Ältere Kollegen berichten Berufsanfängern gerne von der Zeit vor den Rabattverträgen. Damals, als man noch abgeben konnte „was man wollte“. Hiermit meinen die erfahrenen Apotheker und PTA den möglichen Austausch von Hersteller oder Darreichungsform. Auch heute kann die Sonder-PZN für pharmazeutische Bedenken genutzt werden – doch die achtstellige Zahlenabfolge allein reicht nicht aus.
Es gibt mehrere Gründe, weshalb der Apotheker das Recht der begründeten pharmazeutischen Bedenken in Anspruch nimmt. Wollen Apotheker oder PTA die Bedenken geltend machen, so muss die Therapiesicherheit gefährdet sein – „kritisch“ ist das Schlüsselwort. Bedeutet: Der Arzneistoff, die Darreichungsform, das Therapiegebiet oder der Patient müssen kritisch sein.
Arzneistoff – Substitutionsausschussliste
Geringe therapeutische Breite führt zu schnellen Über- oder Unterdosierungen, sodass immer das gleiche Präparat abgegeben werden sollte. Stichwort „Substitutionsausschlussliste“ – in dieser Liste legt der Gemeinsame Bundesausschuss fest, für welche Wirkstoffe in der jeweils betroffenen Darreichungsform ein generelles Austauschverbot gilt. Teil B der Anlage VII zur Arzneimittel-Richtlinie enthält die dazugehörigen Wirkstoffe. Diese Arzneimittel sind also von der Austauschpflicht durch Rabattverträge ausgenommen – auch im Not- und Nachtdienst.
Darreichungsform – zu groß, zu bitter
Auch die Darreichungsform des verschriebenen Arzneimittels kann die Therapie gefährden. „Ich bin nicht gut im Tablettenschlucken“ oder „Kann ich die Kapseln auch öffnen und in Joghurt einrühren“ sind Sätze, die oft darauf hindeuten, dass das verordnete Mittel nicht ohne weiteres eingenommen werden kann. Um die Compliance nicht zu gefährden, ist es dem Apotheker gestattet eine für den Patienten annehmbare Form zu wählen. Auch, wenn gravierende Einnahmefehler aufgrund von Verwechslungsgefahr gegeben sind, kann der Apotheker intervenieren. „Die sehen ja exakt so aus wie meine anderen Tabletten, ich kann das jetzt schon nicht gut auseinanderhalten.“ Bei solchen Äußerungen sollten Apotheker und PTA aufhorchen und gegebenenfalls einen anderen Hersteller mit anderer Verpackung abgeben. Manche Patienten berichten auch offen darüber, dass es in der Vergangenheit zu Verwechselungen kam – dann sollte der Apotheker handeln und gegebenenfalls den Arzt mit ins Boot holen.
Patient – Grunderkrankungen berücksichtigen
An die Problematik mit der Darreichungsform schließt sich der Punkt „Patient“ nahezu nahtlos an. Oftmals führen andere Erkrankungen dazu, dass gewisse Darreichungsformen nicht geeignet sind. So kann ein Mensch mit Schluckstörungen keine großen Antibiotika-Tabletten einnehmen. Ebenfalls schwer wird es bei Allergien, Hilfsstoffe wie Laktose sind immer wieder ein Grund zum Austausch. Nicht zuletzt kann auch die Religion eine Rolle spielen. Spricht der Patient im Beratungsgespräch an, dass er Kapseln, die aus Gelatine bestehen, nicht einnehmen wird, so wäre es grob fahrlässig dennoch solch ein Präparat abzugeben. Im besten Falle spricht man mit dem behandelnden Arzt und weist ihn für die Zukunft auf die Problematik hin.
Den pharmazeutischen Bedenken steht oft die Angst vor Retaxierung im Wege. Aber Apotheker und PTA sollten nie vergessen: Gelingt es nicht, alle Fragen und Bedenken zur vorliegenden Verordnung auszuräumen, darf das Arzneimittel nicht abgegeben werden. Das regelt die Apothekenbetriebsordnung. Eine ausführliche Beratung kann sogar therapiegefährdende Faktoren aufdecken. So kann durch den Austausch mittels pharmazeutischer Bedenken die Compliance gestärkt werden. Oftmals wissen die Ärzte nicht, dass eine Tablette zu groß, oder aufgrund fehlender Dragierung zu schwer zu schlucken ist.
APOTHEKE ADHOC Debatte