Interaktionen und Nebenwirkungen: Milch und Milchprodukte APOTHEKE ADHOC, 29.11.2019 14:38 Uhr
Dass manche Medikamente sich nicht mit Milch und Milchprodukten vertragen, ist vielen Patienten bekannt. Doch welche Medikamente sind genau betroffen und wie kommt es überhaupt zu der Wechselwirkung? Der Apo-Tipp klärt auf.
Genaugenommen müsste es nicht „Wechselwirkung mit Milch und Milchprodukten“, sondern „Wechselwirkung mit Calcium“ heißen: Denn der in den Milchprodukten enthaltene Mineralstoff ist für die Interaktion verantwortlich. Daher ist klar, warum neben der eigentlichen Milch auch Käse, Joghurt oder extrem calciumhaltige Mineralwasser in Kombination mit einigen Wirkstoffen tabu sind.
Calcium zählt zu den polyvalenten Kationen und kann im Magen mit verschiedenen Substanzen schwerlösliche Verbindungen, sogenannten „Chelate“ eingehen. Mittlerweile wird ebenso vermutet, dass auch das in der Milch enthaltene Casein solche Komplexe bildet. Die Folge: Die Wirkstoffe können nur schwer und meist in unzureichender Menge vom Körper aufgenommen werden und ins Blut gelangen. Das Medikament wirkt daher schlechter oder kann sogar unwirksam sein. Da die Wechselwirkung auch schon bei kleinen Mengen entstehen kann, ist es zwingend notwendig einen zeitlichen Einnahmeabstand von mindestens zwei bis drei Stunden einzuhalten.
Die bekannteste Milch-Wechselwirkung besteht mit verschiedenen Antibiotika. Dabei sind jedoch nicht, wie häufig verbreitet, alle Wirkstoffe betroffen. Lediglich bei Substanzen aus den Wirkstoffgruppen der Fluorchinolone, Gyrasehemmer und Tetrazykline besteht die Interaktionsgefahr: Vor allem bei Doxycyclin und Ciprofloxacin und ist sie besonders ausgeprägt. Je nach Wirkstoff kann die Dauer des Einnahmeabstandes unterschiedlich sein. Im Zweifelsfall bringt ein Blick in die jeweilige Packungsbeilage Klarheit.
Milchprodukte sollten zudem nicht mit Fluoriden eingenommen werden: Denn auch hier bilden sich unlösliche Verbindungen. Zudem besetzt Calcium in den Zähnen die gleichen Bindungen wie Fluor, sodass es nicht mehr gut aufgenommen werden kann. Gleiches gilt für Bisphosphonate, die bei Osteoporose eingesetzt werden. Betroffene versuchen häufig möglichst viel calciumreiche Lebensmittel zu sich zu nehmen, um den Tagesbedarf zu decken. Manchmal werden auch Präparate mit Calcium und Vitamin D als Supplement eingenommen. Steht Alendronsäure oder Risedronsäure auf dem Therapieplan, sollte hier jedoch unbedingt ein zeitlicher Abstand eingehalten werden, da die ohnehin schon schlecht verwertbaren Substanzen sonst völlig an Wirkung verlieren.
Ein weiteres Beispiel sind Schilddrüsenhormone: Nicht nur in Bezug auf andere Medikamente ist Levothyroxin empfindlich und besonders problematisch was Interaktionen angeht. Ebenso kann die zeitgleiche Einnahme vom in den Milchprodukten enthaltenen Calcium und Levothyroxin die Aufnahme des Schilddrüsenhormons hemmen. Obwohl grundsätzlich die nüchterne Einnahme am frühen morgen empfohlen wird, ist der Einnahmeabstand speziell zu Milchprodukten in diesem Fall auszudehnen. Vor allem bei der Schilddrüse können kleinste Dosisschwankungen Einfluss auf den Therapieerfolg nehmen. Daher sollte bei der Abgabe von Schilddrüsenhormonen immer auf die getrennte Einnahme hingewiesen werden.
Wichtig ist außerdem, den Patienten gezielt darauf aufmerksam zu machen, dass eben nicht nur einfache Kuhmilch, sondern auch die daraus hergestellten Milchprodukte zu den Interaktionen führen können. Häufig ist den Patienten dieser Zusammenhang nicht bewusst. Daher kann es sinnvoll sein neben der Milch auch Käse, Quark und Joghurt gezielt im Beratungsgespräch zu erwähnen, ebenso wie den Schluck Milch im Kaffee. Außerdem können verschiedene Säfte oder andere Getränke wie Mineralwasser zusätzlich mit Calcium angereichert sein – auch hier hilft ein Blick in die Zutatenliste.