Die Berufswahl ist eine Entscheidung fürs Leben. So mancher Herzenswunsch der Kindheit bleibt unerfüllt. Für eine PTA aus Nordrhein-Westfalen wurde der langersehnte Wunsch wahr: Sie hat ihren Kittel an den Nagel gehängt und arbeitet jetzt bei der Kriminalpolizei Recklinghausen. Katina Zerva hat 2015 ihr Studium bei der Polizei beendet. Hinter ihr liegt eine anstrengende, aber schöne Ausbildungszeit.
Katina Zerva hatte 1997 den Realschulabschluss in der Tasche und stand mit 15 Jahren vor der Entscheidung, was „aus ihr wird“. Den Wunsch, zur Polizei zu gehen, hatte sie schon damals. Die Eltern waren nicht begeistert. Zerva wünschte sich einen Beruf, der ihre Interessen vereint: Sport, Biologie, Deutsch und Mathematik mochte sie gerne. In dem Beruf der PTA und der Bankkauffrau sah sie ihre Interessen gebündelt; für beide Bewerbungen bekam sie eine Zusage. Entschieden hat sie sich dann für die Ausbildung zur PTA, da sie bereits ein Schulpraktikum in einer Apotheke absolviert hatte.
Die Ausbildung zur PTA dauerte zwei Jahre und war für sie nicht immer motivierend – kein Gehalt, aber jeden Monat Schulgeld bezahlen. Viel Theorie, wenig Praxis. Das Lehrpersonal der PTA-Schule bestand aus Apothekern, Chemikern und Physikern, die ihr Fachwissen nicht recht vermitteln konnten. „Bestes Fachwissen nützt nichts, wenn man es nicht kommunikativ vermitteln kann“, so Zerva.
Das Thema Kommunikation sei in der PTA-Ausbildung zu kurz gekommen, dabei sei der Umgang mit den Kunden das A und O der Arbeit, sagt Zerva. Den Chemieanteil und das Berechnen von molaren Massen könne man in der Industrie sicherlich brauchen, aber im Apothekenalltag nütze es wenig. Zerva war schon immer zielstrebig, daher gab sie auch jetzt nicht auf: „Ich will alles bis zum Ende machen.“ Ihre innere Einstellung half ihr, die Motivation nicht zu verlieren. Das gelang nicht allen Mitschülern: „Jeden Tag fehlte jemand, nur ein Drittel hat die Ausbildung im Jahr 2000 abgeschlossen.“ Zerva ist froh, dass sich seither in der Ausbildung etwas geändert hat.
Der Wunsch nach Mehr schlummerte noch immer in Zerva, sie wollte die Hochschulreife erlangen, ihre „Gier nach verpasstem Wissen stillen“. Das Abitur sollte ihr ein großes Stück Freiheit geben. An der Außenstelle Witten besuchte sie drei Jahre lang das Abendgynmasium – neben ihrem 40-Stunden-Job in der Apotheke.
Von 17.30 bis 21.30 Uhr drückte sie die Schulbank und genoss es sehr, „von richtigen Lehrern erwachsenengemäß unterrichtet zu werden“. Die Frage „Was nun?“ stellte sich 2012 nach dem Abitur erneut. Die Lehrer hatten die Idee, sie solle Lehramt oder Medizin studieren. Aber ihr Traumberuf war noch immer Polizistin. Zerva bewarb sich ohne Plan B bei der Polizei NRW und wurde nach einem dreitägigen Prüfungsverfahren eingestellt.
Zerva quittierte den Apothekendienst nach fast 13 Jahren und startete mit 30 das Studium bei der Polizei. Im Dezember 2015 hat sie das Studium beendet, seitdem arbeitet sie bei der Kriminalpolizei Recklinghausen. Zuvor war sie ein Jahr lang bei der Schutzpolizei im Streifendienst tätig. Statt Salben zu rühren und Kunden zu Arzneimitteln zu beraten, arbeitet sie heute im Wechseldienst: Tatortaufnahme, Spurensuche und -sicherung, Fingerabdrücke und Lichtbilder nehmen gehören heute zu ihren Aufgaben. Ist der Tagesdienst nicht mehr im Haus, kümmert sie sich um Vermisstenfälle und Körperverletzungen. Auch Todesermittlungen, zum Beispiel nach einem Suizid, führe sie durch.
Beraten werden jetzt die Kollegen – finden die Beamten in Mittelkonsole von Fahrzeugen während einer Polizeikontrolle Medikamente, kann Zerva Aufschluss darüber geben, ob das Führen von Maschinen und Fahrzeugen unter Einnahme der Arzneimittel erlaubt ist. Auch bei „Leichensachen“ versteht sie die Sprache der Ärzte und kann ihr pharmazeutisches Fachwissen einsetzen. Parallelen sieht Zerva in der Kommunikation und der Körpersprache: In beiden Berufen müsse man sich auf unterschiedliche Menschen einstellen.
Ihre Arbeit als PTA habe ihr Spaß gemacht, dennoch war es nicht ihr Traumberuf. Die Apotheke vermisse sie nicht, zurückgehen würde sie nur, wenn sie aus medizinischen Gründen den Polizeiberuf nicht mehr ausüben könne – das würde sie sehr traurig machen.
Zerva ist froh, nicht mehr von den Gesundheitsgesetzen der Politik abhängig zu sein. Sie habe jetzt die Möglichkeit, sich für die Demokratie einzusetzen und den Rechtsstaat zu vertreten, „Teil des Ganzen“ zu sein. Die Arbeit sei „nah am Bürger“ – und sie sei noch immer Ansprechpartner und finde Problemlösungen.
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