Aus für raue Reibschale und 80 Prozent-Regel Alexandra Negt, 18.10.2019 14:34 Uhr
Die Kapselherstellung wird von vielen PTA routiniert durchgeführt. Bei anderen stellt sich mit der Vorlage einer Kapselverordnung zunächst die Frage, nach welcher Methode die Herstellung erfolgen soll. Es muss entschieden werden, ob ein reiner Wirkstoff verwendet werden kann, oder ob auf ein Fertigarzneimittel zurückgegriffen werden muss. In diesem Sommer hat das NRF die Kapsel-Herstellmethode B angepasst.
Die früher standardmäßig verwendete Reibschale mit passendem Pistill wird nicht mehr zur Homogenisierung empfohlen. Nach neuestem Stand soll eine Edelstahlschale zur Verreibung genutzt werden. Ist diese nicht in der Rezeptur vorrätig kann, auf eine Fantaschale zurückgegriffen werden. Schalen und Pistille mit glatter Oberfläche sind aus zwei Gründen zu bevorzugen: Erstens vergrößert sich das Volumen durch verminderte Teilchenzerkleinerung weniger und zum anderen entstehen weniger Rückstände in der Schale. Bei der Herstellung in der rauen Reibschale wurde diese zunächst mit Füllmittel ausgekleidet, um die kleinen Lücken des porösen Materials zu füllen. Dieser Schritt entfällt bei der Nutzung glatter Behältnisse.
Bislang wurde zum Auffangen des Kalibriervolumens nach Entleeren der Kapseln ein Blatt Papier empfohlen. Mit Hilfe des weißen Papiers wird das Pulver in den Messkolben überführt. Durch die weiße Farbe lassen sich Rückstände aber schlecht erkennen. Um diesen Vorgang zu optimieren, empfiehlt sich die Verwendung eines schwarzen Blattes. Laminiert man es zusätzlich ein, so kann es vor jeder Herstellung desinfiziert werden. Bislang ist kein Hilfsmittel in dieser Art verfügbar. Die Apotheke müsste eine gewisse Anzahl solcher Blätter eigenständig anfertigen.
Dronabinol Kapseln werden mit einer Schmelzmethode hergestellt. Die Herstellanweisung findet sich im NRF 22.7., zur leichteren Dokumentation stellt das NRF zusätzlich ein Herstellungs- und Prüfprotokoll zur Verfügung. Bionorica Ethics bietet auf der Internetseite Step-by-Step Videos zur Herstellung aller Dronabinol-Rezepturen als Hilfestellung an. Nach der Herstellung sind die Kapseln verschlossen bis zur Abholung durch den Kunden aufzubewahren, da es sich um eine betäubungsmittelhaltige Rezeptur handelt.
Um die geeignete Methode zu bestimmen, ist es notwendig, den Wirkstoffanteil in Bezug zum Füllmittel prozentual zu bestimmen. Folgende Methoden sind im NRF aufgeführt: Lösemethode, gravimetrische Methode, Methode A und Methode B unterteilt in Teil 1 und Teil 2. Das Zentrallaboratorium empfiehlt darüber hinaus bei niedrigen Dosierungen einen Wirkstoff-Produktionszuschlag: 5 Prozent Mehreinwaage sind generell zu empfehlen, 10 Prozent bei Kapseln mit einem Wirkstoffgehalt von unter 20 mg pro Kapsel.
Methode B wird in öffentlichen Apotheken mit am häufigsten angewendet. Nach ihr wird gearbeitet, wenn die Wirkstoffmasse weniger als 50 Prozent der Nennfüllmasse beträgt. Bei der Kapselgröße 0 sind das maximal 170 mg pro Einzeldosis, bei der Kapselgröße 1 maximal 125 mg pro Einzeldosis. Die Methode B wurde vor einiger Zeit in zwei Fälle unterteilt. Die Unterteilung legt fest, ob eine Vorverreibung des Wirkstoffes stattfinden muss. Fall 1 findet Anwendung, wenn die Wirkstoffmasse geringer als 1/100 der Kalibriermasse ist. Eine Verreibung von Wirkstoff mit Füllmittel muss vor der Herstellung erfolgen. Der Wirkstoff wird bis zum Einhundertfachen der Masse mit Füllmittel anteilig aufgestockt und unter häufigem Abschaben homogen verteilt. Nun kann direkt mit Füllmittel auf 100 Prozent aufgefüllt werden. Bei Fall zwei werden ungefähr 25 Prozent des Kalibriervolumens mit Füllmittel im Messzylinder vorgelegt, darauf wird der Wirkstoff gegeben. Abschließend kann auf 100 Prozent mit Füllmittel aufgefüllt werden. Die alte 80 Prozent Regel findet im NRF keine Anwendung mehr. So wird ein zusätzlicher Überführungsschritt in den Messzylinder eingespart.
Die Lösemethode ist bei sehr gering dosierten Kapseln anzuwenden (Masse des Wirkstoffes liegt unter 2 Prozent der Nennfüllmasse). Grob kann man sagen, dass bei der Kapselgröße 0 Kapseln bis circa 7 mg Wirkstoff pro Einzeldosis nach dieser Methode hergestellt werden. Bei Verwendung der Kapselgröße 1 werden Dosierungen von bis zu circa 5 mg pro Einzeldosis nach der Lösemethode hergestellt. Wichtig ist, dass der Herstellende die Löslichkeiten von Wirkstoff und Füllmittel beachtet.
Die gravimetrische Methode wird angewendet, wenn die Wirkstoffmasse maximal zehn Prozent der Nennfüllmasse entspricht. Bei der gewichtsbezogenen Herstellung wird ein Sollgewicht in Abhängigkeit von der Anzahl und der Größe der Kapseln ermittelt. Bei der Kapselgröße 0 wären die Maximalwerte circa 35 mg pro Einzeldosis und bei der Kapselgröße 1 circa 25 mg pro Einzeldosis. Nach der gravimetrischen Methode darf nur bei Verwendung des Standard-Füllmittels NRF S. 38 gearbeitet werden. Für andere Füllvarianten (Laktose, Saccharose) eignet sich die Methode nicht.
Die Methode A wird für alle Kapseln genutzt, die eine Wirkstoffmasse von mindestens 50 Prozent der Nennfüllmasse haben. In der Praxis findet diese Methode selten Anwendung. Hier stehen meist adäquate Fertigarzneimittel zur Verfügung. Bei Kapselgröße 0 kann nach dieser Methode ab 170 mg pro Einzeldosis und bei der Kapselgröße 1 ab 125 mg pro Einzeldosis gearbeitet werden. Diese Methode ist für alle Füllmittel und auch für die Kapselherstellung aus Fertigarzneimitteln geeignet.
Werden Kapseln aus Fertigarzneimitteln hergestellt, sollten keine Retardtabletten oder magensaftresistente Darreichungsformen verwendet werden. Der Rechenweg über die Anzahl der einzusetzenden Tabletten sollte im Vier-Augen-Prinzip abgeglichen werden. Um den Mittelwert des Tablettengewichtes bilden zu können, sollten mindestens 20 Tabletten auf der Analysenwaage gewogen werden. Die Herstellung aus Reinsubstanzen ist der Herstellung aus Fertigarzneimitteln stets zu bevorzugen. Grund hierfür sind industrielle Schwankungen beim Wirkstoffgehalt und der Tablettenmasse.