Von der PTA zur Professorin: „Ausprobieren und Chancen nutzen” Deniz Cicek-Görkem, 28.11.2018 14:38 Uhr
Wenn PTA sich für ein Studium entschließen, ist Pharmazie meist die erste Wahl. Auch Professor Dr. Dagmar Fischer von der Friedrich-Schiller-Universität (FSU) Jena wollte nicht als PTA in der Apotheke bleiben, sondern in die Wissenschaft wechseln. Sie rät angehenden Apothekern sich auszuprobieren und gibt Tipps für den Berufsweg. Und: Pharmazeuten sollten mehr Selbstbewusstsein haben, findet sie.
Fischer ist derzeit Universitätsprofessorin für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie an der FSU. Doch bis dahin war es ein langer Weg. Ihre ersten Schritte in der Pharmazie machte sie als PTA, aber das war ihr nicht genug. Nach dem Pharmaziestudium in Würzburg folgten zuerst die Approbation, danach folgten Diplomarbeit, Promotion, Post-Doc und Habilitation. Auch die vielen Forschungsaufenthalte im In- und Ausland verdeutlichen, wie begeistert die Professorin von der Wissenschaft ist.
Die Reise begann in der Offizin: Während ihres Apothekenpraktikums habe die gebürtige Coburgerin gemerkt, dass PTA hauptsächlich im Labor beschäftigt seien und insbesondere praktische Kenntnisse hätten. „Doch warum ich viele Dinge tue, wusste ich damals nicht. Ich musste das beim Apotheker nachfragen”, erzählt die Forscherin aus ihrer Zeit als PTA. Sie habe damals festgestellt, dass sie „mehr wissen will”. Die weiteren Schritte folgten schnell: „Ein enthusiastischer Berufsberater hat mir nach einem Gespräch zur Pharmazie geraten”. So sei sie dann zum Studium gekommen, obwohl sie als Teenagerin eigentlich Tierärztin werden wollte und auch keine Pharmazeuten in ihrem Umfeld hatte. Für sie habe aber immer festgestanden, dass sie „in Richtung Naturwissenschaften” gehen werde.
„In den Semesterferien habe ich in der Apotheke als PTA gearbeitet”, sagt sie. Dadurch konnte sie sich etwas hinzu verdienen und blieb mit einem Bein in der Offizin. Doch nach ihrer Diplomarbeit zeichnete sich immer weiter ab, dass es eher in Richtung Uni gehen wird. Die Apotheke als Tätigkeitsfeld rückte in den Hintergrund. „Die Wissenschaft hat mich immer fasziniert. Ich fragte mich immer, wie ich ein Problem lösen kann”, erzählt sie. Auch während der Promotion habe sie viele Gestaltungsmöglichkeiten gehabt und sich kreativ einbringen können. „Der Industrieaspekt, also der Anwendungsbezug der Forschung, war immer da. Deshalb bin ich bis zur Habilitation an der Uni Marburg geblieben.”
Fischer gehört zu den Wissenschaftlern, die in diesem Jahr vom Großhändler Phoenix für besondere Forschungsarbeiten mit einem Preis ausgezeichnet wurden. Gemeinsam mit ihrer Arbeitsgruppe hat sie eine Wundauflage entwickelt, die im Versorgungsalltag von großem Nutzen sein könnte. „Die Wundauflage, die wir entwickelt haben, besteht zu 1 Prozent aus bakterieller Nanocellulose und zu 99 Prozent aus Wasser”, erzählt sie. „Bisher konnte eine mit Octenidin beladene Auflage nur bei akuten Wunden eingesetzt werden und musste nach 24 Stunden entfernt werden. Wir haben jetzt einen Einsatz bei chronischen Wunden erreicht, indem die Diffusion des Wirkstoffs verzögert wird. Somit muss die Wundauflage erst nach einer Woche gewechselt werden. Das bedeutet in der Praxis weniger Verbandswechsel und damit mehr Patientencompliance, Kosten- und Zeitersparnis.”
