Cannabis-Verdampfer

Retaxgefahr: Genehmigung unter Vorbehalt

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Berlin -

Russisch-Roulette im HV: Medizinalhanf aus der Apotheke ist seit 2017 Thema. Schmerzpatienten können die Blüten rauchen oder über einen temperaturgeregelten Vaporizer verdampfen und inhalieren, ohne die durch eine Verbrennung anfallenden Giftstoffe. Die dafür benötigten Hilfsmittel werden von den Kassen übernommen – eigentlich. Allerdings lassen sich die Kassen bei den erteilten Genehmigung ein Hintertürchen offen.

Apotheken, die bei der KKH einen Kostenvoranschlag für Cannabis-Verdampfer stellen, erhalten zwar eine Antwort, allerdings könnte man diese als „Pseudo-Genehmigung“ bezeichnen. Rechtssicherheit hat die Apotheke nämlich trotzdem nicht. Die Kasse teilt mit, die berechnungsfähigen Kosten für das Hilfsmittel „vorbehaltlich des Vorliegens einer gültigen Präqualifizierung“ zu übernehmen.

Da stellt sich die Frage, wofür sich die Apotheken präqualifizieren sollen, haben doch die Verdampfer wie der Mighty Medic oder der Volcano Medic, die von Wepa vertrieben werden, noch gar keine Hilfsmittelnummer und sind dementsprechend im Hilfsmittelverzeichnis noch gar nicht zu finden. Auch Vertragspreise nach § 127 Absatz 1 oder 2 Sozialgesetzbuch (SGB V) gibt es nicht. Der GKV-Spitzenverband nimmt die Produkte jedoch nur auf, wenn der Hersteller – im Falle von Mighty und Volcano Medic ist das Storz und Bickel – auch einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Dies ist bereits geschehen; die Antragsverfahren aus dem Jahr 2017 habe der Hersteller jedoch wieder zurückgezogen, teilt der GKV-Spitzenverband mit. „Daher ist in der Sache kein abschließender Bescheid ergangen. “

Möglicherweise könnten die Vaporizer der Produktgruppe 14: „Inhalations- und Atemtherapiegeräte“ zugeordnet werden. Die KKH ordnet den Vaporizern jedoch die 9971100000 mit der Bezeichnung „Verdampfer für Cannabisblüten“ und somit einer eigenen HiMi-Nummer zu, für die es faktisch keine Möglichkeit der Präqualifizierung gibt. Die KKH kennt das Problem und teilt dazu mit: „Da es für die Cannabis-Verdampfer bisher keine offizielle Hilfsmittelpositionsnummer gibt, hat die KKH eine Pseudo-Hilfsmittelpositionsnummer eingerichtet. Es ist zutreffend, dass es in der Produktgruppe 99 keine Präqualifizierungskriterien gibt. In der Folge brauchen die Apotheken auch keine Retaxierung/Absetzung durch den Abrechnungsdienstleister befürchten.“ Der Hinweis auf die gültige Präqualifizierung solle lediglich verhindern, dass Leistungserbringer eine Versorgung vornehmen, die aufgrund einer fehlenden Präqualifizierung einen Regress erhalten würden.

Bei den anderen Kassen herrscht ebenfalls reichlich Verwirrung. So teilt die Techniker Krankenkasse mit, Vaporizer seien ein „genehmigungsfreies Hilfsmittel“ zumindest für Vertragspartner. „Wenn Sie kein Vertragspartner sind, ist eine Abgabe/Abrechnung nicht möglich. Als Vertragspartner reichen Sie die Originalunterlagen bitte bei der Abrechnung ein“, heißt es weiter. Der beantragte Kostenvoranschlag kommt somit unbearbeitet zurück. Gleiches gilt für die AOK. In Thüringen liegt keine Genehmigungspflicht vor, wenn die Apotheke den entsprechenden Verträgen beigetreten ist.

Wild West herrscht auch bei der DAK. Die Kasse erteilt weder eine Zu- noch Absage: „Eine Kostenzusage für Verordnungen durch die Kasse ist nicht möglich. Die Verordnungshoheit obliegt dem Arzt.“ Ein Apotheker in Niedersachsen hat im vergangenen Jahr das Feilschen der DAK erlebt. Zum Großteil wurden die Patienten mit dem tragbaren Verdampfer Mighty Medic versorgt. Der Vaporisator hat einen Apothekeneinkaufspreis (AEK) von 250 Euro. Den ist die DAK auch bereit zu erstatten – inklusive Mehrwertsteuer – und ist zum Feilschen bereit.

Wie ein Apotheker berichtet, kann mehr drin sein: „Die Preisverhandlung erinnert an einen Teppichverkauf auf einem Basar. Wenn die Kostenübernahme des Einkaufspreises bewilligt war, haben wir bei der Kasse angerufen und konnten meist noch einen Rohertrag von etwa 30 Euro aushandeln. Wir haben 50 Euro gefordert und dann hat man sich bei 35 oder 30 Euro getroffen, oder wir hätten gar nichts bekommen.“ Die DAK bestätigt: „Jeder Preis wird individuell verhandelt und wir orientieren uns am Apothekeneinkaufspreis. Weil es sich um eine Verhandlung im Einzelfall handelt, können die Preise unterschiedlich ausfallen“, teilt ein Sprecher mit. Jede Genehmigung werde nach § 127 Absatz 3 SGB V geprüft und erteilt.

Apotheker sitzen also in der „Retax-“ oder „Abgabewunsch-Falle“, schließlich sind sie Heilberufler und wollen den Kunden mit den benötigten Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln versorgen. Wer nicht bei der Kasse erneut nachfragt, läuft Gefahr auf den Kosten sitzen zu bleiben.

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