Tramadol/Citalopram: Serotonin-Alarm Nadine Tröbitscher, 29.11.2016 09:14 Uhr
Die dunkle und graue Zeit des Jahres hat begonnen. Lustlosigkeit, Traurigkeit und dunkle Gedanken machen sich breit und können zu Depressionen führen. Betroffene werden mit Antidepressiva wie Citalopram behandelt; treten zudem starke Schmerzen auf, sind Wechselwirkungen mit Schmerzmitteln wie Tramadol zu beachten. Eine gleichzeitige Einnahme der Wirkstoffe kann ein Serotonin-Syndrom verursachen.
Fall: Eine Kundin leidet seit einigen Wochen unter starken Rückenschmerzen. Salben und Schmerztabletten aus dem Bereich der Selbstmedikation konnten keine Linderung verschaffen. Der Orthopäde hat nun ein stärkeres Schmerzmittel verordnet: Die Frau möchte ein Rezept über Tramadol einlösen. Im Beratungsgespräch gibt die Kundin an, ein Mittel gegen Depressionen einzunehmen. Das Arzneimittel mit dem Namen Citalopram nehme sie seit einiger Zeit jeden Morgen ein. Mehrere Schicksalsschläge hätten sie in ein tiefes Loch fallen lassen. Dank des Medikaments habe sie den Weg aus der Traurigkeit gefunden und könne das Leben wieder genießen. Im Moment möchte sie nur noch, dass diese quälenden Rückenschmerzen verschwinden.
Analyse: Das Antidepressivum Citalopram gehört zu den Selektiven-Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI). Serotonin ist Neurotransmitter und Gewebshormon und in vielen Stellen im Körper zu finden: im Gehirn als Botenstoff des Zentralnervensystems, im Magen-Darm-Trakt zur verbesserten Darmbewegung. Im Blut zirkuliert der Stoff frei und kann im Fall einer Verletzung durch Vasokonstriktion der kleinen Blutgefäße und verstärkte Trombozytenaggregation zu einer besseren Wundheilung verhelfen.
Der als Glückshormon bezeichnete Wirkstoff hat eine stimmungsaufhellende Wirkung und spielt im zentralen Nervensystem eine wichtige Rolle bei der Regulation von Depressionen und Ängsten. Die Wirkung von Citalopram beruht auf der selektiven Hemmung der Wiederaufnahme von Serotonin durch die präsynaptischen Nervenzellen. Die Konzentration des Neurotransmitters im synaptischen Spalt steigt – Ängste, Traurigkeit, Antriebslosigkeit und Depression werden vermindert.
Patienten nehmen die Medikation einmal täglich unabhängig von den Mahlzeiten ein. Der erste stimmungsaufhellende Effekt setzt meist nach etwa 14 Tagen ein, die volle Wirkung nach etwa sechs bis acht Wochen. Zu Beginn der Therapie können auch suizidale Gedanken verstärkt auftreten. Die Nebenwirkungen sind im Vergleich zu den trizyklischen Antidepressiva geringer. Übelkeit, Schwindel und Kopfschmerzen zählen zu den häufigsten unerwünschten Wirkungen.
Tramadol wird gegen mäßig starke und starken Schmerzen eingesetzt. Der Wirkstoff gehört zu den Opioid-Analgetika, unterliegt aber nicht der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtMVV). Tramadol wird agonistisch an den µ-, k- und δ- Opioid-Rezeptoren des Nervengewebes, Der Wirkstoff ist dabei nicht sehr selektiv und von geringer Affinität für die Opioidrezeptoren. Die Schmerzlinderung tritt vielmehr durch eine Hemmung der Wiederaufnahme von Noradrenalin und eine erhöhte Freisetzung von Serotonin ein.
Das Schmerzmittel kann in Form von Tropfen oder Kapsel unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen werden. Zur Behandlung von mäßig starken Schmerzen bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren werden Präparate zu 50 mg eingesetzt. Tritt etwa 60 Minuten nach der Einnahme der ersten Dosis keine Besserung ein, kann eine zweite Gabe erfolgen. Starke Schmerzen werden mit einer Einzeldosis von 100 mg behandelt. Die Wirkdauer beträgt zwischen vier und acht Stunden.
Die verstärkte Freisetzung von Serotonin durch Tramadol und die Hemmung der Wiederaufnahme durch Citalopram führen zu einer Wechselwirkung bei gleichzeitiger Gabe. Die serotonerge Wirkung kann sich verstärken, Krampfanfälle können die Folge sein.
Kommunikation: Von der gleichzeitigen Einnahme von Citalopram und Tramadol ist der Kundin abzuraten. Es ist empfehlenswert, ein anderes Schmerzmittel verordnen zu lassen. In Kombination beider Arzneimittel kann es zu einem Serotonin-Syndrom kommen. Symptome können Krämpfe und Muskelzuckungen, Schwitzen, Ruhelosigkeit, Schüttelfrost und Tremor sein.
Therapie: Eine Therapie der Schmerzen kann nicht über die Selbstmedikation erfolgen. Die Kundin kommt nicht um einen erneuten Besuch beim Arzt herum. Die Apothekenmitarbeiter können jedoch bei Rücksprache mit dem Arzt bitten um eine Verordnung eines anderen Medikamentes bitten. Kommt das neue Rezept direkt per Fax, kann die Kundin unter Umständen direkt versorgt werden. Das Original kann dann auf dem Postweg in die Apotheke gelangen.
Geeignet wäre der Wirkstoff Metamizol, dessen Wirkmechanismus noch nicht genau geklärt ist. Eine Studie ergab im vergangenen Jahr eine Blockade von Ionenkanälen in den Schmerzrezeptoren. Seit den 80er-Jahren ist eine Hemmung der Cyclooxygenase bekannt.
Begleitend zum Schmerzmittel kann auch eine pysiotherapeutische Anwendung die Symptome lindern. Die Verwendung von Schmerzsalben ist nicht zu empfehlen, da deren Wirkung bei Schmerzen in den tieferen Körperschichten nicht belegt werden kann. Sofern eine Entzündung vorliegt, ist unbedingt von Wärmesalben abzuraten.