Apotheker in der Fußgängerzone

Nicht apothekenüblich: Aufsicht stoppt Klima-Initiative

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Berlin -

Der Klimawandel hat Deutschland fest im Griff, alle reden über Greta und das Wetter. Doch langsam muss auch mehr getan werden, denken sich nicht nur die Schüler auf der Straße. Auch in deutschen Städten und Gemeinden wächst das Bewusstsein, dass Handlungsdruck herrscht. Doch oft steht hierzulande die Bürokratie im Wege, beklagt Apotheker Birger Bär. Er hat sich mit seiner Hirsch-Apotheke in Lörrach an einer Initiative der Stadt beteiligt – und wurde vom Regierungspräsidium Freiburg dafür abgemahnt. Also stellte er sich in die Fußgängerzone.

Eigentlich ist es ganz einfach: Mehr Menschen sollten statt eines eigenen Autos den öffentlichen Personennahverkehr nutzen. Das hilft nicht nur gegen verstopfte Innenstädte, sondern verringert auch den Schadstoffausstoß. Zumindest wenn man der Wissenschaft glaubt, ist das schließlich dringend notwendig. Die Stadt Lörrach am südwestlichsten Zipfel der Republik wollte da ihren Beitrag leisten: Auf Initiative von Oberbürgermeister Jörg Lutz führte sie im August ein sogenanntes Ein-Euro-Ticket für Bus und S-Bahn ein, das vier Euro kostet: vier Euro, vier Fahrten. Die Stadt subventioniert dazu den regionalen Verkehrsverbund RVL mit 380.000 Euro.

An rund 30 Verkaufsstellen in der 50.000-Einwohner-Stadt ist das anfangs als Klima-Ticket bezeichnete Billet seitdem erhältlich und wurde schon kurz nach Beginn der einjährigen Testphase zum Verkaufsschlager. Um die 7000 Tickets werden seit der Einführung monatlich verkauft. Doch um die Jahreswende verringerte sich die Zahl der Verkaufsstellen plötzlich: Denn sechs Apotheken in der Stadt hatten sich beteiligt, darunter die Hirsch-Apotheke von Birger Bär. Der Pharmazeut brennt für das Thema – mehr noch aber für die Haltung, sich nicht nur zu beschweren, sondern auch mal selbst etwas zu tun. „Es gibt nicht Gutes, außer man tut es“: Der Spruch von Erich Kästner sei sein Motto, sagt er.

Die Anregung, auch selbst einen kleinen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, kam aus der Familie: „Meine Tochter ist bei den Grünen und immer zu den Fridays-for-Future-Demos gegangen“, erzählt er. „Damit hat sie auch mich ein bisschen auf- und angeregt.“ Also begann er, die Tickets in seiner Apotheke zu verkaufen und sie gingen auch dort weg wie heiße Semmeln. „Einen 50er-Block haben wir in drei Tagen verkauft, im Schnitt waren es so 400 Tickets im Monat.“ Verdient hat er daran nach eigenen Angaben nichts. „Wir haben dafür lächerliche 3 Prozent Bearbeitungsgebühr erhalten, aber die war den Aufwand nicht wert.“

Schon damals sei ihm zu Ohren gekommen, dass manche seiner Mitbewerber in der Stadt mit der Aktion hadern. „Es gab ein paar Kollegen, die sich gefragt haben, ob wir das überhaupt dürfen“, erinnert er sich. Und tatsächlich: Mitte Dezember kam ein erstes Schreiben vom Regierungspräsidium Freiburg. Die Apotheken sollen Verkauf unterbinden, da es sich um keine apothekenübliche Ware handele. Pünktlich an Heiligabend dann kam ein Einschreiben von der Stadt, die sich der Forderung anschloss.

Wirkliches Verständnis haben sie dafür von Bär nicht erwarten können. Er fragt sich, warum es denn nicht möglich sei, wenigstens bis zum Ende der Testphase ein Auge zuzudrücken. „Aber das ist eben die Bürokratierepublik Deutschland“, sagt er. Dass es keinen Zweck hat, sich gegen die Anordnung zu wehren, war ihm sofort bewusst. „Formal haben die natürlich recht, da könnte ich nur mit irgendwelchen spitzfindigen Winkelzügen dagegen argumentieren. Aber das will ich nicht“, sagt er. Trotzdem oder gerade deshalb ließ ihn das Thema nicht los. „Ich lag da nachts im Bett und hab mich so geärgert, dass ich mir gesagt habe, ich bastele mir ein Schild und stell mich auf den Marktplatz.“

Gesagt, getan: Am 31. Dezember stand Bär in der Fußgängerzone nahe seiner Apotheke und verkaufte seine restlichen Tickets. 200 Stück wurde er in drei Stunden los. Rechtlich war das nicht zu beanstanden: Das Verkaufsverbot gilt nur für die Apothekenräumlichkeiten. Also hat er den Ape-Kleintransporter seiner Apotheke mit Plakaten dekoriert, auf denen er über das Verbot aufklärte – und erntete viel Verständnis von den Passanten. „Viele fanden es gut, manche haben aber auch gefragt, ob es mir nicht peinlich ist“, sagt er. Einen Fan hat er sich mit der Aktion auf jeden Fall gemacht: Den Lörracher Oberbürgermeister Jörg Lutz, der die Kampagne initiiert hat. „Als der Oberbürgermeister mich gesehen hat, kam er sofort hergerannt und hat ein Selfie mit mir gemacht.“

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