In anderen Studien habe ihr Team auch andere Wirkstoffe in die Wundauflage eingebracht und diese getestet, beispielsweise Polyhexanid, Chlorhexidin, Antibiotika und verschiedene Naturstoffe. Ganz neu ist das Material der Wundauflage allerdings nicht: „Heute wird der Verband ohne Wirkstoff bereits in der chronischen Behandlung von Verbrennungen, bekannt unter dem Handelsnamen Epicite, und auch in der Kosmetik eingesetzt. Er wirkt aufgrund des Materials kühlend und hautberuhigend.“
Wenn sie jetzt als Hochschullehrerin vor den Studenten stehe, erinnere sie sich häufig an die eigene Zeit als Lernende. „Wir saßen alle mal in den Reihen der Studierenden”, sagt sie. Deshalb könne sie auch die Sorgen und Nöte der Studenten nachvollziehen und verstehen. „Am Anfang des Studiums muss man viele Grundlagen lernen und auch durch Prüfungen fällt man mal durch. Da sind wir alle mal durchgegangen.”
Fischer ist seit 2008 an der Uni in Jena tätig, mehrere Jahre arbeitete sie auch als Studiendekanin. Sie hat schon sehr viele Studenten – auch angrenzender Fächer – betreut und weiß, was die Herausforderungen im Studienalltag sind. „Die Studenten sollten sich fragen: ,Was sind meine Themen, was begeistert und fasziniert mich wirklich?’ Ich empfehle ihnen auch, Praktika zu machen und sich vor Ort umzuschauen”, so die Professorin. „Das Studium ist breit gefächert. Man kann sich ausprobieren, eine Vielzahl von Möglichkeiten steht einem offen.” Das empfehle sie auch immer wieder den Studierenden. Zum Berufsbild sagt sie: „Ich verstehe uns Apotheker als Übersetzer der Sprache der Grundlagenforschung in die der Anwender.”
Ihrer Ansicht nach sollte man Chancen nutzen und nicht immer unbedingt nur den geraden Weg nehmen. „Heute werden Lebensläufe oft vorgeplant. Es lohnt sich aber auch Umwege zu gehen.” Sie erkläre den Studierenden immer wieder, was man mit dem Pharmaziestudium beruflich alles machen könne. „In Examensprüfungen frage ich oft nach, wohin die Reise geht. Viele antworten dann: ,Nur in die Apotheke.’ Ich frage dann: ,Warum ‚nur Apotheke?’“ Allein dieser Ansatz sei schon falsch, denn Apotheker brauchen ihrer Meinung nach einen breiten Horizont: „Das ist eine äußerst verantwortungsvolle und anspruchsvolle Tätigkeit.”
Sie fordert: „Studierende sollten von Anfang an mehr Selbstbewusstsein haben.” Vor allem sollten sie auch idealerweise Erfahrungen in anderen Ländern sammeln: „Auslandsaufenthalte kann ich auch nur empfehlen. Weltweit gibt es die gleichen Probleme, beispielsweise in der Forschung. Nur die Mentalität und somit der Umgang mit einem Problem ist ein anderer. Studierende können sich da etwas abschauen.”
Vor allem findet sie, dass die Zukunftsängste für Apotheker unbegründet sind: „Ich gehe davon aus, dass wir nicht aussterben werden. Allerdings gibt es neue Herausforderungen zum Beispiel im Bereich der Personalisierung und Digitalisierung der Medizin, möglicherweise werden sich auch unsere Kompetenzen verändern. Wir Apotheker sind oftmals zu bescheiden und sollten unsere Kompetenzen und Stärken besser präsentieren.”
Von den Aufgaben, die sie bisher hatte, sei ihre Tätigkeit an der Hochschule die vielfältigste. „Ich bin gleichzeitig Lehrende, Forschende und Managerin.” Auf Ambitionen lege sie dabei besonderen Wert: „Bei meinen Doktoranden schaue ich eher weniger auf die Noten, sondern darauf, wie motiviert sie sind. Eine Doktorarbeit sollte man nicht nur des Titels wegen machen. Man muss sich für die Wissenschaft begeistern.”
Es ist kein Geheimnis, dass Promovierende naturwissenschaftlicher Fächer auch Geduld und Experimentierfreude mitbringen sollten. Für Fischer ist deshalb klar: „Mit dem Großteil des Forschungspreises ersetzen wir unser altes Messgerät, damit wir künftige Messungen noch schneller durchführen können. Mit dem Rest des Geldes werden wir eine Weihnachtsfeier für die Doktoranden organisieren.”