Apotheker ärgert sich über Spahn

„Botendienst ohne Bezahlung? Haben wir was verpasst?“

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Berlin -

Das E-Rezept kommt – das wissen nicht nur die Marketingstrategen bei DocMorris und der ABDA, auch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) benutzt diesen Claim wörtlich. Um die Formulierungen im Glossar auf der Internetseite des Ministeriums gab es schon viel Aufregung. Das BMG sah sich zu einer Korrektur genötigt. Doch mit der neuen Erklärung macht das Ressort von Jens Spahn (CDU) auch nicht jeden Apotheker glücklich.

Im Glossar-Eintrag zum E-Rezept verweist das BMG zunächst auf die Möglichkeit der Video-Sprechstunde. Patienten könnten künftig auch online mit ihrem Arzt sprechen. In der ersten Fassung hieß es anschließend: „Wenn Ihre Ärztin oder Ihr Arzt Ihnen dabei ein Medikament verschreibt, erhalten Sie ein E-Rezept, das Sie in einer Online-Apotheke Ihrer Wahl einlösen können.“ Der Protest der Apotheker wurde in der Folge geliefert wie bestellt.

Und das BMG lenkte ein, in der überarbeiteten Fassung heißt es jetzt: „Die Arzneimittel kommen dann direkt per Botendienst zu Ihnen nach Hause. Das spart Zeit und Wege. Und macht vor allem die Behandlung mit Arzneimitteln sicherer.“ Ein eindeutiges Zugeständnis an die Apotheker vor Ort, deren Stärkung Spahn ja ein eigenes Gesetz widmen möchte. Wiederholt hat der Minister geäußert, dass die Kombination aus Plattform und Botendienst für die Apotheken ein wirksames Mittel gegen die Konkurrenz des Versandhandels sein könnten.

Roland und Elisabeth Nilles finden diese proaktive Bewerbung des Botendienstes von außen reichlich übergriffig: „Vollmundig verspricht unser Gesundheitsminister Fakten ohne mit den Beteiligten – den Apotheken – zu sprechen. Botendienst ohne Bezahlung. Oder haben wir hier Infos verpasst? Botendienst ohne Notwendigkeit. Mehr als 99 Prozent unserer Kunden ist ein Besuch der Apotheke möglich. Warum suggeriert das BMG dann diese Aussagen?“

Die beiden betreiben die Kronen-Apotheke in Freilassing, einer größeren Kleinstadt im Berchtesgadener Land nahe der österreichischen Grenze. Elisabeth Nilles erklärt, wie der Botendienst dort funktioniert: „Wir fahren gerne, wenn jemand bettlägerig oder krank ist oder das Wetter sehr schlecht ist. Aber nicht als kostenlose Regelleistung.“

Seit 27 Jahren betreibt das Paar die Apotheke. Und natürlich gab es auch immer einen Botendienst. Aber eben im Einzelfall, wenn der Kunde es benötigt. Denn der Botendienst sei ja nur eine von vielen kostenlosen Dienstleistungen, die die Apotheken anbieten. Und auf dem Land wird dann eben gerne auch noch für den Kunden der Müll mit rausgenommen oder bei der Post vorbeigefahren.

Das Team in der Kronen-Apotheke teilt sich die Fahrten auf, je nach Heimweg nimmt einer die Medikamente mit. Das komme aber nicht einmal jeden Tag vor. „Es ist doch auch gut, wenn die älteren Leute einen Grund haben, aus dem Haus zu gehen“, findet Nilles. Die Apotheke sei immer auch ein Raum für soziale Kontakte.

Unabhängig davon ist es natürlich auch eine finanzielle Frage. Apotheker Roland Nilles bezweifelt, dass man den Service gegen Gebühr anbieten könnte. Der kostenlose Botendienst ist zur Gewohnheit geworden und im Wettbewerb mit der Konkurrenz wäre es schwierig, plötzlich Geld dafür zu verlangen. In Freilassing gibt es sechs Apotheken. Früher waren es mal neun.

Gerade kleinere Apotheken könnte es sich gar nicht leisten, den Botendienst so massiv auszubauen, ist das Paar überzeugt. Genau das werde den Apothekern aber vom BMG nahgelegt. „Wer das sagt, stand noch nie vor einem Klingelbrett mit 100 Namen“, so Elisabeth Nilles.

Immerhin: Im E-Rezept-Glossar des BMG heißt es auch: „Natürlich können Sie das E-Rezept auch bei ‚normalen‘ Arztbesuchen erhalten. Und Sie können es auch in Ihrer Apotheke vor Ort einlösen. Das E-Rezept soll das klassische Rezept auf Papier nicht vollständig ablösen: Wer will, kann auch weiterhin das Papierrezept erhalten.“

Da der Botendienst jetzt eine Regelleistung der Apotheken ist, könnten die Krankenkassen aus Sicht vieler Apotheker auch für die Kosten aufkommen. Zumindest in begründeten Fällen wie bei der Bestellung von Rabattarzneimitteln sehen das laut einer aposcope-Umfrage aus dem Herbst 87 Prozent der befragten Apothekeninhaber so.

89 Prozent der Apotheker sind laut Umfrage überzeugt, dass nur wenige Kunden dazu bereit wären, für den Botendienst zu bezahlen. 80 Prozent können sich vorstellen, den Service ausbauen, wenn dies eine kostenpflichtige Serviceleistung ist. Da die Rabattverträge ihren Teil dazu beitragen, dass keine Apotheke jedes Rabattarzneimittel vorrätig hat, könnten sich die Kassen durchaus die Kosten für den Botendienst übernehmen. Auch die ABDA hatte gefordert, dass Ärzte die Zustellung verordnen und Apotheken diese abrechnen dürfen.

Allerdings sind sich die Apotheker auch im Klaren darüber, dass sie selbst in den Botendienst investieren müssen. Den Standortvorteil gegenüber den Versendern auszuspielen, ist aus Sicht vieler Apotheker die einzige Chance, um auch mit Einführung des E-Rezepts konkurrenzfähig zu bleiben. Mehr als Hälfte (52 Prozent) der Inhaber plant daher, in diesem Jahr den eigenen Botendienst zu stärken. 2020 könnte damit auch den Durchbruch für Apothekenplattformen bringen. 70 Prozent der Inhaber gaben bei der Umfrage an, sich einem Plattformkonzept anzuschließen.

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