PTA-Schule digitalisiert Unterricht

„Wir haben für jedes Szenario eine Lösung“

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Berlin -

Die Völker-Schule in Osnabrück ist seit knapp einem Monat geschlossen. Der Unterricht wurde digitalisiert. Auf die Technik sei Verlass, berichtet Schulleiter Burkhard Pölzing. Das gelte auch für die Schüler – die seien sogar noch ein Stück motivierter als sonst. Den Lehrkräften und angehenden PTA macht das eLearning Spaß. Sich auf dem aktuellen Stand auszuruhen und auf die Wiedereröffnung der Schulen zu warten, sei laut Pölzing der falsche Weg. Deshalb haben die Lehrkräfte gemeinsam Herangehensweisen für verschiedene Szenarien ausgearbeitet wie es – je nach Vorgaben der Regierung – weitergehen kann.

Auch in der Völker-Schule in Osnabrück sind die Klassenzimmer leer. Die Übungsapotheke und die Labore wurden nun seit knapp vier Wochen nicht mehr genutzt. Nachdem die Schulschließungen bekannt gegeben wurden, musste der Übertrag des Unterrichts in die digitale Welt relativ rasch erfolgen. „Um alle technischen Herausforderungen gut meistern zu können, haben wir einen eigenen Fachinformatiker an der Völkerschule angestellt,“ so Pölzing. „Wir haben so viel wie möglich digitalisiert.“ Die praktischen Übungen aus dem Labor wurden in Aufgaben übertragen, die die Schüler gemeinsam mit den Lehrkräften im virtuellen Klassenzimmer besprechen können.

26 virtuelle Klassenzimmer

Der Online-Campus der Schule ist groß, da neben der PTA-Ausbildung auch noch andere Ausbildungen angeboten werden. „Die gesamte Völkerschule hat nun 26 digitale Klassenräume. Der Unterricht für die PTA-Schüler startet, analog zum normalen Stundenplan, morgens um acht,“ erzählt Pölzing, dem das Unterrichten vom Computer aus gut gefällt. „Das Unterrichten auf diese Art und Weise macht wirklich Spaß und die Schüler sind hochgradig motiviert. Ich habe sogar das Gefühl, dass die Präsenz noch ein kleines bisschen besser ist als sonst.“

Analysen erfolgen nun digital

Der eigentliche Stundenplan wurde beibehalten. Galenik- und Chemiepraktika werden nun theoretisch besprochen. Hier sei Raum und Zeit für ausführliche Rezeptur- und Versuchsbesprechungen entstanden. „Das Einzige, was sich geändert hat, sind die Pausenzeiten. Diese werden ab und an eingefügt, damit Lehrkräfte und Schüler mal kurz durchatmen können.“ Was das Fach Drogenkunde angeht, so hat die Völkerschule sich dazu entschlossen, die Analyse von Teedrogen mit Hilfe von Fotos zu ermöglichen. „Eine Lehrkraft ist vergangene Woche nochmal in die Schule gefahren und hat alle Teemischungen abfotografiert. So können die Schüler diese nun digital analysieren.“ Nur die Geschmacksprobe muss dann ausbleiben.

Zu Beginn waren Schüler und Lehrer skeptisch, ob diese technische Herausforderung auf die Schnelle gemeistert werden kann, doch die Angst war unbegründet: „Die technische Zuverlässigkeit ist grandios. Alle Lehrer und Schüler können an dem Projekt teilnehmen.“ Nach den ersten Wochen sind alle sehr zufrieden mit der Lösung. Dennoch, gibt Pölzing zu bedenken, sei es ein dynamischer Prozess in dem sich die Schulen gerade befinden und man dürfte sich nicht auf der aktuellen Lösung und der aktuellen vorherrschenden Situation ausruhen. „Wir stellen uns auf alles ein, was da kommt,“ erklärt Pölzing zuversichtlich. Seit Mitte März sitzt er mit den Kollegen zusammen und überlegt, welche Wege man gehen kann, um die Ausbildungsqualität und den rechtzeitigen Abschluss nicht zu gefährden. „Wir haben beispielsweise Modelle entwickelt, wie man die praktischen Prüfungen ins Theoretische überführen könnte. Ob dies zulässig ist, hängt an den hier zuständigen Behörden.“ So könne gewährleistet werden, dass die Oberstufe ins Praktikum entlassen werden könnte.

Die Völker-Schule erarbeitet fortlaufend Lösungsansätze wie man beim Thema „Corona-Krise und Ausbildung“ reagieren könnte. „Wir nutzen auch die Osterferien, um uns mit den Lehrkräften weiter abzustimmen, wie man in Zukunft mit der Situation umgeht. Wir müssen für jedes Szenario eine Lösung parat haben und das haben wir auch. Egal ob die Schulschließungen vorerst beibehalten werden, oder es zu einer abgestuften Lockerung der Ausgangsregeln kommt.“ Einfach nur abzuwarten, hält der Schulleiter für den falschen Weg. Ob es zur stufenweisen Lockerung der Ausgangsbeschränkungen kommt oder die Schulschließungen noch Wochen anhalten – die PTA-Schule will vorbereitet sein.

