Zusatzverkäufe: Achtung Neider! Eva Bahn, 22.06.2018 14:44 Uhr
Am Thema Zusatzverkäufe scheiden sich die Geister. Um einen florierenden Betrieb aufrecht zu erhalten, sind sie unumgänglich. Doch Mehrverkäufe von Medikamenten sind vom ethischen Gesichtspunkt aus auch umstritten. Welche Maßnahmen zur Steigerung des OTC- und Nichtarzneimittel Abverkaufs sind in den Apotheken sinnvoll?
Das Marktforschungsinstitut Insight-Health ermittelt alljährlich die OTC-Umsätze und Abverkaufszahlen. In den Vor-Ort-Apotheken stagnierten sie im vergangenen Jahr, die Versandapotheken wuchsen in diesem Bereich zweistellig. Woran liegt das? Viele Verbraucher orientieren sich bei ihren Einkäufen natürlich am Preis. Dieser liegt in den stationären Apotheken im Schnitt 8 Prozent unter der Unverbindlichen Preisempfehlung (UVP), bei Versandapotheken dagegen 34 Prozent darunter.
Doch der Preis des Einzelproduktes ist nicht alleine ausschlaggebend für den Wert des Einkaufskorbes. Bei der Bestellung im Internet findet sich nach jedem angeklickten Produkt eine Zusatzempfehlung. Der Satz „Kunden, die sich für dieses Produkt interessierten, kauften auch...“ reicht – kombiniert mit einer Bilderserie anderer Artikel – beim Käufer oftmals aus, um weitere Dinge zu erwerben.
In vielen Apotheken tun sich die Angestellten schwer damit, den Kunden zusätzliche Produkte zu empfehlen. Apotheker und PTA sehen sich in erster Linie als Heilberufler und nicht als Verkäufer. Um den Umsatz anzukurbeln, werden daher in manchen Betrieben von der Apothekenleitung Preise ausgelobt, wenn besonders viele Zusatzverkäufe vom Personal generiert werden konnten. Doch ist das ethisch überhaupt vertretbar?
Es kommt natürlich immer darauf an, was dem Kunden empfohlen wird. Der Zusatzverkauf einer Nasendusche für heuschnupfengeplagte Patienten beispielsweise ist sicherlich nicht zu beanstanden. Verkauft die PTA allerdings einem offensichtlich von Nasenspray abhängigen Kunden die 100ml Flasche Olynth, obwohl er eigentlich nur ein 10ml Dosieraerosol erwerben wollte, dann gibt es ethisch gesehen ein Problem.
Weitere Schwierigkeiten tun sich in Teams auf, wenn die ausgelobten Preise immer der gleichen Person zugutekommen. Eine Vollzeitkraft wird grundsätzlich mehr Zusatzverkäufe generieren können als die PTA mit 20 Wochenarbeitsstunden. Dazu kommt: Um manche Kunden könnte sich in der Apotheke gerissen werden, weil bekannt ist, dass sie gerne mal noch eine Tagescreme zusätzlich mitnehmen. Andere werden dagegen nur noch halbherzig bedient, wenn „nur“ die Rezepte eingelöst werden sollen. Das schafft Unfrieden im Team.
Eine Lösung wäre, bei den durch die Leitung honorierten Zusatzverkäufen bestimmte Produktgruppen auszusparen. Medikamente, die abhängig machen, oder starke Nebenwirkungen hervorrufen können, gehören ganz sicher zu den Artikeln, die nicht durch gezielten Mehrverkauf gefördert werden sollten. Eine Belohnung für erhöhte Zusatzverkäufe wäre besonders förderlich für die Zusammenarbeit im Team, wenn sie an alle vergeben wird. Ein Kinoabend, ein Bowlingtag oder gemeinsam Essen gehen – der Fantasie ist dabei keine Grenze gesetzt. Das stärkt den Teamgeist und die Apothekenkasse gleichermaßen.