Personen, die keinen Tinnitus haben, können sich kaum vorstellen welche Geräusche die Erkrankten im Ohr wahrnehmen. Die Bandbreite an Tönen ist breit – an schlechten Tagen berichten Betroffene, dass es sich anhört, als würde ein Zug durch ihren Kopf fahren. Apotheker:innen und PTA sollten um die Notwendigkeit der frühen Behandlung wissen. Neben Hörgeräten, die die Störgeräusche rausfiltern, können auch einige medikamentöse Präparate unterstützend wirken.
Piepsen, Dröhnen, Klingel oder Rascheln – all diese Symptome nehmen Tinnitus-Patient:innen wahr. Die Intensität der Geräusche variiert, jeder Tag kann anders sein.
Tinnitus-Definition nach aktueller Leitlinie: Die Ohrgeräusche bestehen seit mindestens drei Monaten und belasten die Betroffenen. Nach heutigem Wissensstand sollte besonders in Bezug auf die Wahl der Therapie nur zwischen akut oder chronisch unterschieden werden.
Die Auslöser können ebenfalls vielfältig sein. Bei manchen Personen lässt sich der Beginn der Erkrankung auf einen bestimmten Tag datieren, beispielsweise in Folge eines Hörsturzes oder einem Vorfall mit lautem Knallgeräusch (Silvester-Unfälle). Bei der Menière-Krankheit ist das Innenohr erkrankt, neben Hörverlust und Schwindel kann es hier auch zum Auftreten eines Tinnitus kommen. Weiterhin kann es bei Problemen mit dem Kiefer zu dauerhaften Ohrgeräuschen kommen. Auch anhaltender Stress wird als Auslöser diskutiert. Dabei gelten Stress und psychischer Druck nicht als unmittelbarer Auslöser der Erkrankung, jedoch berichten rund ein Viertel aller Patient:innen über eine angespannte Lebenssituation im zeitlichen Zusammenhang mit dem Ausbruch der Krankheit. Darüber hinaus haben die Lebensumstände einen Einfluss darauf, wie die Ohrgeräusche wahrgenommen werden. Bei Depression, Angst und Stress werden Rauschen & Co. bewusster – und damit auch lauter – wahrgenommen.
Die Verwendung von Ohrstöpseln bei Konzerten, Festivals oder an Silvester kann die Ohren schützen. Auch im beruf sollten stets die vorgeschriebenen persönlichen Schutzmaßnahmen angewendet werden.
Bei erstmaligem Auftreten von Ohrgeräuschen, die länger als einen Tag anhalten, sollten Betroffene aufmerksam werden. Wer nach einem Konzert oder einer langen Partynacht ein Rauschen wahrnimmt, der wird in den allermeisten Fällen eine Besserung der Symptomatik binnen weniger Stunden feststellen. Der Gang zum HNO-Arzt/zur HNO-Ärztin kann durch eine Hörprüfung Hörstörungen ausschließen.
Infusionen mit Plasmaexpandern (Lösungen mit Makromolekülen wie Kohlenhydraten und Proteinen) oder Vasodilatatoren kommen innerhalb der Frühtherapie zum Einsatz. Plasmaexpander steigern dabei die Flüssigkeitsmenge des Blutes, Vasodilatatoren führen zu einer Erweiterung der Blutgefäße.
Um die Geräusche zu minimieren, kommen auch Hörgeräte oder sogenannte Noiser zum Einsatz. Diese Geräte erzeugen ein dauerhaftes Rauschen. Die Lautstärke ist allerdings so niedrig eingestellt, dass das Gehirn das Rauschen nahezu unterbewusst wahrnimmt. Das Gehirn fängt an, das sehr leise akustische Hintergrundgeräusch zu registrieren. Ziel der Therapie ist es, dass das Erkennen des Tinnitus hierdurch erschwert wird und das Gehirn die eigentlichen Rauschgeräusche nicht mehr wahrnimmt.
Erstmals wurden in der Leitlinie auch nicht geeignete Empfehlungen aufgelistet, denen es an Evidenz mangelt. „Dies ist eine wichtige Hilfestellung für die Patientinnen und Patienten, die im Internet mit einer Vielzahl von Maßnahmen konfrontiert werden, die nicht zielführend sind“, so Professor Dr. med. Birgit Mazurek, Direktorin des Tinnituszentrums an der Charité, Berlin und ebenfalls federführende Autorin der Leitlinie. Ebenfalls durchgefallen sind Ginko, Zink, Melantonin und Cannabis. Verordnungen über Antidepressiva, Benzodiazepine, Cortisone (Dauerbehandlung) und Gabapentin zeigen nach aktuellem wissenschaftlichem Stand ebenfalls keinen Therapieerfolg.
Das Gehirn ist bei dauerhaft bleibenden Ohrgeräuschen anhaltend sensibilisiert. Viele Betroffene berichten davon, dass die Geräusche abhängig von Stress und anderen herausfordernden Situationen sind. Mit Fortschreiten der Erkrankung kann es dazu kommen, dass allein der Gedanke an Stress & Co. die Geräusche lauter werden lässt. Solange die Geräusche den Alltag nicht bestimmen und vom Betroffenen gut ins Leben integriert werden können, spricht man von einem kompensierten Tinnitus. Scheinen die Geräusche nicht mehr kontrollierbar und der/die Patient:in empfindet die Situation als unerträglich, so spricht man von einem dekompensierten Tinnitus. Betroffene berichten von Schlafstörungen, ausgeprägter Tagesmüdigkeit, Lustlosigkeit und Konzentrationsproblemen. Kommen Patient:innen in die Apotheke und berichten über eine zunehmende Intensität der Geräusche, so sollte an den Arzt/die Ärztin verwiesen werden. Die Bedeutung der Psyche kann erläutert werden. Yoga oder andere Entspannungsübungen können helfen, die Wahrnehmung der Geräusche zu verändern. Auch Apps können helfen, die Störgeräusche zu vermindern.
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