ApoRetrO – der satirische Wochenrückblick

Maßnahmen-Abo gegen Lieferengpässe

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Berlin -

Die Lieferengpässe nerven. Für die Apotheker sind sie anstrengend. Für ihre Kunden? Belastend. Für die Hersteller peinlich (und manchmal auch teuer). Aber nicht zu vergessen sind die Krankenkassen, die allgemein sehr ungern in die Kritik geraten. Weil sich die Ausfälle jetzt wirklich nicht mehr wegnuscheln lassen, sind die Kassen kurz davor, eigene Maßnahmen vorzuschlagen – inspiriert von einer Versandapotheke.

Die Krankenkassen wollten ich im ersten Schritt gegen die grassierende Mär zur Wehr setzen, ihre geliebten Rabattverträge hätten etwas mit den Engpässen zu tun. Also wurde analysiert, dass die Verträge im Gegenteil zu mehr Versorgungssicherheit führen, weil ja jeder weiß, was er wann nicht hat. Ausfälle sind also eine Frage der Planung.

Und da kommt die Idee eines Versenders ins Spiel: Wie wäre es mit Abos? Wiederkehrende Bestellungen für Chroniker, verlässlich ausgeliefert von wem auch immer. Engpass Adé. Oder noch besser: Politische Maßnahmen gegen Lieferdefekte im Abo: Jeden Monat eine neue Vorgabe für die Apotheken, dann lässt es sich auch schrittweise umsetzen und es kommt kein neuer Ärger auf.

Zum Beispiel: Im Defektfall entfällt die Bonpflicht. Über die regen sich doch die Apotheker sowieso immer so auf (sind ja keine Bäcker). Warum nicht hier etwa Entlastung schaffen? Im Februar dann als zweite Maßnahme: Saisonale Arzneimittelversorgung – und zwar am besten antizyklisch. So kann garantiert werden, dass die Arzneimittel immer zur Hand sind.

Und schließlich: Ein Abgabeverbot für Lieferdefekte. Eine weitere Studie der Kasse hat nämlich ergeben, dass Arzneimittel nicht nicht verfügbar sei können, wenn sie gar nicht abgegeben werden. Verbietet man also die Abgabe nicht lieferbarer Medikamente, ist die BfArM-Liste plötzlich leer. Großhändler und Apotheker müssten natürlich mit einer Meldepflicht beschwert werden, damit der nicht vorhandene Engpass auch dokumentiert wird.

In dieser Woche besteht besonderer Bedarf, an dieser Stelle kurz aufzuklären, dass das keine echten Vorschläge der Kassen sind. Sonst bekomme ich wieder zu viel Post, ob das denn stimmt und so. Nein, stimmt nicht. Und dieser Hinweis ist deshalb so nötig, weil in dieser Woche über so manches berichtet wurde, das selbst nicht so ganz glaubhaft klingt. Nehmen Sie den Abo-Teil dieser Geschichte: Zum Beispiel die Tatsache, dass man sich bei der Shop-Apotheke Adventskalender im Monatsabo bestellen kann – oder eine (respektive zwölf) Nagelscheren sowie eine ganze Reihe für gewöhnlich eher punktuell benötigter Arzneimittel.

Aber auch an den zitierten Kassenmaßnahmen ist ein Körnchen Wahrheit. Dass man im Hause GKV die Rabattverträge nicht für ursächlich für die Lieferengpässe hält, sondern im Gegenteil für ein Mittel dagegen, ist ja erstmal nicht neu. Dass die Hersteller widersprechen, ist auch nicht weiter überraschend. Der Grund für die Engpässe aus Kassensicht: Produktions- und Qualitätsprobleme der Hersteller, die insbesondere durch die Verlagerung in sogenannte Billiglohnländer bei gleichzeitiger Lieferantenkonzentration zustande kommen. Das Mittel dagegen: Transparenz und volle Lager. Auch die Apotheken sollen alle Engpässe melden müssen und weil diese Listen allein keine Ausfälle verhindern, soll es eine verpflichtende Lagerhaltung geben. Okay, als akute Lösung eher nicht zu gebrauchen, aber langfristig könnte das sogar helfen. Allerdings müssten die Kassen dann auch bereit sein, die Überkapazitäten und den zwangsläufigen Verfall zu finanzieren.

