Richtig handeln bei OTC auf Rezept Eva Bahn, 18.07.2019 15:08 Uhr
Apothekenpflichtige Medikamente sind grundsätzlich nicht auf Kassenrezept abrechenbar, wenn der Patient volljährig ist. Für Kinder und Jugendliche zwischen zwölf und achtzehn Jahren gelten hier einige Ausnahmeregelungen. Auch Erwachsene dürfen OTC zu Lasten der GKV verordnet bekommen, wenn bestimmte Kriterien erfüllt werden. Doch gerade hier liegen zahlreiche Fallstricke, die eine Retaxation nach sich ziehen können.
Ist der Patient unter zwölf Jahre alt, so sind apothekenpflichtige Medikamente wie zum Beispiel abschwellende Nasensprays bei Rhinosinusitiden verordnungsfähig. Gezahlt werden müssen allerdings die Mehrkosten, wenn der Preis des Arzneimittels den Festbetrag übersteigt. Auch die gültigen Rabattverträge müssen jeweils beachtet werden, damit keine Retaxation erfolgt. Bei Nasensprays auf Kochsalzbasis muss genau darauf geachtet werden, ob diese als Arzneimittel oder als Medizinprodukt gelten. Im letzteren Fall werden sie nur erstattet, wenn sie in der Anlage V gelistet sind.
Bei Patienten zwischen 12 und 18 Jahren fallen die meisten apothekenpflichtigen Medikamente aus der Verordnungsfähigkeit heraus. Ausnahmen gibt es in dieser Gruppe nur, wenn eine Entwicklungsstörung vorliegt. Hier entsteht für die Apotheken aber keine erweiterte Prüfpflicht. Wenn ein solches Medikament vom Arzt verordnet wird, kann davon ausgegangen werden, dass diese Diagnose auch zuvor gestellt wurde. Eine zuzahlungsfreie jedoch mehrkostenpflichtige Abgabe durch die Apotheke wird von der Krankenkasse nicht retaxiert.
Anders sieht es bei volljährigen Patienten aus. Hier ist die Abgabe apothekenpflichtiger Medikamente grundsätzlich nicht erlaubt, jedoch gelten hier einige Ausnahmen. Die sogenannte „Pille danach“ ist für GKV-Versicherte bis zum vollendeten 22. Lebensjahr beispielsweise auf Kassenrezept verordnungsfähig, obwohl sie aus der Rezeptpflicht entlassen wurde. Das liegt am „Gesetz zur Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch“, das am 29. März dieses Jahres in Kraft getreten ist. Hier wird das verordnete Präparat bis auf die gesetzliche Zuzahlung von den Kassen übernommen.
Weitere Ausnahmen, die nicht altersgebunden sind, finden sich in der OTC-Übersicht der Anlage I des Gemeinsamen Bundesausschusses. Der G-BA ist das höchste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen. Er legt fest, welche OTC-Arzneimittel bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten. Diese können dann ausnahmsweise mit Begründung durch den Arzt verordnet werden. Eine Krankheit gilt laut Definition als schwerwiegend, wenn sie „lebensbedrohlich ist oder wenn sie aufgrund der Schwere der durch sie verursachten Gesundheitsstörung die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt“. Dazu gehören beispielsweise Medikamente mit dem pflanzlichen Wirkstoffextrakt aus der Blättern des Ginkgo-biloba zur Behandlung von Demenzerkrankungen. Auch der Thrombozyten-Aggregationshemmer ASS wird bis zu einer Wirkstoffstärke von 300 Milligramm hier aufgeführt.
Wird also ein Medikament aus dieser Ausnahmeliste verordnet, so kann es abgegeben werden. Hat der Arzt hier keine Diagnose auf dem Rezept vermerkt, so gilt auch keine verschärfte Prüfpflicht durch die Apotheke. Bei der Abgabe müssen in jeden Fall die Normgrößen beachtet werden. Sogenannte „Jumbopackungen“, die außerhalb der N3 Norm liegen werden von den Krankenkassen grundsätzlich nicht erstattet. Die Normbereiche werden wie folgt eingeteilt: N1 für die Akuttherapie oder Einsteigergröße richtet sich nach der Behandlungsdauer von zehn Tagen plus/Minus 20 Prozent. Die N2 Größe zielt auf die Dauer von dreißig Tagen mit einen Spielraum von 10 Prozent mehr oder weniger. Die N3 Norm deckt die Dauertherapie von 100 Behandlungstagen minus 5 Prozent ab.
Problematisch wird es erst, wenn der Verordner eine Diagnose auf dem Rezept hinterlassen hat. Dann muss das pharmazeutische Personal zunächst prüfen, ob diese zu den „schwerwiegenden Erkrankungen“ passt, die in der OTC-Ausnahmeliste stehen. Ansonsten wird wahrscheinlich eine Retaxation durch die Krankenkasse erfolgen. Weitere Ausnahmen der Regel gibt es nur bei Medizinprodukten mit Arzneimittelcharakter oder bei Fluorid-Tabletten. Diese unterliegen nicht der Arzneimittelpreisverordnung, sondern sind durch Vertragspreise geregelt. Diese errechnen sich üblicherweise durch den Apothekeneinkaufspreis plus 20 Prozent zuzüglich Mehrwertsteuer.