Schnelltests: Bei Asymptomatik eher schwach Alexandra Negt, 29.03.2021 09:54 Uhr
Schnelltests sollen Infektionsketten durchbrechen. Jeder Bundesbürger hat wöchentlich die Möglichkeit, sich kostenfrei testen zu lassen. Darüber hinaus sind Laientests am Markt, die jederzeit Zuhause durchgeführt werden können. Doch das vermehrte Testen von asymptomatischen Personen bringt eine alte Thematik neu auf den Tisch: Schlechte Sensitivitätswerte. Eine aktuelle Cochrane-Analyse zeigt, dass die angegebenen Sensitivitäts- und Spezifitätswerte in der Praxis nicht immer gehalten werden können.
Die Sensitivität gibt an, wie sensibel der Test auf einen bestimmten gesuchten Stoff reagiert. Formal handelt es sich also um die empirisch bestimmte Wahrscheinlichkeit, mit der eine tatsächlich erkrankte Person auch als „positiv“ getestet wird. Kurz gesagt: Je höher die Sensitivität eines Tests, desto sicherer erfasst er die Erkrankung. Die Spezifität hingegen gibt die Wahrscheinlichkeit an, mit der eine nicht-infizierte Person auch ein tatsächlich negatives Ergebnis erhält.
Als Folgebegriffe werden häufig die „falsch-positiv-Rate“ und die „falsch-negativ-Rate“ genannt. Die falsch-negativ-Rate ist 100 Prozent minus Sensitivität, die Die falsch-positiv-Rate ist 100 Prozent minus Spezifität. Als Beispiel: Bei einer falsch-positiv-Rate von 1 Prozent, erhält eine Person von 100 Gesunden ein fälschlicherweise positives Testergebnis. Schnelltests reagieren nur nach dem Überschreiten sogenannter kritischer Werte mit einem zweiten Strich im Testfeld. Das heißt, je höher die Konzentration des gesuchten Stoffes in der Probe, desto eher „findet“ der Test die potenzielle Infektion. Zwischen einem eindeutigen positiven und einem eindeutig negativen Ergebnis befindet sich der Bereich der „zweifelhaften Ergebnisse“. Da dieser bei den aktuell angewendeten Antigen-Schnelltests entfällt, ergeben sich unter Umständen abweichende Sensitivitätswerte in der Praxis.
Dieser Thematik widmet sich eine aktuelle Cochrane-Analyse. Die Autoren schlossen 64 Studien in ihre Übersichtsarbeit mit ein. Alle bearbeiteten das Thema „Genauigkeit von Antigenschnelltests“ auf der Basis von Schnelltests von unterschiedlichen Herstellern. Wohl entscheidend für eine hohe Genauigkeit ist der Zeitpunkt der Testung und das Vorliegen von Symptomen, so die Autoren. Am genauesten waren die In-vitro-Diagnostika, wenn sie in der ersten Woche nach Symptombeginn eingesetzt wurden – zu einem Zeitpunkt, zu dem die Erkrankten das Virus mitunter schon unbemerkt weitergegeben hatten.
Die einbezogenen Studiendaten stammen zum Großteil aus Europa und schließen 24.087 Proben mit ein. Davon waren 7415 Proben Sars-CoV-2-positiv. Es gab Unterschiede zwischen symptomatischen und asymptomatischen Teilnehmern. Die durchschnittliche Sensitivität war in der ersten Woche nach Auftreten der Symptome höher (78,3 bis 84,1 Prozent) als in der zweiten Woche der Symptome (51,0 bis 61,0 Prozent). Die Spezifität war hingegen bei allen Patienten durchgehend hoch (98,9 bis 99,5 Prozent). Ob eine Infektion erkannt wurde hing auch vom verwendeten Schnelltest-Modell ab. Bei den auch in Deutschland häufiger verwendeten Tests SD Biosensor Standard Q Assay und Abbott Panbio zeigten sich deutliche Unterschiede. Der Biosensor Test hat laut Analyse eine Sensitivität von 88 Prozent bei symptomatischen und 69 Prozent bei asymptomatischen Anwendern. Der Abbott Panbio Test verfügt laut Autoren über eine Sensitivität von 75 Prozent bei symptomatischen und eine Sensitivität von 49 Prozent bei asymptomatischen Personen.
Erstautorin Jacqueline Dinnes, Wissenschaftlerin der Bereiche Public Health, Epidemiologie und Biostatistik an der University of Birmingham kommentiert die Ergebnisse wie folgt: „Unsere Übersichtsarbeit zeigt, dass einige Antigen-Tests nützlich sein können, wenn bei Menschen mit Symptomen ein Verdacht auf Covid-19 besteht. Diese Tests scheinen bei Menschen, die keine Symptome von Covid-19 haben, nicht so gut zu funktionieren. […] Alle Antigentests übersehen einige Personen mit einer Infektion. Daher ist es wichtig, Personen, die ein negatives Testergebnis erhalten, klar zu machen, dass sie trotzdem infiziert sein können. Es gibt einige neue Hinweise darauf, dass die Genauigkeit des Tests davon beeinflusst wird, wer ihn durchführt. Künftige Studien sollten den Zusammenhang zwischen der Erfahrung der Person, die den Test durchführt, und der Empfindlichkeit des Tests untersuchen.“
Die vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI) evaluierten Tests erfüllen mit einer Sensitivität von mehr als 80 Prozent und einer Spezifität von mehr als 97 Prozent die geforderten Mindestkriterien.