der Verordnung. Damit werde „in der derzeitigen Situation der Sars-CoV-2-Epidemie die Ausstellung von Rezepten nach § 31 Absatz 1b (sog. Wiederholungsrezept) für unzulässig erklärt“, so die Begründung.
Nun soll die neue Verordnung zum 1. Januar 2022 eingeführt werden – gemeinsam mit dem E-Rezept. Das BMG verweist darauf, dass die gesetzlichen Regelungen zur Mehrfachverordnung nach § 31 Absatz 1b SGB V bereits am 1. März 2020 in Kraft getreten seien und es jetzt um die Realisierung gehe. „Die Umsetzung der gesetzlichen Regelungen ist nun Aufgabe der Vertragspartner GKV-Spitzenverband, Deutscher Apothekerverband e.V. (DAV) und Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). Die Vertragspartner haben sich darauf geeinigt, die Regelung mit der Einführung des elektronischen Rezepts ab 1. Januar 2022 umzusetzen.“
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) bereitet nun die erneute Einführung vor. Die Gültigkeitsdauer steht schon fest: „Bis zu 365 Tage nach Ausstellungsdatum können die Rezepte zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse durch Apotheken beliefert werden.“ Auch, dass die Verordnungen speziell gekennzeichnet werden müssen wurde bereits festgehalten. Viele weitere Punkte, gerade mit Blick ins Detail, bleiben noch offen. Die KBV und der GKV-Spitzenverband wollen sich zeitnah mit ersten Informationen melden.
Bereits im vergangenen Jahr kam es zu zahlreichen offenen Fragen. Allen Voran wurde die Abrechnung kritisiert. Dadurch, dass Rezepte erst abgerechnet werden, wenn die Belieferung vollständig abgeschlossen ist, befürchteten Apotheken, dass sie mit zum Teil enormen Summen in Vorleistung gehen müssen. Auch die Definition für „schwer chronisch krank“ geriet in den Fokus. Als schwerwiegend chronisch krank gilt in Deutschland, wer mindestens ein Jahr lang, mindestens einmal pro Quartal aufgrund derselben Erkrankung ärztlich behandelt wurde. Bei der Ausstellung eines Wiederholungsrezeptes würden die quartalsmäßigen Arztbesuche bei N3-Verordnungen allerdings entfallen.
Nicht alle Arzneimittel werden mittels Wiederholungsrezept verschrieben werden können. „Betäubungsmittel sowie Arzneimittel, die die Wirkstoffe Lenalidomid, Pomalidomid oder Thalidomid enthalten, werden nicht als Mehrfachverordnung verordnet werden können, da hierfür abweichende gesetzliche Regelungen gelten“, informiert die KBV. „Weitere Einschränkungen ergeben sich alleine schon daraus, dass Mehrfachverordnungen nach der gesetzlichen Grundlage nur für vom Versicherten kontinuierlich benötigte Arzneimittel ausgestellt werden können und der Versicherte für die Reichweite der verordneten Arzneimittel gegebenenfalls auch nicht in die Arztpraxis kommt. Viele Arzneimittel kommen alleine schon deshalb für diese Art der Versorgung überhaupt nicht in Betracht.“
Auch Rezepturen könnten mittels elektronischem Wiederholungsrezept verordnet werden: „Entsprechend des § 31 Absatz 1b SGB V in Verbindung mit § 2 Arzneimittelverschreibungsverordnung ist die Mehrfachverordnung für Arzneimittel vorgesehen. Die Ausstellung ist grundsätzlich sowohl für Fertigarzneimittel als auch für Rezepturen und Wirkstoffverordnungen möglich.“
Die KBV übt auch Kritik am Wiederholungsrezept: „Nach der gesetzlichen Grundlage kommt eine Mehrfachverordnung nur für vom Versicherten kontinuierlich benötigte Arzneimittel in Frage. Da der Versicherte für die Reichweite der verordneten Arzneimittel in der Regel auch nicht in die Arztpraxis kommt, ist diese Regelung aus Gründen der Patienten- und Arzneimitteltherapiesicherheit als problematisch anzusehen.“ Insbesondere der enge Arzt-Patienten-Kontakt könnte darunter leiden. „Gerade die Versorgung von Versicherten mit schwerwiegenden chronischen Erkrankungen muss regelmäßig überwacht und ggf. angepasst werden. Die Entscheidung über die Ausstellung entsprechender eRezepte liegt zwar beim Arzt. Neben der Tatsache, dass dies in vielen Fällen medizinisch nicht sinnvoll ist, ist aber davon auszugehen, dass auch Patienten diese Möglichkeit aktiv ansprechen und einfordern werden.“
„Innerhalb eines Jahres kann sich jedoch aufgrund nicht vorhersehbarer Umstände – so zum Beispiel das Auftreten einer weiteren Erkrankung, ein ungeplanter Krankenhausaufenthalt oder Änderungen der Medikation eines mitbehandelnden Arztes – die Notwendigkeit einer umgehenden Anpassung der Arzneimitteltherapie ergeben.“ Die KBV sieht Gefahren bei der Therapie. „Bereits ausgestellte Mehrfachverordnungen können dazu führen, dass Versicherte trotz einer entsprechenden Notwendigkeit die Risiken falsch einschätzen, ihren Arzt nicht erneut aufsuchen und damit nicht mehr adäquate, gegebenenfalls sogar die Sicherheit gefährdende Arzneimitteltherapien fortführen.“
In diesem Zusammenhang sei auch auf § 16 SGB V zu verweisen, wonach beispielsweise gemäß Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 der Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung ruht, solange Versicherte sich im Ausland aufhalten. „Der Vertragsarzt kann zum Zeitpunkt der Ausstellung einer Mehrfachverordnung nicht wissen, ob ein Leistungsanspruch über die gesamte Laufzeit der Mehrfachverordnungen tatsächlich besteht oder ob der Versicherte in diesem Zeitraum beispielsweise einen längeren, gegebenenfalls monatelangen Auslandsaufenthalt plant. Durch Mehrfachverordnungen könnte daher sogar ein für den Arzt nicht vorhersehbares, nicht vertretbares Regressrisiko entstehen.“
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