Vorgaben und Vorteile

Lohnt sich die Defektur noch?

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Berlin -

Mittlerweile wurde die Defektur stark verdrängt aus der Rezeptur. Sicherlich ergeben viele der strengen Regeln Sinn, doch ab und an ärgert es den/die herstellende PTA schon, wenn nicht einfach in die Schublade gegriffen werden kann, sondern ein patientenindividueller Kleinansatz angefertigt werden muss. Doch welche Vorgaben muss die Apotheke eigentlich beachten? Ist die Prüfung einer Defektur zwingend notwendig?

Eine Defektur kann immer dann angefertigt werden, wenn eine Rezeptur sich immer wieder wiederholt. Laut Definition können Defekturarzneimittel aufgrund häufiger ärztlicher oder zahnärztlicher Verschreibungen im Voraus in einer täglichen Chargengröße von bis zu hundert abgabefertigen Einzelgebinden hergestellt werden. Diese Vorgabe gibt auch direkt die erste Einschränkung: Es muss eine Rezeptur sein, die per Verordnung häufig angefordert wird. Die defekturmäßige Herstellung von Aluminiumchlorid-Deo oder diversen Pflegecremes, die der/die benachbarte Hausarzt/Hausärztin häufig empfiehlt, kann also nicht mehr erfolgen. Das Aluminiumdeo gibt es auch fertig zu beziehen.

Welche Vorteile bietet eine Defektur der Apotheke?

  • Wirtschaftlichkeit
    • Bei häufiger Anforderung kann eine Defektur die Kosten senken, da der/die PTA nur einmalig herstellen muss. Auch der Dokumentationsaufwand ist mitunter geringer. Es kommt zur Zeitersparnis.
  • Planbarkeit
    • Die Neuherstellung einer Defektur kann geplant erfolgen. Die Auslastung der Rezeptur kann optimiert werden, sodass ausreichend Zeit für die anstehenden Rezepturen bleibt.
  • Qualität
    • Durch die größeren Ansätze minimieren sich Wägefehler.
  • Arbeitsschutz
    • Der Arbeitsschutz kann zumeist besser eingehalten werden, da es innerhalb einer Chargenherstellung nicht zu Unterbrechungen des Arbeitsablaufes kommt.
  • Kundenbindung
    • Ist eine Rezeptur direkt in der Apotheke vorrätig (teilweise weisen die Ärzt:innen darauf bei der Ausstellung der Verschreibung hin), so kommen die Kund:innen direkt in die Offizin.

Bevor eine Defektur angelegt werden kann, müssen einige Punkte beachtet werden. Sind folgende drei Schritte abgearbeitet, so kann die erste Charge mit maximal 100 abgabefertigen Arzneimitteln hergestellt werden:

Schritt 1: Kategorie festlegen

Sollte eine Defektur in Frage kommen, so muss der/die PTA diese zunächst in eine Kategorie einsortieren. Neben der Möglichkeit sich einzelne Packungen als Fertigarzneimittel ohne Zulassung an Lager zu legen, kann auch von der Option der Standardzulassung Gebrauch gemacht werden. Eine Standardzulassung kann für Arzneimittel angewendet werden, die vom im Arzneimittelgesetz (AMG) vorgeschriebenen Verfahren freigestellt sind. Ein Beispiel für Standardzulassungen sind arzneilich wirksame Tees. Die Apotheke muss hier die Meldepflicht beachten. Auch Stammzubereitungen gelten als Defektur. In der Rezeptur finden sich als Stammzubereitung beispielsweise Wirkstoffverreibungen oder Lösungen mit definiertem Konservierungsmittelgehalt, sodass Wägefehler vermieden werden können. Als letzte Kategorie muss die Bulkware genannt werden. Hierbei handelt es sich um Produkte, die zur Weiterverarbeitung bestimmt sind. So stellen Grundlagen, die in der Apotheke hergestellt worden sind, beispielsweise Bulkware dar.

Schritt 2: Risikoabschätzung

Ein weiterer wichtiger Schritt, vor dem erstmaligem Herstellen der Defektur ist die Risikoabschätzung. Hierbei spielt vor allem die Darreichungsform eine Rolle. Demnach birgt eine Creme ein deutlich geringeres Risikopotential als Augentropfen oder eine parenterale Lösung. Die Anlage J des DAC geht auf die geforderte weitergehende Prüfung von Defekturarzneimitteln ein. Das Risiko einer Defektur wird aus den Risiken bei der Herstellung und den möglichen Risiken beim therapeutischen Einsatze am Patienten bestimmt. Wichtige Punkte innerhalb der Risikoabschätzung sind die Bestimmung der Probenahme, der Prüfmethode und die Art der Prüfung. Der Ermittlung der Anzahl der geforderten Probennahmen liegt folgende Formel zugrunde: 0,4√n.

Beispiel: Die Apotheke stellt 20 Cremes her, so müssen 1,78 – also zwei Kruken – zur Probennahme genutzt werden.

Laut NRF gelten folgende Rundungsregeln:

  • bis 1,49 – 1 Probe
  • 1,50 bis 2,49 – 2 Proben
  • 2,50 bis 3,49 – 3 Proben
  • > 3,50 – 4 Proben

Merke: Die Prüfmethode und das Ausmaß der Prüftätigkeit sind abhängig vom bestimmten Risikopotential des hergestellten Arzneimittels. Pauschale Angaben hierzu fehlen zumeist, sodass die Einstufung in eine der vier Risikoklassen individuell erfolgen muss. Die Anzahl der zu nehmenden Proben kann von Charge zu Charge unterschiedlich sein, da sie Größenabhängig ist.

Risikoklassen

  • Risikoklasse 1: Niedriges Risiko
    • Tees, Dermatika mit schwach wirksamen Arzneistoffen
  • Risikoklasse 2: Mittleres Risiko
    • Dermatika mit stark wirksamen Arzneistoffen
  • Risikoklasse 3: Hohes Risiko
    • Kapseln, Suppositorien, Augentropfen
  • Risikoklasse 4: Sehr hohes Risiko
    • Parenteralia, ggf. unkonservierte Augentropfen

Schritt 3: Herstellungsanleitung und Prüfanweisung

Anders als bei Rezepturen muss nicht nur die Plausibilität geprüft und eine Herstellanweisung erarbeitet werden, sondern es muss zusätzlich eine Prüfanweisung ausgearbeitet werden. Für elf Rezepturen bietet das NRF Prüfanweisungen an, da diese häufiger in der Apotheke vorkommen. Darunter das Hydrophile Aluminiumchlorid-Hexahydrat-Gel 15 / 20 Prozent (NRF 11.24.) und die Methadonhydrochlorid-Lösung 5 / 10 mg/ml (NRF 29.1.). Innerhalb der Risikoabschätzung wurden Parameter wie die Größe der Probennahme bereits festgelegt, sodass diese nun übertragen werden können. Die Prüfanweisung muss vom zuständigen Apotheker unterzeichnet werden.

Merke: Bei Defekturarzneimitteln müssen zusätzlich zu einem standardisierten Herstellungsverfahren eine Prüfanweisung und ein Prüfprotokoll mit analytischer Prüfung erstellt werden.

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