Arbeitsklima

Wenn aus Kollegen-Neid Mobbing wird Silvia Meixner, 05.04.2017 10:08 Uhr

Berlin - 

Drei von hundert Arbeitnehmern in Deutschland werden gemobbt – bei mehr als 37 Millionen Erwerbstätigen sind das laut der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Baua) mehr als eine Million Menschen. Jeder Neunte wird im Laufe seines Arbeitslebens Opfer von Kollegen oder Vorgesetzten, die ihn herabwürdigen, benachteiligen oder von Arbeitsprozessen ausschließen.

So lange, bis er kündigt. So lange, bis er krank wird. Zu den häufigsten körperlichen Folgen des Psychoterrors gehören schwere Depressionen, Magen- und Darm- sowie Herz- und Kreislauferkrankungen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund schätzt den mobbingbedingten volkswirtschaftlichen Schaden auf 15 bis 25 Milliarden Euro pro Jahr. Der Begriff stammt vom lateinischen Begriff „mobile vulgus“, das bedeutet „aufgewiegelte Volksmenge, Pöbel.“

Die Baua hat in einer repräsentativen Umfrage Mobbingopfer nach den Motiven befragt, die ihre Widersacher bewegt haben könnten, gegen sie vorzugehen. 60,1 Prozent gaben an, dass Sie unerwünschte Kritik geäußert hatten, 58,9 Prozent glaubten, dass sie als Konkurrenz empfunden wurden, bei 39,7 Prozent spielte Kollegen-Neid eine Rolle, bei 39,4 Prozent gab es Spannungen zwischen dem Opfer und seinem Vorgesetzten.

Die Baua hat herausgefunden, dass es stark und weniger mobbinggefährdete Berufsfelder gibt. Soziale Berufe stehen dabei auf Platz 1, gefolgt von Verkaufspersonal, Bank- und Versicherungsfachleuten, Technikern und Gesundheitsberufen. Die wenigsten Mobbingopfer gibt es im Bereich der landwirtschaftlichen Berufe. Mehr als 20 Prozent aller Mobbing-Opfer kündigen irgendwann, mehr als 30 Prozent stimmen einer Versetzung zu, rund 15 Prozent erhalten ihre Kündigung vom Arbeitgeber.

Dr. Marta Böning ist Mobbingexpertin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Sie sagt: „Mobbing ist ein Phänomen, von dem immer mehr Beschäftigte betroffen sind und das zu erheblichem Schaden im beruflichen und privaten Leben der Betroffenen führt. Arbeitgeber müssen alles in ihrer Macht Stehende unternehmen, um in ihren Betrieben eine Atmosphäre des gegenseitigen Vertrauens und Respektes, frei von Anfeindungen, Unterdrückung und Belästigungen zu schaffen.“

Die Realität sieht oft anders aus. Mobbing findet laut Baua in alle hierarchischen Richtungen statt, zwischen Kollegen ebenso wie zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern. Allerdings gehen 40 Prozent aller Mobbing-Attacken von Vorgesetzten aus. In rund 20 Prozent der Fälle ist allein ein Kollege der Widersacher, in weiteren 20 Prozent ist es eine Gruppe von Kollegen, die ein Opfer auswählt.

Oft beginnt es schleichend, sodass Opfer hinterher nicht genau sagen können, wann es angefangen hat. War es der kleine Geburtstags-Umtrunk der Kollegin, zu dem man „versehentlich“ nicht eingeladen wurde? Oder fing alles damit an, dass Einladungen zu wichtigen Meetings nicht im Mail-Briefkasten landeten? Oder war es damals, als alle vermeintlich verschämt lachten, weil man als Einziger nichts von dem neuen Projekt wusste und vor dem Chef dumm dastand?

Die Baua empfiehlt Unternehmen, präventive Maßnahmen gegen Mobbing zu ergreifen. Dazu gehört unter anderem, ein Frühwarnsystem einzuführen, Veranstaltungen zum Thema anzubieten, einen speziell qualifizierten Mobbing-Beauftragten zu installieren und parallel dazu ein Beschwerdesystem einzurichten.

Betroffene sollen sich auf jeden Fall frühzeitig wehren, die Aussprache mit dem oder den Tätern suchen, die Rechtsberatung der Gewerkschaft in Anspruch nehmen und den Personal- oder Betriebsrat einschalten – so vorhanden. Ein Tagesprotokoll, das die eigene Arbeitsleistung auflistet, kann im Fall eines Gerichtsprozesses hilfreich sein. Und wenn das Gefühl der Hilflosigkeit Überhand nimmt, sollte man eine berufliche Auszeit nehmen.

Auch Kollegen können Mobbing-Opfern helfen – zum Beispiel, indem sie die betroffenen Personen ansprechen. Wichtig ist, dass solche Gespräche einfühlsam und sachlich geführt werden. Probleme sollten dabei auf keinen Fall bagatellisiert werden. Auch Mitläufer sollten angesprochen und für das Thema und die Auswirkungen ihres Handelns sensibilisiert werden. Ein guter Analyst im Kollegenteam kann dazu beitragen, dass das Problem nicht eskaliert und eine für alle befriedigende Lösung gefunden werden kann.

–llsh

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