Seit September 2020 müssen sich Apotheken intensiver mit dem Krankheitsbild der Hämophilie auseinandersetzen, da die Versorgung mit Faktor-Präparaten nicht mehr über spezialisierte Versorgungszentren, sondern regulär über Apotheken läuft. Neben der pharmazeutischen Betreuung gehören mitunter auch andere Themen zur Beratung – darunter die Anwendung von Gelenkspülungen.
Hämophilie ist eine X-chromosomal-rezessiv vererbte Erkrankung. Deshalb sind fast ausschließlich männliche Personen von dem Gerinnungsdefekt betroffen. Behandelt wird das Leiden durch die Substitution der entsprechenden Faktoren: Bei der Hämophilie A fehlt der Gerinnungsfaktor VIII, bei der Hämophilie B der Faktor IX. Die entsprechenden Präparate werden von den Patient:innen oder Angehörigen intravenös appliziert.
Ein großes Problem der Erkrankung sind Mikroblutungen in Gelenken. Oftmals bemerken die Betroffenen diese Minimalblutungen nicht, und die Gelenke werden auf Dauer geschädigt. Viele Patient:innen besitzen so genannte Zielgelenke – Gelenke, die immer wieder von Mikroblutungen betroffen sind. Hier entwickeln sich am ehesten dauerhafte Schäden. Bei sportlich aktiven Erkrankten ist häufig das Sprunggelenk betroffen. Dauerhafte Einblutungen führen dazu, dass Patient:innen Schmerzen beim Stehen und Gehen entwickeln, die Mobilität wird eingeschränkt.
Rote warme Gelenke – viele Hämophilie-Patient:innen kennen dieses Gefühl. Auslöser hierfür sind Gelenkblutungen. Je nach Blutmenge kann es vorkommen, dass der Körper mit der Entfernung der Erythrozyten überfordert ist und es zu temporären Ablagerungen kommt. Hierdurch kann eine fortlaufende Entzündungskaskade in Gang gesetzt werden. Gelenkspülungen können für Hämophilie-Patient:innen eine Möglichkeit sein, das freigesetzte Blut schnell aus dem Gelenk zu entfernen. Dabei ist der Eingriff der Gelenkspülung selbst klein – Patient:innen müssen kaum mit Risiken rechnen.
Das passiert im Gelenk: Verbleibt Blut länger im Gelenk, kann sich das enthaltene Eisen in der Gelenkschleimhaut anreichern. Dies führt zu einer Entzündung mit gereiztem Knorpel. Bestimmte Botenstoffe (Onkogene) werden freigesetzt und begünstigen die Neubildung von Gelenkschleimhaut. Diese empfindliche Haut neigt zu Rissen und folglich zu Blutungen.
Die Spülung kann unter lokaler Betäubung oder Vollnarkose erfolgen. Die sogenannte Lavage erfolgt dann als minimalinvasiver Eingriff. Mittels Arthroskopie wird das betroffene Gelenk angesteuert und gespült. Dieser Vorgang erfolgt mehrmals, bis keine Rückstände mehr in der Spüllösung ersichtlich sind. Bei regelmäßiger Anwendung (wenn notwendig) kann die Entwicklung eines gefürchteten Zielorgans vermieden werden.
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