Faktencheck: Rezeptfälschungen Nadine Tröbitscher, 09.03.2018 10:34 Uhr
Original oder Fälschung? Am HV lassen sich manipulierte Rezepte in der Hektik des Alltags kaum erkennen. Geht jedoch eine unentdeckte Fälschung in die Abrechnung und wird dort als solche erkannt, bleibt die Apotheke auf den Kosten sitzen. Es lohnt sich also genauer hinzugucken. Den Faktencheck zum Download gibt's hier.
Das sind die üblichen Verdächtigen
Arzneimittel mit Missbrauchspotenzial können im Rahmen der Beschaffungskriminalität als Rezeptfälschungen auftreten. Die Täter verschaffen sich Drogen sowohl zum Eigengebrauch als auch zum Verkauf. In diesen Bereich fallen beispielsweise Benzodiazepine und Z-Substanzen. Auch bei Psychopharmaka und Antidepressiva wie Haloperidol, Fluoxetin oder Amitriptylin läuten die Alarmglocken. Der Dopaminagonist Pramipexol, der zur Behandlung der Parkinson-Krankheit eingesetzt wird, besitzt ebenfalls ein Missbrauchspotenzial, denn der Arzneistoff besitzt psychotrope und libidosteigernde Eigenschaften.
Zu den Klassikern gehören auch Schmerzmittel wie Tramadol, Tilidin oder Opiate. Suchtpatienten entdeckten den Pregabalin-Kick bei Überdosierung vor allem in Kombination mit Alkohol oder Methadon. Statt der maximalen Tagesdosis von 600 mg werden bis zu 7500 mg konsumiert. Besondere Aufmerksamkeit ist auch Verordnungen mit Wachstumshormonen gefragt. Vor allem Somatropin hatte in der Vergangenheit finanziellen Schaden in den Apotheken verursacht.
So erkennen Sie die Fälschung
Rezeptfälschungen können kopiert oder gedruckt sein. Wobei die Kopien immer professioneller werden und kaum noch zu erkennen sind. In einigen Fällen sind sie an Unstimmigkeiten in Bezug auf die Versichertendaten zu erkennen. Adressangaben können ganz fehlen oder das Geburtsjahr des Patienten nicht zweistellig aufgedruckt sein.
Auffällig ist eine Verordnung auch, wenn der Versichertenstatus nicht mit dem Alter des Patienten zusammen passt. So gilt der Status 1 für Versicherungspflichtige und -berechtigte, 2 für Familienversicherte und 3 für Rentner. Auch der Arztstempel wird von Fälschern manipuliert oder kann unvollständig sein. So kann es sein, dass die Telefonnummer nicht zur Praxis passt. Fehlt die Magnetcodierung am rechten unteren Rand des Muster-16-Formulars, kann es sich ebenfalls um eine Fälschung handeln.
Fälscher kommen zu bestimmten Tageszeiten
Rezeptfälscher versuchen ihr Glück bevorzugt an einem Mittwoch, im Notdienst, kurz vor Ladenschluss oder am Wochenende. Also immer dann, wenn Apothekenmitarbeiter keine Möglichkeit haben, mit dem Arzt Rücksprache zu halten und die Verordnung zu verifizieren. Manchmal sind die Fälscher am Habitus zu erkennen. Sie können beispielsweise unsicher auftreten oder hektisch wirken. Auch ist es schon vorgekommen, dass sie die Apotheke verlassen, wenn die Mitarbeiter nach hinten gehen um das Rezept genauer unter die Lupe zu nehmen.
So müssen Sie sich verhalten
Wurde die Fälschung erkannt, muss die Polizei informiert werden. Dies gilt auch, wenn die Urkundenfälschung erst im Nachhinein entdeckt wurde. Liegt der Apotheke das Rezept noch vor, sollte es sicher in Quarantäne gestellt werden, beispielsweise in einem Briefumschlag verpackt. Empfohlen wird auch die Namen der Kollegen zu notieren, die die Fälschung in den Händen hielten, dies kann wichtig sein, wenn auf Fingerabdrücke geprüft wird.
Im Zuge der kriminaltechnischen Ermittlungen wird bei Rezeptbelieferung auch die Krankenkasse über den Fall informiert. Wird der Apotheker nicht tätig und schaltet trotz eindeutiger Hinweise nicht die Polizei ein, kann dies rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Der Apotheker verstößt gegen § 17 Apothekenbetriebsordnung (ApoBetrO): „Das pharmazeutische Personal hat einem erkennbaren Arzneimittelmissbrauch in geeigneter Weise entgegenzutreten. Bei begründetem Verdacht auf Missbrauch ist die Abgabe zu verweigern.“ Auch § 21 ApoBetrO zur Abwehr von Arzneimittelrisiken ist berührt.
Kein Anspruch auf Erstattung
Rezepte müssen genauso wie Banknoten im Rahmen der Sorgfaltspflicht geprüft werden. Erkennt der Apotheker die Fälschung nicht oder hätte diese erkennen müssen, darf das Rezept nicht beliefert werden. Laut Arzneiliefervertrag Hessen § 3 Absatz 9 verlieren Apotheker den Anspruch auf Vergütung. „Die Krankenkassen sind nicht verpflichtet, Lieferungen aufgrund gefälschter Verordnungen zu bezahlen, wenn die Fälschung bei Wahrnehmung der erforderlichen Sorgfalt erkennbar war. Liegen Anhaltspunkte vor, die den Verdacht einer Fälschung begründen oder ergeben sich sonstige Bedenken, ist die Apotheke verpflichtet, das Mittel vorerst nicht abzugeben und den Arzt zu informieren.“
Aus diesem Grund halten sich die Verbände mitunter in der Kommunikation über aktuelle Rezeptfälschungen zurück.
Das droht den Tätern
Eine Rezeptfälschung kein Kavaliersdelikt, sondern Urkundenfälschung. Den Tätern droht laut Strafgesetzbuch (StGB) eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe, in besonders schweren Fällen kann eine Haftstrafe bis zu zehn Jahren verhängt werden.