Mehr Gestaltungsfreiraum gewünscht

Was den Schulen laut Pölzing fehlt, ist Freiraum bei Entscheidungen: „Wir bräuchten einen Gestaltungsfreiraum, der es uns erlaubt, von dem eigentlichen Prüfungsverfahren abzuweichen.“ So sei es ihm zufolge durchaus möglich, die praktischen Prüfungen angemessen ins Theoretische zu überführen, sodass die angehenden PTA pünktlich zum 1. August in das halbjährliche Praktikum entlassen werden könnten. Denn eins dürfte nicht vergessen werden: „Um die Bevölkerung weiterhin mit Arzneimitteln sicher versorgen zu können, ist es wichtig, dass die Schüler ab August ins Praktikum gehen können.“

„Sollten die Prüfungen stattfinden, so werden wir alles dafür tun, die Gesundheit der Schüler und Lehrkräfte zu schützen. Das bedeutet dann auch Abstandsregeln einzuhalten.“ Das würde jedoch auch bedeuten, dass mehr Klassenräume mit mehr Lehrkräften zu Verfügung stehen müssten. Jeder Raum müsste schließlich beaufsichtigt werden.

Langzeitlösung vorhanden

„Je nachdem, wie lange die Pandemie anhält sind wir in der Lage einzelne Präsenzphasen für die praktischen Fächer einzubauen“, denn Pölzing ist bewusst, dass der Ausfall der Praktika zu einem Qualitätsverlust der Ausbildung führen könne – zumindest bei der Unterstufe oder gar bei den ab Sommer neu beginnenden Schülern. Um dieses Defizit auszugleichen, könnten einzelne Präsenzphasen eingebaut werden: „Es könnte vier Tage lang online unterrichtet werden und am fünften Tag könnte eine Präsenzphase eingebaut werden.“ Die Aufteilung des Gebäudes ließe das Unterrichten einer Klasse pro Tag – aufgeteilt in Gruppen – zu. „Um den Sicherheitsabstand zu wahren, könnte eine Schulklasse pro Tag in der Schule erscheinen. Diese könnte in drei Gruppen aufgeteilt werden, sodass Galenik, Chemie und Drogenkunde parallel gelehrt werden können,“ erläutert Pölzing.

Corona als Chance

So einschneidend die Pandemie aktuell fürs Land sei, so seien die Schulschließungen auch eine große Chance für das digitale Lernen: „Es ist ein dynamischer Prozess, in dem wir uns befinden. Für das ganze Thema eLearning ist die Corona-Krise auch eine große Chance. Die Völkerschule wird das digitale Lernen als Thema weiterverfolgen.“ Zu Beginn würde die Umgestaltung natürlich einen Mehraufwand an Arbeit bedeuten, Pölzing ist jedoch überzeugt davon, dass sich der Aufwand lohnt. „Tendenziell ist es für die Lehrkräfte aktuell mehr Arbeit als vor den Schulschließungen,“ erzählt der Schulleiter – viele zusätzliche Arbeiten würden jedoch im fortlaufenden Prozess wegfallen – irgendwann sind alle Skripte und zahlreiche andere Aufgaben und Übungen digitalisiert, dann könnte man davon auch zukünftig profitieren.

Pözing ist der Ansicht, dass ein verfrühtes Öffnen der Schulen nach kurzer Zeit zu neuen Problemen führen könnte: „Wenn der Schulbetrieb zu früh wieder aufgenommen wird, dann hat man auch nichts gewonnen. Sobald der erste Schüler positiv auf Corona getestet wird, müssten alle Mitschüler 14 Tage in Quarantäne.“ Da wäre es sinnvoller ein einheitliches System zu fahren und vorerst beim Online-Campus zu bleiben.

Zeit vor der Schließung

Auch als der Schulbetrieb noch lief, stellte sich die Völker-Schule schnell auf die neuen empfohlenen Verhaltensregeln ein. Es wurden zahlreiche Desinfektionsmittelspender an gut sichtbaren Stellen aufgebaut. Als kein Händedesinfektionsmittel mehr bezogen werden konnte, wurden die eigenen Labore genutzt. „Wir haben in unseren Laboren auch Desinfektionsmittel hergestellt“, erzählt Pölzing. Zusätzlich habe man auf erhöhte Reinigungsfrequenzen gesetzt: „Die Reinigungskräfte sind mehrmals täglich durch das Gebäude gelaufen und haben alle Türklinken desinfiziert.“ Die Schüler wurden angehalten Abstand zu wahren – soweit dies möglich war. Zusätzlich dazu ergriffen die Lehrkräfte weitere Maßnahmen: „In den letzten Tagen vor den Schulschließungen haben wir auch Temperaturmessungen bei den Schülern vorgenommen. Einen Tag mussten zwei Schüler aufgrund von erhöhter Temperatur wieder heimgeschickt werden. Es handelte sich in beiden Fällen nicht um Corona, sondern um einen anderen Infekt.“

Japan als Vorbild

Seit 16 Jahren wird zwischen der Völker-Schule Osnabrück und dem japanischen Century College Kanazawa eine Partnerschaft gelebt. In Japan gehören Abstandsregeln, Händedesinfektion und Mundschutz seit Jahren zum Straßenbild. Schüler, die am Austauschprogramm teilgenommen haben, berichten davon, dass die Maßnahmen, die aktuell auch in Deutschland umgesetzt werden sollen, dort zum Alltag gehören. Das Tragen eines Mundschutzes sei Normalität – jeder Bürger, der unter einem Infekt leidet, setzt selbstverständlich eine Maske auf, bevor er das Haus verlässt. Pölzing ist der Meinung, dass man von der japanischen Verhaltensweise noch einiges lernen könnte und hofft, dass das Tragen eines Mundschutzes während der Pandemie bald auch in Deutschland als sinnvolle Maßnahme angenommen wird.

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