Ohne Rezept: Nur mit Arzt Maria Hendrischke, 29.01.2016 12:37 Uhr
Der Kunde benötigt dringend ein verschreibungspflichtiges Medikament. Ein Rezept dafür hat er nicht – er setzt auf die Kulanz seiner Stammapotheke. Doch Apothekenmitarbeiter sollten den Kundenwunsch nur in absoluten Ausnahmefällen erfüllen.
Wenn verschreibungspflichtige Medikamente ohne Rezept abgegeben werden, macht sich der Apotheker strafbar. Das gilt auch, wenn zum Beispiel nur eine Tablette aus einem Blister entnommen werden. Denn er verstößt gegen den Paragraphen 48 des Arzneimittelgesetzes (AMG). Darauf kann eine Geld- oder sogar eine Haftstrafe folgen.
Die Abgabe eines verschreibungspflichtigen Medikaments ohne Rezept bricht auch Wettbewerbsrecht. Eine Apotheke darf ohne Rezept keine Rx-Arzneimittel abgeben, weil sie sich damit einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz verschaffen würde. Schon ein einmaliges „Augenzudrücken“ könnte sich herumsprechen – und mehr Kunden in diese Apotheke führen. So hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe Anfang 2015 geurteilt.
Das Urteil bezog sich auf einen Fall aus Baden-Württemberg. In Aulenburg bei Ravensburg hatte sich eine Apotheke geweigert, eine Packung Blutdrucksenker abzugeben, da die Kundin kein Rezept vorlegen konnte. Die PTA sah zwar im System, dass die Patientin seit Jahren das Präparat einnahm, hielt sich jedoch ans Gesetz. Denn es handelte sich nicht um einen Notfall; die Frau wollte nur in den Urlaub fahren.
Eine benachbarte Apotheke gab ihr das Medikament trotzdem. Die Apothekerin hatte aber nicht mit dem Arzt der Patientin Rücksprache gehalten. Stattdessen hatte sie mit einer befreundeten Ärztin gesprochen, die aber die Kundin gar nicht kannte. Die Richter in Karlsruhe verurteilten die Apothekerin; sie musste Schadenersatz an ihren Kollegen zahlen.
Ausnahmen gibt es trotzdem. Es sind aber nur die ganz dringenden Fälle, in denen ein Rezept nachgereicht werden kann. Die Fälle sind in der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) geregelt. „Erlaubt die Anwendung eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels keinen Aufschub, kann die verschreibende Person den Apotheker in geeigneter Weise, insbesondere fernmündlich, über die Verschreibung und deren Inhalt unterrichten“, heißt es dort in Paragraph 4.
Die etwas weiter gefasste Formulierung erlaubt es, Rx-Medikamente auch in nicht direkt lebensbedrohlichen Situationen abzugeben, wenn die unverzügliche Einnahme des Arzneimittels entscheidend ist. Wichtig ist, nicht irgendeinen, sondern den behandelnden Arzt des Patienten telefonisch zu kontaktieren. Er muss die Verschreibung und die medizinische Dringlichkeit bestätigen.
Darüber hinaus schreibt das AMVV vor: „Der Apotheker hat sich über die Identität der verschreibenden Person Gewissheit zu verschaffen.“ Wenn der Patient einen Arzt nennt, der in der Apotheke unbekannt ist, muss überprüft werden, ob es die Praxis wirklich gibt. Dazu kann der Name im Verzeichnis der zuständigen Ärztekammer gesucht werden.
Hat der Arzt zugestimmt, darf das Medikament abgegeben werden. Der Patient muss das Rezept in schriftlicher oder elektronischer Form so schnell wie möglich nachreichen – also am nächsten Werktag. Ein gefaxtes Rezept ist übrigens kein gültiges Dokument: Stattdessen ist es eine Kopie, die theoretisch mehrfach eingelöst werden könnte. Ohne Rücksprache mit dem Arzt kann auch ein Fax-Rezept nicht akzeptiert werden.
Ist das Leben des Patienten in Gefahr, sind Apothekenmitarbeiter selbstverständlich dazu angehalten, Erste Hilfe zu leisten und den Notarzt zu alarmieren. Ein Erste-Hilfe-Kurs ist für PTA Teil der Ausbildung; das Wissen sollte möglichst immer auf dem aktuellen Stand gehalten werden.