Retaxgefahr: Verwürfe in der Rezeptur Alexandra Negt, 11.07.2022 08:01 Uhr
„Wir können das gerne herstellen, müssen dafür aber noch etwas bestellen.“ Dieser Satz fällt häufig in der Apotheke. Während sich der/die PTA über eine neue, noch unbekannte, Herstellung als Herausforderung freut, ärgert sich der/die Inhaber:in über eventuell hohe Kosten mit dem Risiko, dass der Rest nie benötigt wird. Aber der Verwurf lässt sich ja abrechnen, oder nicht?
Die Rezeptur ist einigen Inhaber:innen ein Dorn im Auge, da sie häufig nicht wirtschaftlich ist. Ärgerlich, wenn es dann auch noch zu Retaxierungen kommt. Denn vor patientenindividuellen Herstellungen machen die Krankenkassen keinen Halt mehr. Nicht nur bei fehlenden Dosierungen oder fehlerhaften Hash-Codes kann es zu Problemen kommen, auch beim Thema Verwurf drückt die Kasse nicht unbedingt ein Auge zu.
FAM-Verwurf berechnen
Eigentlich dürfen die Anbrüche, die durch die Herstellung einer Rezeptur entstehen, abgerechnet werden. Ob dies komplett oder anteilig erfolgen muss, legt die Arzneimittelpreisverordnung fest. In § 5 Abs. 2 AMPreisV heißt es hierzu:
„Auszugehen ist von den Apothekeneinkaufspreisen der für die Zubereitung erforderlichen Mengen an Stoffen und Fertigarzneimitteln. Maßgebend ist bei Fertigarzneimitteln der Einkaufspreis nach § 3 Abs. 2 der erforderlichen Packungsgröße, höchstens jedoch der Apothekeneinkaufspreis, der für Fertigarzneimittel bei Abgabe in öffentlichen Apotheken gilt.“
Im Arzneiversorgungsvertrag der Ersatzkassen steht überdies in §7 Allgemeine Bestimmungen zur Preisberechnung Folgendes:
„Ist die verordnete Menge geringer als der Inhalt der kleinsten Packung, so ist der Apotheker berechtigt, die kleinste im Handel befindliche Packung zu berechnen.“
Tipp: Will die Apotheke den vollen Preis abrechnen, da sie davon ausgeht, dass keine Folgerezepturen mehr kommen werden, so sollte die Abrechnung direkt nach der Erstverordnung erfolgen. Egal ob die Apotheke also weiß, dass eine weitere Rezeptur folgen wird oder nicht – nach dem Anbruch sollte abgerechnet werden. Denn die Erstattung einer ganzen Packung wird häufig von den Rezeptprüfstellen abgelehnt, wenn in der kommenden Zeit die Rezeptur erneut verordnet wird.
Die Anbruch-Schublade
In einigen Apotheken findet sich eine Schublade oder ein Regal mit Anbrüchen. Ob nun Cremes, Blister oder Lösungen – mit der Zeit sammeln sich einige geöffnete Packungen an. Oftmals kommt es zu einer erneuten Herstellung mit einem der Anbrüche. Nicht selten reicht der Vorhandene dann nicht aus und ein Neuer wird generiert. Doch kann in diesen Fällen dann auch immer die komplette Packung abgerechnet werden? Würde es sich dann nicht um eine Mehrfachabrechnung handeln? Ja und nein. Die Krankenkassen sehen das Prozedere ähnlich: Wer des Öfteren eine Rezeptur mit dem gleichen FAM herstellt, einen Verwurf berechnet, diesen aber in der Schublade zwischenlagert um bei eventueller Neuverordnung direkt wieder herstellen und abrechnen zu können, der riskiert einen Retax.
Hash-Code: Fluch und Segen
Mit der verpflichtenden Einführung des Hash-Codes zum 1. Juli können die Kassen mehr Daten einsehen. Die 40-stellige Ziffernfolge enthält nun auch Informationen darüber, welches FAM genau genutzt wurde. Apotheken, die also kleine Packungen abrechnen, sich aber eigentlich aus einer großen Packung bedienen, fliegen auf. Doch: Ist mal tatsächlich nur die größte Packung lieferbar, so kann die Apotheke diesen Umstand dank des Hash-Codes auch dokumentieren. Mit der zusätzlichen Notiz, dass am Bestelltag keine N1 oder N2 lieferbar war, gehen Apotheker:innen und PTA dann nochmal auf Nummer sicher.
Was kann man noch tun?
Bei den meisten FAM weiß der/die Rezeptur-PTA, ob sich der Anbruch aufbrauchen wird oder nicht. Da sollte man sich auf die Erfahrung des/der Kolleg:in verlassen. Bei allen anderen Rezepturen: Wenn möglich immer die kleinste Packung zur Herstellung nutzen (wenn zeitlich möglich und nötig beim Großhandel bestellen), entsprechend der Haltbarkeit aufbewahren, neben dem Datum des Anbruchs auch Rezeptkopien von Erst- und Folgeverordnungen dokumentieren.
Also: Steht eine FAM-Verarbeitung in Rezepturen an, sollte die Apotheke – wenn verfügbar – die kleinste Packungseinheit nutzen. Anbrüche sollten dann bis zum Verfallsdatum (eventuell nach Anbruch kürzer haltbar) mit Datum in der Rezeptur aufbewahrt werden. Bei weiteren Rezepturen sollte der Anbruch nur noch anteilig berechnet werden. Auch Angaben zu Aufbrauchfristen sollte aufbewahrt werden. Einige flüssige Zubereitungen können nur kurze Zeit gelagert werden, sodass eine erneute Herstellung aus dem Anbruch kaum möglich ist.