Es ist kurios: Seit mindestens vier Jahren treibt der Trickbetrüger Nizam Toru sein Unwesen. Obwohl Anwälte und Verbraucherschützer schon seit geraumer Zeit vor ihm warnen, kann ihm offensichtlich nicht das Handwerk gelegt werden. Nun hat er es auf Apotheken abgesehen: Ein Inhaber aus Baden-Württemberg ist kürzlich auf ihn hereingefallen. Er wolle ihm helfen, seine Apotheke im Internet besser auffindbar zu machen, sagte Toru ihm am Telefon. Jetzt sitzt der Apotheker auf fast 3000 Euro Schulden. Doch er wehrt sich und sieht gute Chancen, nichts bezahlen zu müssen.
Manchmal muss man robust auftreten, das hat Inhaber Jörg Riemann* gelernt. Riemann heißt eigentlich anders, will aber nicht namentlich genannt werden. „Anderen Kollegen wäre das auch passiert – aber über mich lästern würden sie trotzdem, wenn sie es lesen“, sagt er. Das hindere ihn aber nicht daran, dass er sie schützen will. „Ich will, dass gerade gutmütige Apotheker vor der Masche gewarnt werden, denn genau die sind es, auf die er es abgesehen hat. Denn er geht psychologisch sehr geschickt vor.“ Man könnte es aber auch einfach dreist nennen.
Anfang Mai erhielt Riemann einen Anruf von Toru. „Wo er meine Handynummer herbekommen hat, weiß ich bis jetzt nicht“, sagt er. Danach, das zu fragen, kam er auch gar nicht, Toru habe direkt losgeplappert und ihn mit seinem Angebot überwältigt: Es gehe um Suchmaschinenoptimierung und einen Eintrag in der Seite Städte-Check.de, mit dem die Auffindbarkeit seiner Apotheke im Internet verbessert werde, erklärte er ihm. „Er hat sehr schnell geredet und auch die Telefonverbindung war nicht so gut, deshalb habe ich vieles auch nicht so genau verstanden. Er hat immer nur irgendwas von Google erzählt.“ Prinzipiell klinge es ja interessant, meinte Riemann zu ihm. „Er meinte dann, er ruft mich zurück.“
Gesagt, getan: Weniger Tage später erfolgte der zweite Anruf. Diesmal wurde er schon etwas konkreter: Es gebe bereits einen kostenlosen Eintrag seiner Apotheke auf der Seite, den habe er aber nicht gekündigt. Mit der Masche hat Toru bereits häufig Gewerbetreibende und Selbstständige geködert: Er erklärt ihnen zwischen Tür und Angel, dass sie einen kostenlosen Eintrag nicht gekündigt hätten und spekuliert auf deren Unsicherheit, dass ihnen im Arbeitsalltag eventuell eine solche Kleinigkeit durchgerutscht sein könnte. Der zweite Anruf ist dabei notwendig, weil Verträge aus der Kaltakquise rechtlich keine Gültigkeit haben. Der Knackpunkt dabei: Unter dem Vorwand, dass es sich ja im Wesentlichen um einen Datenabgleich handele, fragt er, ob das Gespräch aufgezeichnet werden kann. „Dabei nutzt er den zeitlichen Druck, man sagt dann einfach ‚Ja, von mir aus‘ – durch die Aufzeichnung hat man dann aber formell einen mündlichen Vertrag geschlossen.“ Dabei stelle er Fangfragen, die man stets bejaht und die er dann als Zustimmung zum Vertrag wertet.
Ohne dass er richtig schlau daraus wurde, beendete Riemann das Telefonat. „Ich hatte schon direkt nach dem Auflegen ein schlechtes Gefühl“, sagt er. Die böse Überraschung folgte dann Ende Mai: Der Inhaber erhielt eine Rechnung des Unternehmens „Teledeal Media“ aus Emmerich am Rhein. In dem Schreiben, das APOTHEKE ADHOC vorliegt, führt er säuberlich aus, wie der Betrag zustande gekommen ist: Allein für die „telefonische Annahme zur konzeptionellen Gestaltung“ ruft er schon 236 Euro ab, für „Nachbearbeitung und Definition Ihrer Wünsche und Ziele“ will er gleich 708 Euro. Der mit Abstand größte Posten ist aber die „erweiterte Programmierung Ihres Firmen-Werbe-Eintrages“ – 1298 Euro will er dafür. Zusätzlich weiter Posten kommt er auf eine Gesamtsumme von 2813,40 Euro. Riemann schaltete sofort seinen Anwalt ein.
„Ich fahre jetzt schon mal juristisch die Krallen aus. Ich sehe da keine rechtliche Grundlage und habe dem Vertrag widersprochen.“ Dafür sieht er gute Chancen, dass er die Summe nicht zahlen muss. Er geht nämlich fest davon aus, dass Toru es nicht auf eine gerichtliche Auseinandersetzung ankommen lassen wird. Dass er vor Gericht Recht bekommen würde, hält der Apotheker nämlich für äußerst wahrscheinlich, nicht zuletzt weil Toru seit mindestens 2016 bundesweit mit seiner Masche aufgefallen ist. So warnte beispielsweise das Verbraucherschutzforum Berlin bereits 2017 vor ihm. „Es ist schon erstaunlich: Obwohl Nizam Toru seit über einem Jahr die Masche mit den Cold Calls verfolgt, kann er weiterhin ungestraft agieren“, heißt es dort. Umso erstaunlicher ist das im Jahr 2020.
Denn, so vermutet der Inhaber, bisher hat es wohl niemand auf ein Gerichtsverfahren gegen ihn ankommen lassen. Manch Gewerbetreibender schluckt die Summe „und bei denen, die sich wehren, lässt er vorher ab“, sagt er. „Denn prozessökonomisch kann sich das für ihn ja gar nicht rentieren, allein schon wegen der Anwaltskosten.“ Umgekehrt habe ihn aber auch schon sein Anwalt gefragt, ob er sich wegen so einer Masche wirklich einen Strafprozess antun wolle. Das will er auch wieder nicht. Aber immerhin seine Lehre aus der Geschichte hat er jetzt schon gezogen: „In Zukunft werde ich in solchen Situationen einfach auflegen.“
*Der Name ist der Redaktion bekannt.
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