Rezeptur-Sonderfälle: Was ist zu beachten? (Teil 3) Eva Bahn, 09.05.2019 14:36 Uhr
Was ist zu tun bei Fertigarzneimitteln in Rezepturen, einer Verordnung mit mehreren Abpackungen oder als AV-gekennzeichneten Fertigarzneimittel. Antworten auf diese und weitere Fragen gibt es im dritten Teil der Reihe Rezeptur-Sonderfälle. Hier geht es zu Teil 1 und Teil 2.
Fall 7: Ein Inhaltsstoff in der Rezeptur ist ein Fertigarzneimittel. Das kommt häufig vor und stellt grundsätzlich für die Abrechnung mit der Krankenkasse kein Problem dar. Trotzdem gibt es auch hier Fallstricke, die es zu umgehen gilt. Wenn die angegebene Menge nicht der Menge einer Originalgröße entspricht, so darf ein Verwurf berechnet werden. Kommt ein und dieselbe Rezeptur in einer Apotheke häufiger vor, und wird diese auch häufiger von Patienten bezogen die bei der gleichen Krankenkasse versichert sind, so kann die Abrechnung des Verwurfes allerdings problematisch werden. Die Krankenkasse kann mit dem Argument, dass die Apotheke die Reste nicht verwerfen müsste wenn sie die Rezeptur häufiger herstellt, die Übernahme des Verwurfs ablehnen. Dieser wird bei einer Retaxation vom Gesamtbetrag der Rezeptur abgezogen.
Die Kasse kann es außerdem ablehnen, bei einem Fertigarzneimittel in der Rezeptur genau die Firma die der Arzt verordnet hat zu übernehmen. Ist beispielsweise eine mometasonhaltige, firmenbezogene Creme aufgeschrieben, so kann auch ein wirkstoffgleiches Produkt einer anderen Firma verwendet werden, wenn es günstiger ist und dieselbe Darreichungsform hat. Die Apotheke muss daher vor der Herstellung prüfen, ob sich ein solches Präparat auf dem Markt befindet. Sollte es nicht lieferbar sein und der Herstellende ist daher gezwungen das verordnete Medikament zu nutzen, so ist es sinnvoll die Nichtlieferbarkeit zu dokumentieren. Nur so kann in solch einem Fall eine Retaxation durch die Krankenkasse umgangen werden.
Es sind auch Reimporte auf dem Markt, die mehr Inhalt haben und trotzdem günstiger sind als das Original. Wird in einer Rezeptur zum Beispiel fünfzig Gramm einer Creme aus dem Bereich der Fertigarzneimittel benötigt, so muss zunächst geprüft werden, ob diese von einer anderen Firma günstiger angeboten wird. Ist der Reimport mit sechzig Gramm lieferbar und günstiger als das Original mit fünfzig Gramm, so muss diese verwendet werden um eine Retaxation zu umgehen. Der Verwurf darf in diesen Fall natürlich ganz normal angerechnet werden.
Fall 8: Auf einer Verordnung wird eine Rezeptur in mehreren Abpackungen verordnet. Hier kann zum Beispiel eine Wundspüllösung mit der Angabe „3 x 1 Liter“ verordnet werden. In einem solchen Fall darf nicht jeder Liter einzeln taxiert werden, denn die Herstellung erfolgt in einem einzigen Arbeitsgang. Es wird also die Anfertigung von drei Litern taxiert. Die Abgabegefäße werden dann wieder entsprechend der Verordnung gewählt und berechnet. Somit also dreimal eine je ein 1-Liter fassendes Gefäß wie Medizinflaschen oder Vierkantflaschen aus Kunststoff. Die Kasse kann hier keine Abgabe in einem Kanister verlangen, da dieser für den Patienten nicht gut zu handhaben wäre.
Fall 9: Auf der Verordnung steht eine Rezeptur mit einem Fertigarzneimittel, welches als „AV“ gekennzeichnet ist. Sollte das betreffende Arzneimittel noch im Handel verfügbar sein, so spricht nichts gegen dessen Verwendung in einer Rezeptur. Die Kennzeichnung „Außer Vertrieb“ bedeutet nur, dass der Hersteller sich selbst dazu entschlossen hat sein Produkt nicht mehr anzubieten, es liegt also kein Qualitätsmangel vor. Anders läge der Fall selbstverständlich bei einer „NV“-Kennzeichnung. Solche Verordnungen werden in der Praxis trotzdem ab und zu retaxiert. Das liegt vermutlich darin begründet, dass in der EDV der Krankenkasse dieses Medikament bereits gelöscht war und nicht gefunden werden konnte.
Hier lohnt es sich auf alle Fälle einen Einspruch gegen die Retaxation einzulegen. Mit der entsprechenden Begründung wird dem auch stattgegeben. Überhaupt ist es meistens sinnvoll eine Retax im Rezepturenbereich anzufechten. Die Landesapothekerverbände haben Taxationsabteilungen in denen Spezialisten sitzen die gerne weiterhelfen und Bescheid sagen, ob sich ein Einspruch lohnt. Auch generell kann man als Apotheke dort anrufen wenn man unsicher ist ob man richtig abgerechnet hat. Oft steht man mit der Frage nicht alleine da, sondern das entsprechende Problem ist früher schon einmal irgendwo eingetreten. So können eventuell auftretende Unsicherheiten schnell aus dem Weg geräumt werden.