Rezeptfälschungen sind Betriebsrisiko: Eine Versicherung für Apotheken gibt es im Fälschungsfall nicht. Erkennen die Rechenzentren das zur Abrechnung eingereichte Rezept als Manipulation, hat die Apotheke den schwarzen Peter und bleibt auf den Kosten sitzen.
Original und Fälschung sind kaum noch zu unterscheiden, so professionell sind die Täter am Werk. Dabei ist eine Rezeptfälschung kein Kavaliersdelikt, sondern Urkundenfälschung – wie die Herstellung von Blüten. Den Tätern droht laut Strafgesetzbuch (StGB) eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe, in besonders schweren Fällen kann eine Haftstrafe bis zu zehn Jahren verhängt werden. Apotheker müssen Rezepte genauso wie Banknoten im Rahmen der Sorgfaltspflicht prüfen.
Erkennt der Apotheker die Fälschung nicht oder hätte diese erkennen müssen, darf das Rezept nicht beliefert werden. Laut Arzneiliefervertrag Hessen § 3 Absatz 9 verlieren Apotheker den Anspruch auf Vergütung. „Die Krankenkassen sind nicht verpflichtet, Lieferungen aufgrund gefälschter Verordnungen zu bezahlen, wenn die Fälschung bei Wahrnehmung der erforderlichen Sorgfalt erkennbar war. Liegen Anhaltspunkte vor, die den Verdacht einer Fälschung begründen oder ergeben sich sonstige Bedenken, ist die Apotheke verpflichtet, das Mittel vorerst nicht abzugeben und den Arzt zu informieren.“ Aus diesem Grund halten sich die Verbände mitunter in der Kommunikation über aktuelle Rezeptfälschungen zurück.
Hat die Apotheke die Fälschung erkannt, muss die Polizei informiert werden. Dies gilt auch, wenn die Urkundenfälschung erst im Nachhinein entdeckt wurde. Im Zuge der kriminaltechnischen Ermittlungen wird bei Rezeptbelieferung auch die Krankenkasse über den Fall informiert. Wird der Apotheker nicht tätig und schaltet trotz eindeutiger Hinweise nicht die Polizei ein, kann dies rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Der Apotheker verstößt gegen § 17 Apothekenbetriebsordnung (ApoBetrO): „Das pharmazeutische Personal hat einem erkennbaren Arzneimittelmissbrauch in geeigneter Weise entgegenzutreten. Bei begründetem Verdacht auf Missbrauch ist die Abgabe zu verweigern.“ Auch § 21 ApoBetrO zur Abwehr von Arzneimittelrisiken ist berührt.
Auch wenn die Fälschungen immer professioneller werden, bleiben einige Alarmsignale, bei denen sich ein genaues Hingucken lohnt. Verordnungen mit Missbrauchspotenzial fallen Personal mit viel Berufserfahrung schnell ins Auge. Fälschungen können so im Rahmen der Beschaffungskriminalität auftreten. Die Täter verschaffen sich Drogen sowohl zum Eigengebrauch als auch zum Verkauf. In diesen Bereich fallen beispielsweise Benzodiazepine wie Diazepam, Alprazolam oder Bromazepam, aber auch andere schlafanstoßende und angstlösende Substanzen wie Zopiclon und Zolpidem. Auch Psychopharmaka und Antidepressiva wie Haloperidol, Fluoxetin oder Amitriptylin fallen auf. Der Dopaminagonist Pramipexol, der zur Behandlung der Parkinson-Krankheit eingesetzt wird, besitzt ebenfalls ein Missbrauchspotenzial, denn der Arzneistoff besitzt psychotrope und libidosteigernde Eigenschaften.
Zu den üblichen Verdächtigen gehören auch Schmerzmittel wie Tramadol, Tilidin oder Opiate. Suchtpatienten entdeckten den „Kick“ von Pregabalin bei Überdosierung vor allem in Kombination mit Alkohol oder Methadon. Statt der maximalen Tagesdosis von 600 mg werden bis zu 7500 mg konsumiert. Die Missbrauchsfälle und Giftnotrufe nahmen in den vergangenen Jahren rasant zu. Besondere Aufmerksamkeit ist auch Verordnungen mit Wachstumshormonen gefragt. Vor allem Somatropin hatte in der Vergangenheit finanziellen Schaden in den Apotheken verursacht.
Rezeptfälschungen können kopiert oder gedruckt sein. In einigen Fällen sind sie an Unstimmigkeiten in Bezug auf die Versichertendaten zu erkennen. Adressangaben können ganz fehlen oder das Geburtsjahr des Patienten nicht zweistellig aufgedruckt sein. Auffällig ist eine Verordnung auch, wenn der Versichertenstatus nicht mit dem Alter des Patienten zusammen passt.
So gilt der Status 1 für Versicherungspflichtige und -berechtigte, 2 für Familienversicherte und 3 für Rentner. Auch der Arztstempel wird von Fälschern manipuliert oder kann unvollständig sein. So kann es sein, dass die Telefonnummer nicht zur Praxis passt. Fehlt die Magnetcodierung am rechten unteren Rand des Muster-16-Formulars, kann es sich ebenfalls um eine Fälschung handeln.
Rezeptfälscher versuchen ihr Glück in Apotheken bevorzugt an einem Mittwoch, im Notdienst, kurz vor Ladenschluss oder am Wochenende. Apothekenmitarbeiter haben dann meist keine Möglichkeit, mit dem Arzt Rücksprache zu halten und die Verordnung zu verifizieren. In einigen Fällen wird auch der Lagerstatus der Arzneimittel vorab telefonisch nachgefragt.
Wer kein gutes Bauchgefühl hat und an der Richtigkeit der Verordnung zweifelt, kann zur Sicherheit die Patientendaten abfragen. Werden die Betrüger unsicher oder fordern ihr Rezept zurück, um schnell wieder zu verschwinden, konnte sich das mulmige Gefühl bestätigen.
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