Diclofenac: 75 mg SL ≠ 75 mg SL Nadine Tröbitscher, 10.06.2017 08:27 Uhr
Retard ist gleich Retard, sollte man meinen. Schaut man aber genauer hin, gibt es zum Beispiel bei Diclofenac Unterschiede in der Wirkstofffreisetzung. In solch einem Fall kann dem Rabattvertrag der Krankenkasse nicht entsprochen werden.
Diclofenac zählt zu den Schnelldrehern im Rx-Bereich in den Apotheken. Die Nase vorn hat Ratiopharm mit etwa 2,6 Millionen Verordnungen im Jahr 2015, gefolgt von 1A Pharma mit etwa 1,2 Millionen Verschreibungen. Weit abgeschlagen mit etwa 300.000 Verordnungen folgen Aliud und AbZ. Auch wenn das Gleiche draufsteht, ist nicht immer das Gleiche drin, so im Falle der Retardpräparate. Die Produkte unterscheiden sich in der Freisetzung des Wirkstoffes.
Diclo 75 mg SL von Ratiopharm beispielsweise enthält zwar 75 Diclofenac, jedoch nicht voll retardiert. In magensaftresistenter Form liegen 25 mg des Wirkstoffes vor, die verbleibenden 50 mg sind retardiert. Ein Teil des nichtsteroidalen Antirheumatikums (NSAR) flutet demnach schneller im Körper an. Das Präparat von 1A Pharma setzt 12,5 mg schnell frei und 62,5 mg verzögert. Kade und Microlabs haben Präparate ausschließlich mit verzögerter Freisetzung auf dem Markt.
Für den seit längerer Zeit generischen Wirkstoff bestehen Rabattverträge. Was also tun, wenn Ratiopharm verordnet ist und Microlabs der Rabattpartner der Krankenkasse ist? Apotheker können die Sonder-PZN 02567024 und den Faktor 6 „Nichtabgabe eines rabattbegünstigten Arzneimittels aufgrund Pharmazeutischer Bedenken“ aufdrucken. Die unterschiedliche Freisetzung des Wirkstoffes kann einen Einfluss auf die Therapie nehmen. So ist mit dem Produkt von Microlabs keine akute Schmerzstillung möglich, da der Arzneistoff verzögert freigesetzt wird. Ratiopharm hingegen kann mit der schnellfreisetzenden Menge von 25 mg den Wirkeintritt beschleunigen.
Faktor 6 kann auch eingesetzt werden, wenn trotz ausführlicher Beratung ein Austausch nicht möglich ist und die Compliance des Patienten gefährdet ist. Mögliche Gründe können schwierige Indikationen oder Wirkstoffe sein. Sind chronisch Kranke in ihrer Dauermedikation gut eingestellt und könnte eine Substitution die Therapie gefährden, ist ein entsprechender individueller Vermerk mit Datum und Unterschrift auf dem Rezept vorzunehmen. Besondere Patientengruppen, denen der Austausch schwer vermittelbar ist, können ebenso vom Faktor 6 profitieren. Wichtig ist, das lediglich das verordnete oder eines der drei günstigsten Arzneimittel oder ein Reimport abgegeben werden dürfen – und nicht das Wunscharzneimittel.
Diclofenac ist ein NSAR mit entzündungshemmenden, schmerzstillenden und fiebersenkenden Eigenschaften. Die Wirkung ist auf die Hemmung der Cyclooxygenase und die damit unterbrochene Prostaglandinsynthese zurückzuführen. Die Retardpräparate können ein- bis zweimal täglich mit einem großen Glas eingenommen werden. Sie dürfen dabei nicht zerkaut werden. Patienten mit einem empfindlichen Magen können das Medikament mit einer Mahlzeit einnehmen.
Probleme beim Austausch bereitet auch der zur Behandlung der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) eingesetzte Wirkstoff Tiotropium. Spiriva war das am häufigsten gegen die COPD verschriebene Medikament. Im August vergangenen Jahres bekam der Topseller Konkurrenz vom Generikahersteller Teva: Braltus wurde mit dem Inhalator Zonda in den Markt eingeführt. Beide Hersteller schlossen Rabattverträge, allerdings fehlt bei Spiriva der Inhalator – rabattiert ist nur der Nachfüllpack.