Apotheker Jens Wiemann möchte seine Mitarbeiter bestmöglich schützen – deshalb hat er angebaut: An der Ordens-Apotheke in Bad Harzburg gibt es jetzt ein behelfsmäßiges Schalter-System. Hier können die Kunden ihre Wünsche an das Apothekenpersonal herantragen – dadurch wird der Sicherheitsabstand gewährleistet und auf möglichst viel Kundenkontakt verzichtet.
Schon früh hat Wiemann entsprechende Vorkehrungen getroffen – für einige seiner Mitarbeiter vielleicht zu früh. „Anfangs wurde ich noch belächelt“, erklärt er. Die Freiwahl wurde abgehängt, sodass die Kunden nichts anfassen oder sich selbst bedienen konnten, und die Vorräte der Apotheke wurden aufgestockt. Seit Wochen tragen die Mitarbeiter Handschuhe und Mundschutz. „Wenn es noch schlimmer wird, liegen auch Overalls bereit“, erklärt Wiemann. Das Hauptaugenmerk liege auf dem Schutz der Mitarbeiter – und natürlich auch der Kunden.
Da sich die Situation nun jedoch weiter verschärft hat, mussten weitere Maßnahmen durchgeführt werden. Ein Bedienen durch die Klappe wäre aufgrund des hohen Kundenaufkommens nicht möglich gewesen, erklärt der Apotheker. „Das wäre eine Herdeninfektion vor der Tür geworden.“ Außerdem wäre die Schlange aufgrund des notwenigen Abstands unendlich lang gewesen. Die Umsetzung wäre also völlig unpraktisch und schlichtweg nicht machbar gewesen.
Also musste eine andere Lösung her: Gemeinsam mit einem Tischler entwickelte Wiemann einen Anbau vor der Apothekentür. In nur wenigen Tagen stand das Konstrukt aus Kanthölzern, OSB-Platten und Plexiglas. Die Kosten dafür würden sich auf etwa 2000 Euro belaufen, meint Wiemann. Das Apothekenpersonal kann nun aus der Apotheken-Eingangstür in den Anbau gehen. Dort befinden sich unterschiedliche Fenster für die jeweiligen Kundenwünsche: „Ein Fenster ist für Rezeptkunden, das andere für alle anderen Anliegen“, erklärt Wiemann. Die „Schalter“ sind entsprechend gekennzeichnet.
Die Mitarbeiter nehmen die Wünsche dort entgegen und bearbeiten im Inneren der Apotheke alles weitere. Nach der Annahme erhalten die Kunden eine Nummer, mit der sie schließlich um die Ecke am „Abholfenster“ alles entgegennehmen und bezahlen können. Damit es im Inneren des Anbaus nicht zu kalt wird, hat Wiemann Heizlüfter aufgestellt. „Die Belüftungsanlage wurde außerdem auf 30 Prozent Überdruck gestellt“, erklärt er. So würde die Luft permanent aus der Apotheke geschleust. „Mehr kann man nicht machen.“
Die Reaktionen seien überwiegend positiv: Sowohl die Kunden wie auch seine Mitarbeiter wären dankbar und auch die letzten Skeptiker im Team wurden überzeugt. „Ich wünschte, ich hätte nicht Recht gehabt“, meint Wiemann. Sogar Mitarbeiter aus anderen Apotheken hätten sich per E-Mail oder auf andere Weise mit positivem Feedback an ihn gewandt. „Ich hoffe, die Leute begreifen nun endlich den Ernst der Lage.“
Auch andere Apotheken machen sich Gedanken: Die Hasenleiser-Apotheke Rohrbach in Heidelberg gibt die Medikamente seit Mittwoch über eine Rutsche ab, um eine möglichst sichere Distanz zwischen Personal und Patienten zu gewährleisten. Inhaberin Michal Lea Schutz-Krause und ihr Lebensgefährte Harald Klinger haben in Eigenregie die abenteuerliche Konstruktion gebaut: Auf zwei entgegengesetzten Schienen befindet sich jeweils ein kleiner Buggy auf Rädern. In je eine Richtung sind die Schienen abschüssig, sodass Kunde und Apothekenmitarbeiter Geld und Ware einfach in die Wagen legen und dann herabsausen lassen.
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