Große Versprechen für PTA-Schulen APOTHEKE ADHOC, 29.03.2017 12:16 Uhr
Vor zwei Jahren ist die Landesförderung für die PTA-Ausbildung im Kammerbezirk Westfalen-Lippe wegen der Haushaltskonsolidierung der rot-grünen Landesregierung in Nordrhein-Westfalen ausgelaufen. Jetzt überschlagen sich die politischen Parteien im Wahlkampf mit neuen Versprechungen. Eine Mega-Koalition aus SPD, Grünen und CDU will die PTA-Schulen plötzlich wieder finanzieren. PTA-Schüler sollen künftig ihre Ausbildung nicht mehr alleine aus der eigenen Tasche bezahlen.
Mehr als 120 Apotheker waren zur politischen Diskussionsrunde „Gesundheitspolitik im Fokus“ in die Stadthalle Hiltrup gekommen. Dazu eingeladen hatten Apothekerkammer (AKWL) und Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) im Vorfeld der Landtagswahlen am 14. Mai und der Bundestagswahl am 24. September.
Der erste Teil der Diskussion drehte sich um den dringend benötigten Nachwuchs in den Apotheken. „Genauso dringend wie approbierte Kolleginnen und Kollegen sind in unseren Apotheken gut ausgebildete PTA gefragt“, stellte Dr. Klaus Michels, Vorsitzender des AVWL heraus. Das Berufsbild gebe es seit 1973, daher erreichten jetzt auch die ersten PTA die Altersgrenze. „Mit Wegfall des Landeszuschusses haben wir bereits zahlreiche Ausbildungsplätze an den PTA-Schulen verloren“, so Michels.
Seit dem Jahr 2014 hat die rot-grüne Landesregierung ihren Zuschuss zur PTA-Ausbildung in NRW gestrichen. Vorher flossen für jeden Ausbildungsplatz 73 Euro pro Monat an die privaten PTA-Schulen. Insgesamt förderte das Land die PTA-Schulen mit jährlich knapp 1,4 Millionen Euro. Den Rest der Ausbildungskosten müssen die PTA-Schüler selbst tragen: zwischen 300 bis 400 Euro monatlich. Über die Finanzierung der vom AVWL betriebenen PTA-Schulen war es 2015 zu einem heftigen Streit mit der Kammer gekommen. Schließlich beteiligte sich die Kammer mit aktuell 600.000 Euro an der Finanzierung.
Michels kritisierte die SPD: „SPD-Chef Martin Schulz fordert das Recht auf Gratisausbildung und SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft will kein Kind zurücklassen“, so der AVWL-Chef. Das gelte aber offenbar nur für ein gebührenfreies Studium und demnächst für die kostenfreie Meisterausbildung, nicht aber für die bis zu 400 Euro im Monat teure PTA-Ausbildung. Kammerpräsidentin Gabriele Overwiening ergänzte: „Wir sind der einzige freie Beruf in diesem Land, der seinem Nachwuchs die Ausbildung finanzieren muss.“ Dies sei auf Dauer für die Apothekerschaft nicht zu tragen.
Die Streichung des Landeszuschusses sei ein Beitrag zur Haushaltskonsolidierung gewesen, verteidigten Scheffler und Steffens die Entscheidung der rot-grünen Landesregierung. Während SPD-Politiker Scheffler ankündigte: „Ich biete beiden Apothekerkammern nach der Wahl gemeinsame Gespräche darüber an, wie wir die PTA-Ausbildung in eine bezahlbare duale Ausbildung überführen können“, ist Steffens schon einen Schritt weiter. „Wir haben doch alle alternativen Modelle rauf- und runtergeprüft. Letztlich führt nichts daran vorbei: Wir müssen als Land das Geld in die Hand nehmen, um die Ausbildung zu finanzieren.“
Eine Auffassung, die auch CDU-Politiker Oskar Burkert teilte: „Wir werden das nach der Wahl ändern“, kündigte der Landtagsabgeordnete an: „Medizinische Heilberufe, PTA, Logopäden und Physiotherapeuten: Für sie alle darf nicht mehr gelten, dass sie ihre Ausbildung aus der eigenen Tasche bezahlen müssen.“ FDP-Landtagsabgeordnete Susanne Schneider wies zudem darauf hin, dass man nicht jeden Apotheker dazu verpflichten könne, sich an der Ausbildung für die PTA finanziell zu beteiligen, zumal nicht jede PTA im eigenen Landesteil und in der öffentlichen Apotheke tätig werde.
Aber auch der Apothekernachwuchs bereitet in Westfalen-Lippe Sorgen: Jedes Jahr schließen 80 bis 100 Studierende in Westfalen-Lippe das Pharmaziestudium ab. „Das reicht bei weitem nicht aus, um den Bedarf an Apothekerinnen und Apothekern in unserem Landesteil in Zeiten des demographischen Wandels und immer komplexerer Arzneimitteltherapien gerecht zu werden“, sagte Kammerpräsidentin Overwiening. Sie verband die Bestandsaufnahme mit der Forderung an die Politik, zukünftig neben Münster einen zweiten Studienstandort im Landesteil zu etablieren, vorzugsweise in Bielefeld.
Diese Forderung stieß ebenso bei Linken-Politikerin Katrin Vogler wie bei der FDP-Vertreterin Schneider auf offene Ohren: „Meine Partei steht für mehr gestalterische Möglichkeiten für die Hochschulen und für eine Stärkung der gesundheitlichen Versorgung. Bielefeld würde sich dafür anbieten.“ Scheffler verwies für die SPD-Landtagsfraktion auf den positiven Trend in NRW: „Im Jahr 2010 gab es in unserem Bundesland 2419 Studienplätze für Pharmazie. Jetzt, keine sieben Jahre später, sind es bereits 3148, also ein Zuwachs um 30 Prozent.“
Der CDU-Landtagsabgeordnete Burkert hielt der NRW-Landesregierung vor, sich erst vor wenigen Tagen im Landtag erneut gegen Bielefeld als Standort für eine neue medizinische Fakultät ausgesprochen zu haben. Mit Blick auf die universitäre Ausbildung von Medizinern und Pharmazeuten kündigte er an: „Wir wollen das ändern.“ Die Realitäten an den Hochschulen nahm Gesundheitsministerin Barbara Steffens in den Blick: „Pharmazie und Medizin gehören mit Abstand zu den teuersten Studiengängen, was nicht unbedingt den Anreiz an den Hochschulen steigert, in weitere Studienplätze zu investieren. Wir brauchen hier dringend mehr Steuerung an den Universitäten, hin zu mehr Daseinsversorge.“