Der Gesetzgeber will das Engpass-Problem nun selbst angehen, ironischerweise werden die Regelungen ins Faire-Kassenwahl-Gesetz gepackt. Apotheker sollen danach künftig nicht lieferfähige Verordnungen nach „angemessenere Frist“ mit verfügbaren wirkungsgleichen Arzneimitteln austauschen dürfen. Keine 24-Stunden-Frist mehr, weg mit den allzu rigiden Austauschregel nach dem Rahmenvertrag. Eventuelle Mehrkosten beim Arzneimittelaustausch aufgrund von Lieferproblemen müssen nicht mehr die Patienten, sondern die Kassen tragen.

Und dann war in dieser Woche mal wieder Kooperationsgipfel in München, inklusive ADHOC-Vorabend mit dem wie immer großartigen Dr. Theo Pham. Hier gibt’s Bilder vom BVDAK-Gipfel und hier den Impf-Appell des Vorsitzenden Dr. Stefan Hartmann. Der ist nach eigener Aussage ein zu emotionaler Mensch, um sich in seiner Begrüßungsrede nicht nicht über die ABDA aufzuregen. Viel harmonischer ging es beim Battle of the Plattformen zu: IhreApotheken vs. Pro AvO klang zwischenzeitlich nach Hochzeitsplanung. Die Initiative Pro AvO will demnächst ihre eigene Plattform vorstellen. Der Thomapyrin-Test in Frankfurt hat geklappt, auch wenn keiner wissen will, wie viele Packungen denn nun wirklich in zwei Stunden an Kunden mit sehr akuten Kopfschmerzen ausgeliefert wurden.

Pünktlich zum Kooperationsgipfel gab es eine neue Kooperationsstudie der Kollegen von aposcope. Und die hat unter anderem ergeben, dass sich viele Apotheker von ihrem Verbund ein stärkeres politisches Engagement wünschen würden. Doch obwohl die allermeisten Apotheker laut Studie Kooperationen gerade heute für sehr wichtig halten, klappt es nicht in jedem Einzelfall. Ein easy-Apotheker schmeißt sich selbst raus, indem er die Vorgaben seines Verbunds einfach nicht mehr umsetzt. Dass die Systemzentrale das nicht hinnehmen kann, ist klar, könnte ja sonst jeder machen. Aber ob es imagefördernd ist, ein eigenes Mitglied aus Rache vor Gericht zu zerren, weil ein „e.K.“ auf dem Flyer vergessen wurde, müssen Sie easy fragen.

Eine andere Zusammenarbeit hat für ein bisschen Aufregung gesorgt: Noventi koorperiert jetzt mit Zava, formerly known as DrEd. Das nicht ganz von der Hand zu weisende Argument: Anamnese und Behandlung in der Praxis sind besser, aber wenn Online-Ärzte Rezepte ausstellen dürfen, sollten ihre Patienten diese zumindest leicht in einer Apotheke vor Ort einlösen können. Oder wie Professor Dr. Dr. Dr. Jivka Ovtcharova es allgemein sagt: „Was ich in Deutschland am meisten kritisiere, ist die fehlende Flexibilität und Bereitschaft für Veränderung. Das ist hochgefährlich. Alle reden davon, dass Digitalisierung wichtig ist, aber niemand will sich verändern.“

Noventi kooperiert aber nicht nur mit Zava, sondern hat auch Entwicklungshilfeminister Dr. Gerd Müller (CSU) als Schirmherr für ein grünes Projekt gewonnen. Alle Apotheken sollen klimaneutral werden – und zwar nicht durch Schließung. Diese drei haben vorgelegt. Wie das geht, können Sie hier nachhören.

Und zum Schluss, kein Wochenrückblick derzeit ohne Covid-19, formerly known as Coronavirus. Die Fallzahlen steigen und die Hersteller bangen um ihre nach China verlagerte Produktion. Hier drohen neue Engpässe. Ein Analyst fasst die Situation so zusammen: „Bisher sind wir immer davongekommen, vielleicht auch diesmal.“ Kein sehr versöhnlicher Abschluss. Trotzdem: Schönes Wochenende!

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