Die Politik zieht sich in Nordrhein-Westfalen (NRW) aus der Finanzierung der PTA-Ausbildung zurück und die Apotheker sollen einspringen. Nur wie? Derzeit werden verschiedene Modelle diskutiert. Am Montag waren die Kammerpräsidenten Gabriele Overwiening (Westfalen-Lippe) und Lutz Engelen (Nordrhein) zu einem weiteren Gespräch bei Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Bündnis 90/Die Grünen). In Westfalen-Lippe ist das Thema derweil zum Zankapfel zwischen Apothekerkammer und -verband geworden. Bei der heutigen Kammerversammlung dürfte sich die Stimmung entladen.
Bislang – zuletzt für den Jahrgang 2013/2015 – wurde die PTA-Ausbildung mit monatlich 73 Euro pro Schüler vom Land unterstützt. Rund 10 Prozent der Kosten von insgesamt etwa 300 Euro im Monat pro Schüler kamen außerdem von den Apothekerorganisationen. Den Großteil der Ausbildungskosten zahlen die PTA-Schüler selbst: rund 200 Euro pro Monat. Die Höhe der Gebühren unterscheidet sich je nach Schule.
Da das Land seine Förderung komplett gestrichen hat, mussten vielerorts die Schulgelder erhöht werden. Die Apotheker befürchten, dass nun noch weniger Nachwuchs nachrückt. Auch die Qualität der Absolventen dürfte kaum steigen, wenn sich die besten Schulabgänger attraktivere Ausbildungsplätze aussuchen können, bei denen sie nicht auch noch Geld mitbringen müssen.
Ein Lösungsvorschlag der Apotheker sah vor, die Ausbildung der angehenden PTA umzustellen: Bei dem sogenannten Verzahnungsmodell sollte das Praktikum auf die gesamte Ausbildungszeit verteilt werden, statt wie bislang am Stück nach der schulischen Ausbildung abgeleistet zu werden. Die Schüler würden pro Woche etwa neun Stunden in der Apotheke arbeiten. Die Ausbildungskosten sollten die Apotheken übernehmen und den Schülern außerdem ein Taschengeld zahlen. Die Ausbildungszeit soll weiter zweieinhalb Jahre betragen.
Mit diesem Vorschlag haben Engelen und Overwiening bei Steffens vorgesprochen. Auch die Schulleiter der PTA-Schulen waren von der Idee überzeugt, da die angehenden PTA auf diese Weise frühzeitig Erfahrungen in der Offizin sammeln könnten. Doch die Politik hat rechtliche Bedenken: Die bundesweit geltende Ausbildungsverordnung für PTA sehe zwingend eine Reihenfolge von schulischer Ausbildung und Praktikum vor, das Verzahnungsmodell sei damit nicht möglich. Bei einer etwaigen Gesetzesänderung würde Ministerin Steffens die Apotheker aber unterstützen.
Auch mit einem anderen Vorschlag, die Ausbildung in die Berufskollegs zu verlagern, sind die Apotheker wieder im Ministerium gescheitert. Bei diesem Modell würde das Land die Kosten übernehmen, weder Schüler noch Apotheker müssten einspringen. Doch Steffens ist davon nicht überzeugt: Die PTA-Ausbildung würde dadurch nur noch teurer, eine Verlagerung also nicht funktionieren, wurde den Kammerpräsidenten mitgeteilt.
Bei der Kammer Westfalen-Lippe (AKWL) favorisiert man ein drittes Konzept: Demnach sollen die Schüler ein Darlehen erhalten, das ihnen zum Teil oder ganz erlassen werden könnte, etwa wenn sie Prüfungen bestehen oder in einer Apotheke in Westfalen-Lippe arbeiten. Die Finanzierung müsste aus Sicht der Kammer zu großen Teilen der Verband übernehmen, er könnte aber andere Arbeitgeber wie die Industrie dazu ziehen.
Aus Sicht des Apothekerverbands Westfalen-Lippe (AVWL) bietet dieses Modell den Schulen aber keine sichere Perspektive, da die ausgezahlte Summe weiter von der Schülerzahl abhinge – diese aber womöglich weiterhin rückläufig bleibe.
Neben dieser langfristigen Debatte streiten Kammer und Verband aber auch um die kurzfristige Finanzierung der Schulen in Castrop-Rauxel, Gelsenkirchen, Paderborn und Siegen. Im Mai hatte sich der Trägerverein PTA-Fachschule Westfalen-Lippe an den Apothekerverband gewandt. Das Problem: Die Schülerzahlen sinken und damit auch die Einnahmen des Vereins. Die Kosten für die Ausbildung bleiben aber nahezu gleich hoch. Der Verband hat den Trägerverein daraufhin nach eigenen Angaben mit knapp 890.000 Euro unterstützt. Damit sollen der jetzt beginnende Jahrgang 2015/2017 und die mögliche Abwicklung danach finanziert werden.
