Menschen ab 60 Jahren nehmen durchschnittlich drei Medikamente ein. Doch mit fortschreitendem Alter verändert sich auch der Stoffwechsel des Körpers. Gewisse Arzneistoffe haben in der Selbstmedikation eine obere Altersgrenze, ab der die Abgabe verweigert werden muss. Einige Nebenwirkungen treten bei älteren Patienten häufiger auf, worauf im Beratungsgespräch hingewiesen werden muss.
Im Rahmen des Alterungsprozesses ändert sich die Zusammensetzung des Körpers im Hinblick auf den Wasser- und Fettanteil. Die Empfindlichkeit gegenüber einzelnen Medikamenten kann aufgrund verminderter Kompensationsmechanismen steigen, wodurch der Körper Blutdruckschwankungen nicht mehr so gut ausgleichen kann. Auch Nervenzellen werden im Alter empfindlicher, wodurch der Körper von Menschen ab 60 Jahren deutlich häufiger von Nebenwirkungen bei der Einnahme zentral wirksamer Medikamente betroffen ist.
Die Leistung der Organe verringert sich im Laufe des Lebens: Die Leistungsfähigkeit der Nieren nimmt bereits ab dem 40. Lebensjahr ab. Deutlich schneller und stärker verringert sich die Funktion des Organs bei Menschen mit Diabetes oder Hypertonie. Bei Medikamenten mit renaler Ausscheidung sollte deshalb die Dosis regelmäßig durch den behandelnden Arzt kontrolliert und angepasst werden.
Auch die Leber verliert im Laufe der Jahre an Leistung: Die Funktionsabnahme ist zwar weitaus geringer als die der Niere, jedoch gibt es einige Medikamente, deren Abbau von sehr speziellen Leberfunktionen abhängig ist. Die Folge ist eine verstärkte Wirkung der eingenommenen Medikamente im Alter.
Ältere Menschen ordnen vorliegende Beschwerden oftmals nicht als Nebenwirkung ihrer Medikamente ein, sondern glauben, dass es sich um eine Begleiterscheinung des Älterwerdens handelt. Wichtig ist es, den Patienten im Laufe des Beratungsgesprächs über diese zu informieren. Zu den häufigen Nebenwirkungen gehören generell Schwindel oder Benommenheit, Verwirrung, erhöhte Sturztendenz, trockener Mund, Übelkeit, Bauchschmerzen und Verstopfung, Probleme beim Wasserlassen oder Inkontinenz und Schlafstörungen.
Aufgrund einer unzureichenden Datenlage dürfen einige Wirkstoffe ab einem gewissen Alter nicht mehr abgegeben werden. Mögliche unerwünschte Arzneimittelwirkungen sind bei dieser Patientengruppe nicht ausreichend erforscht. Dazu gehört beispielsweise die Abgabe von Triptanen, welche innerhalb der Selbstmedikation ab einem Alter von 65 Jahren unzulässig ist.
Aufstellungen wie die Priscus-Liste geben einen Überblick über ungeeignete Medikamente für ältere Menschen. Enthalten sind 98 Wirkstoffe, die für ältere Menschen problematisch oder ungeeignet sein können. Patienten können mit ausgehändigten Broschüren selber prüfen, ob sie ein in der Liste aufgeführtes Medikament einnehmen. Doch auch innerhalb des Beratungsgespräches kann die Liste genutzt werden. Apotheker und PTA können gemeinsam mit dem Patienten den aktuellen Medikationsplan durchgehen und diesen mit der Liste abgleichen.
Drei wichtige Wirkstoffgruppen der Priscus-Liste sind Antidepressiva, Neuroleptika und Sedativa. Arzneistoffe aus diesen Wirkstoffgruppen weisen generell viele Neben- und Wechselwirkungen auf und werden im höheren Lebensalter aufgrund ihrer Wirkungsweise schlechter vertragen. Antidepressiva bewirken unter anderem, dass Serotonin oder Noradrenalin im Gehirn langsamer abgebaut werden. Viele dieser Botenstoffe haben aber auch außerhalb des Gehirns eine Funktion: So können unter der Einnahme von Antidepressiva gastrointestinale Nebenwirkungen auftreten. Neuroleptika hemmen die Signalübertragung von Dopamin im Gehirn, sodass ältere Menschen anfälliger gegenüber anticholinergen Nebenwirkungen sind und sich diese Medikamente negativ auf das Denk- und Konzentrationsvermögen auswirken.
Jeder vierte Wirkstoff in der Priscus-Liste gehört zu der Gruppe der Sedativa und Hypnotika. Die gängigen Schlaf- und Beruhigungsmittel verstärken die Wirkung des Botenstoffes Gamma-Aminobuttersäure (GABA), wodurch nahezu alle Hirnfunktionen gehemmt werden. Die Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit sinkt, die Bewegungskoordination nimmt ab und die Sturzgefahr steigt.
Nehmen ältere Menschen mehrere Arzneistoffe aus der Priscus-Liste ein, steigt die Gefahr schwerer Nebenwirkungen. Sie werden häufiger ins Krankenhaus eingewiesen als alte Menschen, die besser verträgliche Medikamente einnehmen. In den meisten Fällen lohnt sich ein genauerer Blick auf die Medikation, denn jeder Vierte erhält potentiell ungeeignete Medikamente.
APOTHEKE ADHOC Debatte