Retax-Falle

Medikinet adult: 52 statt 50 Stück APOTHEKE ADHOC, 14.09.2018 12:42 Uhr

Umstellung bei Medikinet adult: Die neue Packung zu 52 Stück darf nicht auf eine Verordnung über 50 Hartkapseln abgegeben werden. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Änderung mit Folgen: Bei Medikinet adult ist die Packung zu 50 Stück Geschichte, neu ist die Packung zu 52 Stück. Wer denkt, es handelt sich um einen Nachfolger, der bedenkenlos abgegeben werden darf, riskiert eine Retaxation.

Medikinet adult wird zur Behandlung der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) bei Erwachsenen eingesetzt – vorausgesetzt, die Erkrankung besteht seit dem Kindesalter und andere therapeutische Maßnahmen allein haben sich als unzureichend erwiesen. Medikinet adult ist in verschiedenen Stärken und Packungsgrößen erhältlich. Medice begründet die Umstellung zum 1. September als „gezielte Maßnahme gegen den zunehmenden Parallel Trade“. Man habe „bewusst auf 13er-Blister umgestellt, denn im Ausland ist der 10er-Blister führend“, so Firmenchef Dr. Dr. Richard Ammer. Weil die 50er-Packungen immer wieder in den Apotheken fehlte, gibt es nun zwei Tabletten mehr, sodass die Ware nicht mehr so einfach zu exportieren ist. „Wir sind überzeugt davon, dass diese Maßnahme die Warenverfügbarkeit und die damit einhergehende Patientenversorgung in Deutschland wieder sicherstellen wird.“

Die Packung zu 50 Stück ist in den Stärken 5, 10, 20, 30 und 40 mg seit Monatsbeginn außer Handel. Neu ist dagegen die Packungsgröße zu 52 Stück. Und hier liegt das Problem: Denn Apotheken können nicht auf die neue Packung ausweichen, wenn eine Verordnung zu 50 Stück vorliegt. Denn ein Überschreiten der verordneten Menge stellt einen Verstoß gegen die Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtMVV) dar.

Verschreiben Ärzte dennoch weiterhin 50 Hartkapseln, kann die entsprechende Menge so lange geliefert werden, bis die Restbestände im Markt verbraucht sind. Danach können auf eine Verordnung zu 50 Stück nur noch 26 Hartkapseln abgegeben werden. Eine Abgabe der Packung zu 52 Hartkapseln ist nur nach Rücksprache mit dem Arzt möglich, der die Mengenänderung entsprechend abzeichnen muss. Am Wochenende, an Feiertagen oder kurz vor Apothekenschluss ist eine Arztrücksprache jedoch nicht möglich, Diskussionen am HV sind vorprogrammiert. Apotheken können im Notfall maximal die N1-Packung abgeben, um nicht retaxiert zu werden und nicht gegen die BtMVV zu verstoßen. In diesem Fall sollte dem Patienten die Abgabe der geringeren Menge quittiert werden, beispielsweise durch Mitgabe einer Rezeptkopie, die der Patient seinem Arzt vorlegen kann.

Die neue Packungsgröße liefert ein weiteres Problem, denn eine Stückelung ist nicht mehr möglich. Laut Packungsgrößenverordnung (PackungsV) entsprechen bei Psychopharmaka 25 Stück der Normgröße 1, 55 Stück sind N2 und 100 Stück N3. Im Handel ist Medikinet adult zu 26 Hartkapseln (N1), 52 Stück (N2) sowie 78 Stück, die keiner Normgröße zugeordnet sind. Ausnahmen gibt es in der Stärke zu 40 mg, hier gibt es keine Packung zu 78 Hartkapseln, 50 und 60 mg sind nur zu 40 Stück erhältlich.

Eine Stückelung von zweimal 52 Stück oder zweimal 78 Stück verstößt gegen § 6 Rahmenvertrag: „Überschreitet die nach Stückzahl verordnete Menge die größte für das Fertigarzneimittel festgelegte Messzahl, ist nur die nach der geltenden PackungsV aufgrund der größten Messzahl bestimmte größte Packung oder ein Vielfaches dieser Packung, jedoch nicht mehr als die verordnete Menge abzugeben. Ein Vielfaches der größten Packung darf nur abgegeben werden, soweit der Vertragsarzt durch einen besonderen Vermerk auf die Abgabe der verordneten Menge hingewiesen hat.“

Ob an dieser Stelle der Rahmenvertrag beachtet werden und die verordnete Stückzahl geliefert werden muss, ist fraglich und bleibt offen. Die Krankenkassen haben dazu möglicherweise eine andere Meinung als die Apothekerverbände. Und am Ende retaxiert bekanntermaßen die Krankenkasse.

Auch bei Subutex (Buprenorphin) stehen Apotheken vor einem PackungsV-Chaos. Denn für Entwöhnungsmittel gelten 50 Stück als Normgröße 2 – N1 und N3 sind unbesetzt. Subutex ist zu 7, 28 und 56 Stück im Handel. Ein Problem könnte es geben, wenn das Arzneimittel im Rahmen einer Take-home-Verordnung abgegeben werden soll, denn bei Sichtbezug wird über einen Hashcode abgerechnet. Buprenorphin Neurax ist zu 7, 28, 49 (N2) und 56 Stück erhältlich. Hier entspricht die Packung zu 49 Stück zumindest dem Normbereich für Entwöhnungsmittel. Die Packung zu 56 Stück müsste als nicht abgabefähige Jumbopackung gekennzeichnet sein.

Bei den anderen Packungsgrößen fällt auf, dass diese zwar teilweise den Normbereichen für Analgetika/Opioide – 7 Stück N1, 28 Stück N2 und 70 Stück N3 – entsprechen, jedoch nicht so gekennzeichnet sind. Aber nur so ließe sich die Einstufung der 56 Stück als „abgabefähig, außerhalb der Toleranzbereiche für Normgrößen, jedoch unterhalb des Grenzwertes für N3“ erklären.

Erstaunlicherweise haben viele Krankenkassen für die eigentlich als Jumbopackung nicht erstattungsfähige Packung zu 56 Stück Rabattverträge abgeschlossen. Hier finden wieder Rabattvertragsspielchen unter Zuhilfenahme der PackungsV statt, bei denen am Ende die Apotheke die Rechnung zahlt.