Mit dieser Finanzspritze sind dem Verband zufolge aber die eigenen Reserven aufgebraucht. Der Betrag sei das Maximum, das eine Organisation mit freiwilliger Mitgliedschaft für eine Sache aufbringen könne, von der alle selbstständigen Apotheker – als auch Nichtmitglieder – profitierten. Der Austritt von Overwiening und ihrem Vize René Graf habe gezeigt, dass das Risiko sehr hoch sei, dass weitere Mitglieder dem Verband den Rücken kehren könnten – vor allem, wenn der Beitrag wegen der PTA-Schulen angehoben würde.
Doch der Trägerverein schaut schon auf das nächste Jahr und den Lehrgang 2016/2018, für den die Bewerbungsphase bereits begonnen hat, und bittet die Kammer um die Finanzierung. Denn aus Sicht des Vereins ist es unverantwortlich, ohne eine verbindliche Finanzierungszusage Ausbildungsverträge abzuschließen. Ein fehlender Ausgleich würde damit unweigerlich zur Schließung der vier PTA-Schulen führen, drohen zwei Vorstandsmitglieder in der Begründung ihres Antrags zur Kammerversammlung.
Die Delegierten sollen heute beschließen, die erforderlichen Mittel – rund 650.000 Euro über zweieinhalb Jahre – von den Kammermitgliedern zu erheben und an die Schulen weiterzuleiten. In einem zweiten Antrag fordern Johannes Hermes und Dr. Olaf Elsner, die außerdem im Vorstand des AVWL sitzen, die Kammer auf, ihren Finanzierungsbeitrag so anzupassen, dass die bestehenden Ausbildungskapazitäten darüber hinaus bis zu einer Neustrukturierung der Ausbildung erhalten bleiben können.
Verband und Trägerverein machen nun Druck auf die Kammerversammlung und Präsidentin Overwiening. Der Vorstandsvorsitzende des Fördervereins der PTA-Fachschule Gelsenkirchen, Axel Wintzer, und der Vorsitzende des Fördervereins der PTA-Lehranstalt Olsberg, Andreas Vogd, haben sich an Overwiening gewandt und um Hilfe gebeten. Beide haben die Erfahrung gemacht, dass sich auf freiwilliger Basis nur wenig Apotheker bereit erklären, die PTA-Ausbildung finanziell zu unterstützen. „Wir werden daher nicht um eine Pflichtfinanzierung durch die inhabergeführten Apotheker herumkommen“, schreibt Vogd. Hermes und Elsner könnten sich vorstellen, dass die Kammer eine Art Sonderbeitrag von den Apothekenleitern erhebt, die PTA beschäftigen.
Overwiening steht einer Finanzierung der PTA-Schulen durch die Kammer kritisch gegenüber. Man sei eine Apotheker- und keine PTA-Kammer, daher dürfe man sich nur zu einem Teil an der Ausbildung beteiligen. Würde die Kammer die gesamten Schulkosten übernehmen, seien das rund drei Millionen Euro – und damit mehr als die Hälfte des Kammerhaushalts. Das würde aber bedeuten, dass die Hauptaufgabe der Kammer die Finanzierung der PTA-Ausbildung sei. Dagegen könnten Mitglieder klagen. Sie will versuchen, diese Gefahr möglichst klein zu halten.
Der Verband sieht kein Problem. Das Gesundheitsministerium als Aufsichtsbehörde habe sich bereits klar über eine finanzielle Beteiligung der Kammer an der Ausbildung auf Basis des Heilberufegesetzes geäußert und die Grenzen weit gezogen. Damit sei der Weg frei, den Erhalt der Ausbildungslandschaft durch eine solidarische Zuwendung zu ermöglichen.
Perspektivisch will der AVWL erreichen, dass der Staat sich an einer Finanzierung beteiligt. Akut gehe es derzeit aber um die Frage, wie verhindert werden kann, dass die vorhandenden Strukturen zerstört werden. Seien die Schulen einmal geschlossen, sei ihr Wiederaufbau deutlich teurer als ihr Erhalt. Die heutige Kammerversammlung könnte somit über das Schicksal der PTA-Schulen in Westfalen-Lippe entscheiden.
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