Streit um Dispensierrecht

„Du kannst gegen eine Hausapotheke nicht konkurrieren“

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Berlin -

In Österreich hält der Streit um dispensierende Ärzte unvermindert an. Die Pilichsdorfer Ärztin Andrea Man hat nun eine Interessenvertretung gegründet, um sich dafür einzusetzen, dass es künftig mehr von den sogenannten Hausapotheken gibt. In der Apothekerschaft machen sie sich damit natürlich keine Freunde – kriegen dafür aber Schützenhilfe von der Wettbewerbsbehörde.

Das Problem kennt man genauso auch aus Deutschland: In ländlichen Gemeinden gibt es noch einen Hausarzt, aber weit und breit keine Apotheke mehr. Während man hierzulande versucht, mit Rezeptsammelkästen die Versorgung sicherzustellen, setzt man in der Alpenrepublik auf die Ärzte vor Ort. Ist die nächste Apotheke mindestens sechs Kilometer entfernt, darf ein Landarzt einen Arzneimittelvorrat halten und dispensieren. Eröffnet eine öffentliche Apotheke, ist die Hausapotheke deshalb überflüssig und muss geschlossen werden – so die bisherige Regelung. Die führte in der jüngeren Vergangenheit bereits zu heftigen Streitgkeiten oder gar öffentlichen Protesten.

Für die Ärzte sind Hausapotheken aber oft noch mehr: nämlich ein willkommenes, oft sogar überlebensnotwendiges Zubrot. Fällt die Hausapotheke weg, weil in der Nähe eine echte Apotheke eröffnet, bedeutet das nicht selten das Ende der Praxis – gibt es nur eine im Dorf, dann auch das Ende der medizinischen Versorgung dort. „Kleine Ordinationen sind ohne Hausapotheke nicht mehr rentabel und daher unter Umständen auch nicht mehr nachbesetzbar. Und dies trifft insbesondere so genannte Einarztgemeinden“, schreibt die „Plattform Einarztgemeinde“, in der sich Mediziner zusammengeschlossen haben, um für ihre Forderung zu trommeln: Die Regierung möge ein Gesetz auf den Weg bringen, das Hausapotheken in Gemeinden mit nur einem Arzt uneingeschränkt ermöglicht.

Für die österreichischen Apothekerkammern ist das ein Albtraumszenario. Alleine in Niederösterreich wäre das das Ende von 42 Apotheken in Einarztgemeinden – fast jede fünfte Apotheke des Bundeslands. Weitere 122 Apotheken wären in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet, wenn in einer Distanz von weniger als sechs Kilometern ein Hausarzt beginnt, aus einer Hausapotheke heraus zu dispensieren, so die Apothekerkammer Niederösterreich. Im Burgenland sieht es aus Apothekersicht noch dramatischer aus: Von den 44 Apotheken im Bundesland würden 30 schließen müssen, prophezeit der dortige Kammerpräsident Dieter Schmid. „Du kannst gegen eine Hausapotheke nicht konkurrieren“, so Schmid.

Für die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung wären die Apothekenschließungen verheerend. „Nur die öffentliche Apotheke bietet mit ihrem breiten Leistungsspektrum an Arzneimitteln und Gesundheitsdienstleistungen eine vollwertige Versorgung der Bevölkerung“, so der niederösterreichische Kammerpräsident Peter Gonda. So würde eine echte Apotheke im Durchschnitt 6000 verschiedene Arzneimittel vorrätig halten, eine Hausapotheke hingegen nur rund 200. Mit der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung argumentieren allerdings auch die Ärzte. Besonders bei Akutfällen und Visiten würden Hausapotheken eine rasche und unkomplizierte Versorgung gewährleisten, so Ärztepräsident Christoph Reisner.

Mit dieser Auffassung hat er einen mächtigen Verbündeten: Die Bundeswettbewerbszentrale hat sich nämlich ebenfalls in die Debatte eingeschaltet. Seit sie sich im vergangenen Jahr für eine brutale Liberalisierung des Apothekenmarktes einsetzte, ist sie für viele Pharmazeuten ein rotes Tuch. Diesem Ruf wird sie im Apothekerlager nun erneut gerecht: In einer vergangenen Monat veröffentlichten Branchenuntersuchung zum Gesundheitswesen hat sie sich auch dem Streit um die Hausapotheken gewidmet und findet deutliche Worte, die noch über die Forderungen der Ärzte hinausgehen: Als Ergebnis der Untersuchung könne festgehalten werden, „dass die wettbewerbsrechtlich unterschiedliche Behandlung von öffentlichen Apotheken und ärztlichen Hausapotheken weder zur Verbesserung der Versorgungssicherheit noch zur Sicherstellung eines Qualitätsniveaus bei der Verabreichung von Medikamenten erforderlich ist“.

Vielmehr sei es so, dass der „weitaus größte Teil“ der in öffentlichen Apotheken verkauften Produkte nicht mehr wie früher in diesen Apotheken selbst hergestellt werde. „Somit ist ein Grund für die weitgehend exklusive Distribution von Medikamenten durch öffentliche Apotheken weggefallen. Es wird daher eine Deregulierung der Bestimmungen im Apothekengesetz betreffend ärztliche Hausapotheken empfohlen“, so die Wettbewerbsbehörde. Unterdessen geht die Plattform „Einarztgemeinde“ weiter auf Tour: beinahe wöchentlich veranstaltet sie Info- und Diskussionsabende, auf denen sie in der Bevölkerung für ihre Ziele trommelt. Auf die österreichischen Apotheker kommen politisch schwere Zeiten zu.

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