Wenn Apothekenchefs auswärtige Termine haben, krank werden oder verreisen wollen, müssen sie dafür sorgen, dass ein Approbierter sie in der Apotheke vertritt. Doch was tun, wenn man keinen Kollegen zur Hand hat? Neben Unternehmen, die Vertretungsapotheker vermitteln, bieten auch einige pensionierte Apotheker Vertretungen an. Häufig handelt es sich um sogenannte „Sitzvertretung“. Denn die gesetzliche Vorgabe besagt nur, dass in einer Apotheke immer ein Approbierter anwesend sein muss. Und so beschränkt sich manch eine Vertretung tatsächlich darauf, anwesend zu sein. Eine PTA kritisiert diese Praxis als „schwachsinnig und für die PTA demütigend“ und plädiert dafür, eine zeitlich begrenzte PTA-Vertretung zu erlauben.
Älterer Apotheker, „alte Schule“, selbst Inhaber, länger außer Dienst, ohne EDV- und Computererfahrung aber fit, „sitzt“ Ihre Vertretung aus. Diese Anzeige konnte man in den Stellenangeboten eines Standesmediums vor wenigen Wochen lesen. Für seine Dienste wollte der Kollege 600 Euro für eine 42 Stundenwoche und eine kostenfreie Unterkunft haben.
„Wir lachten anfangs im Team über die unverblümte Art des Apothekers a.D. zu sagen: ’Gib mir 600 Euro die Woche plus freie Logis dafür, dass ich mir in deinem Büro beim Kaffee den Hintern platt sitze'“, berichtet eine erfahrene PTA in ihrem Blog „Apothekentheater“, in dem sie seit zweieinhalb Jahren über unterschiedliche Belange des Apothekenalltags schreibt.
Das Lachen bleibe aber im Hals stecken, wenn man darüber nachdenke, dass die Apotheke in der Vertretungszeit tatsächlich von den PTA geführt werde und Apothekeninhaber einen „Haufen Geld“ dafür ausgeben müssten, dass ein „Grußonkel“ irgendwo „herumsitzt und Däumchen dreht“, schreibt PTAchen, wie sich die erfahrene Fachkraft in ihrem Blog nennt.
Spricht man mit Apothekeninhabern ist eine solche „Sitzvertretung“ in Deutschland gar nicht so ungewöhnlich. „Es ist kein seltenes Phänomen. Ich kenne einige Kollegen, die eine sogenannte Sitzvertretung in Anspruch genommen haben“, sagt auch Dr. Sybille Oestereich. Die Apothekerin betreibt die Marien-Apotheke im sächsischen Pockau-Lengefeld nur wenige Kilometer von der tschechischen Grenze. „Man findet vor allem auf dem Land keine Fachkräfte“, berichtet sie. Und so sei das Vertretungsmodell mit älteren Apothekern in den vergangenen Jahren aus der Not heraus geboren und habe sich immer mehr verbreitet.
Die Apothekerin weiß wovon sie spricht. Ihre Team besteht aus insgesamt fünf Mitarbeitern. Sie ist die einzige Apothekerin. Jedes Mal, wenn sie etwas erledigen muss oder Urlaub machen will, muss die Pharmazeutin eine Vertretung suchen. Zu verdanken hat sie das der gesetzlichen Regelung, dass in einer Apotheke immer mindestens ein Approbierter anwesend sein muss.
Seit einiger Zeit sucht sie einen Teilzeit-Apotheker für ihre kleine Apotheke. Bisher vergebens. Ende Juli schaltete Oestereich eine weitere Anzeige in der Stellenbörse der Sächsischen Apothekerkammer. Darin sucht sie nicht nur eine qualifizierte Fachkraft für ihre Apotheke, sondern notfalls auch eine „Sitzvertretung“. „Viel lieber hätte ich einen Apotheker, der auch im Handverkauf mitmacht“, sagt sie. Aber sie finde eben keinen. Deshalb müsse es akzeptieren, wenn sich ältere Vertretungsapotheker mit moderner Technik nicht auskennen und deshalb einige Aufgaben nicht wahrnehmen könnten.
Eine „Sitzvertretung“ sei zwar gesetzeskonform, aber schwachsinnig, meint PTAchen, die auf 17 Jahre Berufserfahrung zurückblicken kann. „Die ganze Situation ist absurd, verlogen und für die PTA demütigend.“ Sie plädiert auch im Gespräch mit APOTHEKE ADHOC dafür, PTA mit einer langen Berufserfahrung und gegebenenfalls einer entsprechende Fortbildung eine auf wenige Wochen im Jahr beschränkte Vertretung von Approbierten zu erlauben. „Es geht schlicht um Anerkennung unserer Leistung“, sagt sie. Die zeitliche Beschränkung würde außerdem verhindern, dass die sogenannten „Apotheken light“ entstehen, vor denen die Apothekerschaft so eindringlich warnt.
„Wer seinen eigenen Wert als Apotheker kennt, der hat keine Angst vor einer Vertretungs- PTA sondern freut sich darüber, dass es noch eine Berufsgruppe gibt, die sich mit vollem Herzen zur Apotheke bekennt und (noch) nicht frustriert in die Industrie abwandert“, schreibt PTAchen, die in einer Landapotheke arbeitet. Aus ihrer Sicht werden viele Gegenstimmen schon bald verstummen.
„Spätestens wenn in ein paar Jahren die letzten Pharmazie-Ingenieure in den Ruhestand gegangen sind, wird sich die Situation weiter verschärfen“, so die PTA. Dann würden die Apotheker, die vor lauter Angst, die angestellten PTA könnten zu aufmüpfig werden, wenn sie mehr Rechte und Pflichten bekämen, sehen, was sie davon haben, ist sie sich sicher.
Unterstützung bekommt sie von Oestereich. Die Apothekerin würde es begrüßen, wenn erfahrene PTA Apotheker vertreten dürften. „Sie sind sehr gut ausgebildet und leisten sehr viel“, lobt sie. Die Apothekerin glaubt daran, dass eine PTA mit langer Berufserfahrung durchaus in der Lage wäre, ihren Chef eine gewisse Zeit im Jahr zu vertreten.
APOTHEKE ADHOC Debatte